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Amateure auf dem Weg ins All

Raumfahrt. - 2004 wurde erstmals der so genannte "X Prize" für private Raumschiffe weltweit vergeben, doch das sollte nur ein Anfang sein. Auf einem eigens errichteten Raumhafen in New Mexico präsentierten jetzt erneut Visionäre ihre Konkurrenzideen zur Nasa.

Von Guido Meyer | 23.10.2006
    Zündung – und nichts. Die rote Rakete der Firma Tripoli aus Arizona verharrt auf ihrer Startrampe. Nee, da tut sich nichts, und es wäre gemein zu sagen, dass wir uns bei Amateuren befinden, mitten in der Wüste. Es ist eben nicht das Kennedy Space Center in Florida, es ist der gerade erst im Entstehen begriffene Spaceport America in New Mexiko. Und es ist auch nicht die aus Steuergeldern finanzierte Raumfahrtbehörde Nasa, sondern es sind private Visionäre und ihre kommerziellen Sponsoren, die eben auch mal ins All wollen. Irgendwann. Irgendwie. Und wer braucht schon Raketen, wenn man doch in einen Fahrstuhl ins All einsteigen könnte. Roger Gilbertson von der Space Elevator Competition erklärt die Konstruktion.

    "Die erste Herausforderung für die teilnehmenden Teams besteht darin, ein Band fünfzig Meter hoch in die Luft zu bekommen. Es ist oben an einem Kran und unten, auf dem Boden, durch Gewichte befestigt. Denn es darf natürlich nicht hin und her flattern. Es steht unter Spannung. Die Maschinen klettern an ihm empor. Parallel zum Band verläuft ein Kabel, dessen Stopp-Mechanismus am oberen Ende uns mitteilt, wie lange die Apparatur gebraucht hat, um ganz nach oben zu steigen."

    Und fertig ist der Weltraumfahrstuhl. Zumindest der Prototyp, bei dem es vor allem darauf ankommt, zu demonstrieren, wie solche Kletterroboter autonom senkrecht nach oben kraxeln und möglichst noch Nutzlast mitnehmen können. Dem Team, das bei den Kriterien Zeit und Gewicht am besten abschneidet, winken 400.000 Preisgeld, gestiftet von der amerikanischen Raumfahrtbehörde. Denn die Nasa will über diese Lifte ins All vielleicht eines Tages Nachschub in die Umlaufbahn transportieren.

    "Die Idee des ganzen ist halt: Da fossile Brennstoffe immer knapper werden, dass wir hinterher mal per Lichtenergie, über die Sonne, also ohne viel Sprit mitzunehmen, ins Weltall kommen und so nicht Tonnen an Kerosin – wie die heutigen Space Shuttles brauchen – verschwenden. Das wäre dann halt eine umweltschonende Maßnahme und gleichzeitig den Weltraum zu erkunden. Dafür ist das ja eigentlich gedacht, dass wir eine ständige Verbindung in den Weltraum haben, dass wir andauernd praktisch Space Elevators hochschicken können, die dann Materialien für die Astronauten, für die ISS, wie auch immer, Treibstoff, alles, was man so braucht, mitnehmen können."

    Kevin Linka ist Schüler am Max-Born-Berufskolleg im nordrhein-westfälischen Recklinghausen und mitsamt Klassenkameraden und Lehrern zu den Fahrstuhl-Meisterschaften angereist. Mehr noch: Das Team Turbo Crawler nimmt als eines von sechs Mannschaften aus Deutschland, Spanien, den USA und Kanada mit einem selbstgebauten Roboter auch teil am Wettklettern. Mitschüler Jonas Gerding.

    "Wir stehen hier vorm Space Elevator. Der Space Elevator ist komplett aus Aluminium gebaut. In diese Aluminiumprofile haben wir Löcher reingebaut, um das Gewicht zu verringern. Und an dem einen Ende ist das Solarpanel, das von unten durch die Spots angestrahlt wird. Und der Motor hat zwei Kilowatt, ist ein ganz normaler Elektromotor, der aus dem Modellflugzeugbereich kommt. Der wird über ein Getriebe übersetzt auf das Seil, auf das Band."

