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Am Scheideweg

Technik. – Ab 2011 sollen die Klimaanlagen aller Neuwagen in der EU nur noch mit weitgehend umweltfreundlichen Kühlmitteln betrieben werden. Im Vorfeld der Internationalen Automobilausstellung propagierte das Umweltbundesamt jetzt CO2 als Lösung, in der Automobilindustrie kann man sich allerdings auch für einen Konkurrenten namens "1234YF" erwärmen.

Von Michael Engel | 25.09.2008
    Klimaanlagen mit Kohlendioxid als Kältemittel haben den Ruf, mehr Treibstoff zu verbrauchen als Aggregate mit synthetischen Kältemitteln wie das zurzeit gebräuchliche "R134a". Das Umweltbundesamt wollte es genau wissen und testete die Fahrzeuge. Vizepräsident Dr. Thomas Holzmann über das Ergebnis.

    "Wir haben in den Tests, die von uns in Auftrag gegeben wurden, festgestellt, dass wir bei einer Außentemperatur von 20 Grad eine Verbrauchsminderung von 54 Prozent haben, bei 28 Grad Umgebungstemperatur eine Verbrauchsminderung von immer noch bemerkenswerte 45 Prozent Differenz zur bisherigen Technik."

    Klimaanlagen mit CO2 als Kältemittel schlucken demnach lange nicht soviel Sprit wie herkömmliche Aggregate mit R134a. Kältetechnik mit Kohlendioxid erfordert allerdings weitaus höhere Drücke. CO2 muss mit mehr als 100 bar komprimiert werden. Bei synthetischen Kältemitteln sind es dagegen nur 30 bar. Jetzt steht die europäische Automobilindustrie vor einer gravierenden Entscheidung: Ab 2011 dürfen neue Fahrzeugtypen mit dem herkömmlichen Kältemittel "R134a" nicht mehr vom Band laufen, so ein Beschluss der Europäischen Union. Der Stoff ist ein echter Klimakiller mit einem Treibhauspotential 1450fach höher als beim CO2. Künftig dürfen Kältemittel maximal das 150fache Treibhauspotential gegenüber dem Klimagas CO2 besitzen. Warum also nicht gleich Kohlendioxid als Kältemittel einsetzen, argumentiert Dr. Wolfgang Plehn vom Umweltbundesamt:

    "Also wir sehen beim CO2 eigentlich die Lösung, die weltweit große Chancen hat weil CO2 ist schon heute als Kältemittel weltweit verfügbar. Es ist sehr preisgünstig, es ist nicht giftig, es ist nicht brennbar."

    Bislang stand auch die deutsche Automobilindustrie hinter dem CO2 als Kältemittel der Zukunft. Dann kam, vor gut einem Jahr, "1234yf" in die Diskussion, ein neuartiges Kältemittel, entwickelt unter anderem vom dem amerikanischen Chemieriesen Honeywell. Es handelt sich ebenfalls um eine synthetische Substanz, die allerdings eine Doppelbindung im Molekül enthält, chemisch aktiver ist, und damit leichter zerfällt. In der Umwelt zersetzt sich die Substanz in nur zehn Tagen. Beim herkömmlichen "R134a" sind es dagegen 14 Jahre. Die Klimaschädlichkeit soll deshalb nahezu Null betragen. Zudem kann das Kältemittel in bestehende Anlagen eingefüllt werden kann. Die Autoindustrie spart also Entwicklungskosten für CO2-Anlagen. Das Umweltbundesamt indes hegt erhebliche Bedenken. Wolfgang Plehn:

    "Also beim 1234 gibt es doch eine Reihe von Fragezeichen, was die stofflichen Eigenschaften betrifft. Es ist noch nicht alles abschließend untersucht worden. Und insofern verstehe ich auch nicht so ganz, wie die Automobilindustrie jetzt auf solch einen Stoff große Hoffnungen setzen kann, weil man damit ja doch in gewisser Weise auf ein Stoff setzt, wo man doch viele Fragezeichen halt hat."

    Was, so das Umweltbundesamt, ist mit den Substanzen, die aus dem reaktiven Stoff entstehen können? Nachgewiesen wurde bisher Trifluoressigsäure, von der kaum bekannt ist, wie sie sich auf die Umwelt auswirkt. Für das Umweltbundesamt steht fest: Sollte sich die Automobilindustrie für das neuartige Kältemittel entscheiden, wäre das "ein Versuch mit ungewissem Ausgang für die Umwelt".