Der Festspiel-Sommer 2006 schickt sich tatsächlich an, so manchen Rekord zu brechen. Dem Festival in Aix-en-Provence - Schaufenster französischer Musikkultur - stand seit Anfang Juli zwar mit den Berliner Philharmonikern ein Resonanzboden der Edelklasse zu Verfügung. Ansonsten aber versuchte es, mit Mittelklassesängern sowie überwiegend harmlosen oder gänzlich unbedarften Theaterformen, den provenzalischen Sommer zu überbrücken. Und das will etwas heißen, bei diesen heißen Preisen!
Das Rockfestival in Roskilde, Präsentierteller des demokratischen Dänemark, will ebenfalls ins "Guinness-Buch der Rekorde": Mit einer Pissrinne von 850 Metern Länge hat es den "New York Marathon" geschlagen.
Die Bayreuther "Richard-Wagner-Festspiele" schicken dieser Tage mit dem im 81. Lebensjahr stehenden Schriftsteller Tankred Dorst den vermutlich ältesten Opernregie-Debütanten aller Zeiten in den "Ring". Auch darin spiegelt sich der unaufhaltsame Alterungsprozess der Gesellschaft - und die Vergreisung der "Hochkultur".
Salzburg hält nicht minder Veteranen die Treue: Die Festspieldirektion ließ das Eröffnungskonzert mit Daniel Barenboim und den Wiener Philharmonikern bespielen, punktete kräftig mit Nikolaus Harnoncourt, begeisterte die Freunde der Flöte mit der Verpflichtung von James Galway. Und in wenigen Minuten hebt Riccardo Muti sein Stäbchen im "Großen Festspielhaus", um zu einem von Pierre Audi inszenierten dauerbewegten Bühnentreiben die "Zauberflöte" abzuspulen.
An Bekenntnis zu konservativen Kontinuitäten herrscht also an der Salzach heuer fürs erste kein Mangel. Die Stadt ist voll alter Leute - daran ändert auch die eine oder andere jugendbewegte Kleinveranstaltung nichts.
Auf dem Weg zum Salzburger "Rekord der Rekorde" stellen sich zwangsläufig auch schwächliche Etappen ein: Gesetzt an Platz Zwei des großen "Mozart-Parcours", mit sämtlichen Opern, war die Übernahme des von Jürgen Flimm inszenierten "Lucio Silla" aus Venedig. Der Regisseur - auch er im Pensionsalter - übernimmt vom kommenden Jahr an die künstlerische Gesamtverantwortung für das Bühnengeschehen bei den Salzburger Festspielen.
Zur Beschönigung der altrömischen Geschichte gewährte Christian Bussmanns Bühne einen weiten Blick in die Ebene bei Vicenza, und auf einen verschneiten Torbogen des von Palladio erbauten "Teatro Olímpico". Einige Tische und Sitzelemente stehen in der Landschaft herum. Sie deuten die Amtsstube des Folterknechts Aufilio an, das Boudoir der Schwester des Diktators Lucio Silla und das Hauptquartier seines Kontrahenten.
Der Liebesintrige um die Tochter des ermordeten Spitzenpolitikers Marius hat erkennbar mit klassischem Altertum und dessen Stilisierung zu tun, das Werk mit dem "Regio Ducal Teatro", und der Eröffnung der Mailänder Saison 1772/73, nichts mit Vicenza und Palladio. Aber dergleichen ist wohl egal. Auch, dass alle im Karnevalsschneetreiben Sommerkleider anhaben. Jürgen Flimm arrangierte die Auftritte und Abgänge dekorativ, nicht plausibel.
Am Ende erscheint der Meinungsumschwung Sillas, der das "lieto fine" ermöglicht - als Akt der Erpressung: Der Herausforderer setzt dem Usurpator der Macht das Messer an den Hals, aus dem er Gnade und Frieden verkündet.
In Mozarts Werk überzeugt die Schwester den Tyrannen, dass er nur durch Gerechtigkeit und Milde sein politisches Überleben erreichen könne - Flimm lässt ihn vom Schergen abstechen und damit demonstrieren, was er von argumentativer Überzeugung und Rechtsstaatlichkeit hält.
So lahm der lange Abend mit seinen dilettantischen Durchhängern sich anlässt: Der Schluss ist zumindest töricht. Von dem, was in Salzburg als "festspielwürdig" zu diskutieren wäre, ist diese Produktion so weit entfernt, wie der Mönchsberg vom Mount Everest.
Eine Nische tut sich auch für wirrheiteren "Ergänzungs-Entertainment" auf: Christoph Schlingensief, Pausenclown des Zeitgeists, liegt im "Museum der Moderne" in den letzten Zügen der Vorbereitung einer "Animatografischen Installation". Nach der offiziösen Mitteilung werden mit diesem Projekt Karajan vor dem Herztod, Hitler beim Festspielbesuch, der Gral, die Zellteilung, Mozartkugeln als Hodenersatz etcetera "erlebbar".
