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Am Scheideweg

Die Arktis steht am Scheideweg, meinen die Veranstalter der Arktis-Konferenz "Arctic Frontiers". Rund tausend Entscheidungsträger und Experten aus Politik, Industrie und Forschung diskutierten über einen rechtlichen Rahmen für die wirtschaftliche Erschließung der Arktis.

Von Alexander Budde | 28.01.2011
    Bereits in wenigen Jahrzehnten könnte sich der Schiffsverkehr im hohen Norden dramatisch beleben, prophezeit der Konteradmiral Dave Titley. Der Meereskundler leitet eine Forschergruppe der US-Marine zum Klimawandel:

    "Wir glauben, dass der Arktische Ozean irgendwann zwischen 2035 und 2040 mindestens einen Monat im Jahr lang eisfrei sein wird. Und bis zur Mitte des Jahrhunderts wird diese eisfreie Periode drei oder vier Monate andauern. Unter diesen Voraussetzungen dürften die Reeder ein großes Interesse daran haben, Kosten einzusparen, indem sie eine kürzere Alternativroute wählen."

    In den Fokus ist vor allem die Nordostpassage gerückt, von den Russen nördlicher Seeweg genannt. Die Route führt von der Barentssee an der nordsibirischen Küste entlang bis in die Beringstraße, die Russlands fernen Osten von Alaska trennt.

    Die Schiffspassage von europäischen Häfen nach Japan oder China wäre nur noch halb so weit wie die bislang übliche Route durch den Suez-Kanal.
    Noch fordert die russische Regierung hohe Transitgebühren. Die aufwändige Begleitung durch Eisbrecher muss vorab angemeldet werden. Das dämpft vorerst die Erwartungen. Unterdessen bietet sich auf westlicher Route zum Pazifik Island als Standort für die nötige Logistik und den Warenumschlag an. Eine Vielzahl von Delegationen fragten bei ihm an, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auszuloten, sagt Islands Außenminister Össur Skarphėðinsson:

    "Gegenwärtig genießen wir die liebenswerte Umarmung von weit entfernten Nationen. Unsere Besucher kommen aus Dubai, Singapur und China. Auch von der Erschließung neuer Öl- und Gasfelder könnten wir Isländer profitieren. Mit der Offshore-Förderung sind aber auch große Risiken verbunden. Eine Ölpest wie im Golf von Mexiko hätte verheerende Folgen für unsere Fischbestände."

    Auf dem Kontinentalsockel vor Grönland stecken Offshore-Konzerne wie Shell, BP, Statoil und Dong ihre Claims ab, obwohl es bislang weder Notfallpläne noch die nötige Technik für den Krisenfall gibt. Bereits heute passieren alljährlich rund 300 große Tankschiffe die Küste Norwegens, randvoll mit Öl und Flüssiggas aus den Fördergebieten in der Barentssee. Auch ohne Havarien ist die Schifffahrt im Nordpolarmeer ein schmutziges Geschäft, betont Neil Hamilton, Arktis-Experte des WWF.

    "Die Schifffahrt in der Arktis ist von Natur aus gefährlich. Viele Schiffe nutzen Diesel von schlechter Qualität. Die Folgen können dramatisch sein. Die Rußpartikel lagern sich als dunkle Flecken auf dem Eis ab, absorbieren mehr Sonnenenergie und tragen somit zur Erwärmung bei. Hinzu kommt die Belastung durch allerhand toxische Substanzen. Wir brauchen dringend ein verpflichtendes Abkommen, das Richtlinien für alle Schiffe festlegt. Bislang liegt das einzig und allein im Ermessen der Reeder."