    Der Climber Marke Turbo Crawler misst etwa zehn Quadratmeter und besteht im Wesentlichen aus einem großen, flachen Solarzellen-Ausleger und eben dem Klettermechanismus. 25 Kilo darf die gesamte Apparatur maximal wiegen, so die Vorgabe der Nasa, und noch einmal 25 Kilo an Nutzlast muss sie mit nach oben nehmen können. Etwa ein Dutzend Schüler tragen ihren Lift aus dem Hangar auf das offene Gelände des Weltraumflughafens. Philip Euen von der Werkzeugfirma Hella in Recklinghausen – eine der Sponsorinnen des Projektes – beschreibt die Aufbauarbeiten.

    "Die wollen jetzt den Elevator ans Seil hängen. Und zwar werden jetzt erst die Solarpanel einmal abgenommen, damit das Seil eingeführt werden kann, dann wird es da unten in die Rolle gelegt und hinterher auf Spannung gebracht. Das ist halt ein bisschen Arbeit, bis man die ganzen Bänder abhat und so weiter. Der Antrieb ist ein Reibradantrieb. Ist im Prinzip eigentlich sehr simpel: sind zwei Rollen, die aufeinander gedrückt werden, wobei ein Rad angetrieben wird und somit dieser Elevator nach oben krabbelt."

    Während das deutsche Team seinen Aufzug starklar macht, läuft einige hundert Meter weiter auf dem Flughafengelände ein anderer Wettbewerb: die Lunar Lander Challenge. Die heißt nicht so, weil so schön viele l´s drin vorkommen, sondern weil die Nasa vor der Herausforderung steht, ein neues Landemodul für ihre Rückkehr zum Mond erfinden zu müssen. Alan Ladwig vom Weltraumkonzern Northrop Grumman in Washington, D.C., der mit der US-Raumfahrtbehörde ihre Projekte koordiniert.

    "Unser Mondlandewettbewerb wird von der Nasa gesponsert, die ein Preisgeld von zwei Millionen Dollar bereitgestellt hat. Heute wird das Unternehmen Armadillo Aerospace versuchen, die erste Hürde zu nehmen. Dazu müssen sie ihr Vehikel 50 Meter senkrecht nach oben steigen lassen, in dieser Höhe hundert Meter parallel zum Erdboden fliegen und in einem zehn-mal-zehn-Meter großen Zielgebiet landen. Gelingt ihnen das, gewinnen sie die ersten 350.000 Dollar Preisgeld."

    In diesem Sinne: Ein kleiner Flug für eine Fähre, vielleicht ein großer für die Menschheit. Nach mehr als dreißig Jahren hebt wieder eine Mondlandefähre ab – kein Eagle, aber der unbemannter Prototyp Pixel. Robert Davis, Direktor für Space Exploration Systems bei Northrop Grumman in Kalifornien.

    "Stellen Sie sich vor, die Fähre hat vier Beine, auf denen sie landet. Sie hat vier zylindrische Tanks, die um eine Zentralstruktur herum befestigt sind, die in ihrer Mitte einen Raketenantrieb hat, der das Raumschiff vom Boden hebt. Außerdem verfügt es über kleinere Düsen für seitwärts gerichtete Flugmanöver. Diese Fähre können wir programmieren und automatisch fliegen lassen oder fernsteuern. "

    Das klang zwar aus der Ferne nach einem sicheren Touchdown, tatsächlich jedoch sind die Landefüße der Fähre beim Aufsetzen beschädigt worden. Auch der nächste Tag wird zeigen, wie schwer stabiles Manövrieren und senkrechtes Landen sind: Pixel verfehlt die weiße Landefläche völlig und fällt beim Aufsetzen auch noch um. Beim dritten und letzten Versuch schließlich kippt das Gefährt gleich nach dem Abheben zur Seite und knallt zurück auf den Boden. Und auch über dem Weltraumfahrstuhl steht zunächst kein guter Stern: Starke Winde und der Ausfall der Steuereinheit verhindern die ersten beiden Kletterversuche, doch im dritten Anlauf gelingt der Aufstieg in rund zwei Minuten. Zu langsam zwar für das Preisgeld. Dennoch sind die Turbo Crawler damit die zweitschnellste Mannschaft des Turniers. Und auch das Unternehmen Tripoli hat seinen Ruf gerettet – diesmal gelingt der Lift Off. Die Höhenrakete hebt ab, pfeilgerade nach oben. Auch eine Form von Feuerwerk für den "X Prize Cup 2006" und all die gelungenen und misslungenen Experimente.