Salzburg muss nicht unbedingt eine Zumutung sein: Aber es schickt sich in diesem Jahr an, eine zu werden - So oder so.
Das Rockfestival in Roskilde, Präsentierteller des demokratischen Dänemark, will ebenfalls ins "Guinness-Buch der Rekorde": Mit einer Pissrinne von 850 Metern Länge hat es den "New York Marathon" geschlagen.
Die Bayreuther "Richard-Wagner-Festspiele" schicken dieser Tage mit dem im 81. Lebensjahr stehenden Schriftsteller Tankred Dorst den vermutlich ältesten Opernregie-Debütanten aller Zeiten in den "Ring". Auch darin spiegelt sich der unaufhaltsame Alterungsprozess der Gesellschaft - und die Vergreisung der "Hochkultur".
Salzburg hält nicht minder Veteranen die Treue: Die Festspieldirektion ließ das Eröffnungskonzert mit Daniel Barenboim und den Wiener Philharmonikern bespielen, punktete kräftig mit Nikolaus Harnoncourt, begeisterte die Freunde der Flöte mit der Verpflichtung von James Galway. Und in wenigen Minuten hebt Riccardo Muti sein Stäbchen im "Großen Festspielhaus", um zu einem von Pierre Audi inszenierten dauerbewegten Bühnentreiben die "Zauberflöte" abzuspulen.
An Bekenntnis zu konservativen Kontinuitäten herrscht also an der Salzach heuer fürs erste kein Mangel. Die Stadt ist voll alter Leute - daran ändert auch die eine oder andere jugendbewegte Kleinveranstaltung nichts.
Auf dem Weg zum Salzburger "Rekord der Rekorde" stellen sich zwangsläufig auch schwächliche Etappen ein: Gesetzt an Platz Zwei des großen "Mozart-Parcours", mit sämtlichen Opern, war die Übernahme des von Jürgen Flimm inszenierten "Lucio Silla" aus Venedig. Der Regisseur - auch er im Pensionsalter - übernimmt vom kommenden Jahr an die künstlerische Gesamtverantwortung für das Bühnengeschehen bei den Salzburger Festspielen.
Zur Beschönigung der altrömischen Geschichte gewährte Christian Bussmanns Bühne einen weiten Blick in die Ebene bei Vicenza, und auf einen verschneiten Torbogen des von Palladio erbauten "Teatro Olímpico". Einige Tische und Sitzelemente stehen in der Landschaft herum. Sie deuten die Amtsstube des Folterknechts Aufilio an, das Boudoir der Schwester des Diktators Lucio Silla und das Hauptquartier seines Kontrahenten.
Der Liebesintrige um die Tochter des ermordeten Spitzenpolitikers Marius hat erkennbar mit klassischem Altertum und dessen Stilisierung zu tun, das Werk mit dem "Regio Ducal Teatro", und der Eröffnung der Mailänder Saison 1772/73, nichts mit Vicenza und Palladio. Aber dergleichen ist wohl egal. Auch, dass alle im Karnevalsschneetreiben Sommerkleider anhaben. Jürgen Flimm arrangierte die Auftritte und Abgänge dekorativ, nicht plausibel.
Am Ende erscheint der Meinungsumschwung Sillas, der das "lieto fine" ermöglicht - als Akt der Erpressung: Der Herausforderer setzt dem Usurpator der Macht das Messer an den Hals, aus dem er Gnade und Frieden verkündet.
In Mozarts Werk überzeugt die Schwester den Tyrannen, dass er nur durch Gerechtigkeit und Milde sein politisches Überleben erreichen könne - Flimm lässt ihn vom Schergen abstechen und damit demonstrieren, was er von argumentativer Überzeugung und Rechtsstaatlichkeit hält.
So lahm der lange Abend mit seinen dilettantischen Durchhängern sich anlässt: Der Schluss ist zumindest töricht. Von dem, was in Salzburg als "festspielwürdig" zu diskutieren wäre, ist diese Produktion so weit entfernt, wie der Mönchsberg vom Mount Everest.
Eine Nische tut sich auch für wirrheiteren "Ergänzungs-Entertainment" auf: Christoph Schlingensief, Pausenclown des Zeitgeists, liegt im "Museum der Moderne" in den letzten Zügen der Vorbereitung einer "Animatografischen Installation". Nach der offiziösen Mitteilung werden mit diesem Projekt Karajan vor dem Herztod, Hitler beim Festspielbesuch, der Gral, die Zellteilung, Mozartkugeln als Hodenersatz etcetera "erlebbar".
Salzburg muss nicht unbedingt eine Zumutung sein: Aber es schickt sich in diesem Jahr an, eine zu werden - So oder so.