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Amazon-Streik
"Für uns ist dies hier erstmal kein Thema"

Mitten im Weihnachtsgeschäft versucht die Gewerkschaft Verdi, Streiks beim Online-Händler Amazon zu organisieren. An sieben der neun Standorte tut sich die Dienstleistungsgewerkschaft aber bisher schwer damit. Auch im Auslieferungslager in Koblenz.

Von Ludger Fittkau |
    In blauer Schutzweste führt der Koblenzer Amazon-Standortleiter Gregory Brian eine Journalistengruppe durch eine Packhalle. Waren in gelben Boxen rollen über Fließbänder, die jeden Winkel des mehrere Fußballfelder großen Logistikzentrums erreichen. Im Weihnachtsgeschäft arbeiten hier rund 4.000 Menschen als Packer an den Bändern oder als sogenannte "Picker" in den Regallagern. Gregory Brian: "Dieser Job ist hart. Wenn man picken geht, ist man zehn bis zwölf Kilometer unterwegs. Physisch gibt es gewisse Belastungen. Es ist nicht einfach."
    Seit Juni 2013 gibt es nun bei Amazon Koblenz einen Betriebsrat, der die Arbeitsbedingungen beim Internet-Händler verbessern will. Der aus den USA stammende Werksleiter Gregory Brian gibt zu, dass er sich am Anfang mit dem Gremium schwer getan hat: "Ich habe so etwas nie gehört und gesehen. Dass man so eng zusammenarbeitet mit einem Betriebsrat und dass dieses Gremium so viel Macht hat, hatte ich nie gesehen, bevor ich nach Deutschland kam. Über die Jahre habe ich dann wirklich gelernt, diese Balance zu respektieren, die wir hier haben. Man muss wirklich zuhören, man muss wirklich eine Partnerschaft aufbauen, um erfolgreich zu sein."
    Amazon verweigert Tarifvertrag für deutsche Standorte
    Einen Tarifvertrag verweigert Amazon jedoch weiterhin für seine deutschen Standorte. Der örtliche Betriebsrat kritisiert das, beteiligt sich aber nicht an den Streiks, die die Gewerkschaft Verdi an anderen Amazon-Standorten auch vor Weihnachten durchführt. Man setze auf Gespräche mit der Unternehmensleitung statt auf Arbeitskampf, sagt der Koblenzer Betriebsratsvorsitzende Reimar Floeck. Den Vorwurf, de facto den Verdi-Streik zu brechen, weist er zurück.
    "Ich sehe das nicht so, dass wir als Streikbrecher fungieren in Koblenz. Für uns ist dies hier erstmal kein Thema. Ich hoffe, es bleibt auch bei uns so, dass es kein Thema ist."
    Der Verdi-Landesbezirk Rheinland-Pfalz hat sich damit abgefunden, dass bei Amazon Koblenz in absehbarer Zeit kein Streik zu organisieren ist. Verdi-Sprecher Jürgen Dehnert glaubt jedoch, dass die Arbeitsniederlegungen in Bad Hersfeld und Leipzig sowie einzelne Aktionen vor dem Werkstor in Koblenz erste Wirkung zeigen: "In Koblenz ist Amazon mit 9 Euro 30 angetreten, das war die erste Mitteilung, das gibt es. Sobald wir mit unseren Fahnen vor der Tür aufgetreten sind, ist das erhöht worden und beträgt zurzeit 9 Euro 90. Allerdings: Der Tarif im Einzelhandel Rheinland-Pfalz beläuft sich auf 12 Euro 30."
    Eine weitere konkrete Verbesserung in diesem Jahr: Amazon verpflichtet alle Zeitarbeitsfirmen, mit denen der Internet-Konzern kooperiert, die Mitarbeiter nicht mehr in abgelegenen und schlecht beheizten Ferienhaussiedlungen unterzubringen. Diese Praxis hatte im vergangenen Jahr ein Kamerateam des Hessischen Rundfunks aufgedeckt.
    "Almosen" als Weihnachtsgeld
    Das Weihnachtsgeld zwischen 400 und 600 Euro, das Amazon in Koblenz und an anderen Standorten in diesem Jahr erstmals zahlt, bezeichnet die Gewerkschaft jedoch als "Almosen". Doch vom US-amerikanischen Werksleiter Gregory Brian sind während der Werksbesichtigung nachdenkliche Töne zu hören. Der US-amerikanische Kapitalismus, in dem viele Manager Gewerkschaften und Krankenversicherungen für Sozialismus halten, sei für ihn nach längerer Zeit in Deutschland nicht mehr überzeugend: "Ganz ehrlich, wenn ich zu Hause bin in den USA, ich komme aus New Hampshire, ich fühle mich mehr fremd in den USA als in Europa. Mein Bruder ist Republikaner und wir streiten uns über das, was er 'Sozialismus' nennt in Deutschland. Ich bin Europäer geworden, weil ich sehe, dass es klappt."
    Das sei aber seine private Meinung, betont der Manager. Auch ohne Tarifvertrag bei Amazon schickt die Koblenzer Arbeitsagentur jetzt im Weihnachtsgeschäft Langzeitarbeitslose als Aushilfen ins Werk. Ein Mann, den die Agentur aufgefordert hat, sich bei Amazon vorzustellen, will am Werkstor seinen Namen nicht nennen. Er habe keine Wahl, sonst bekomme er das Arbeitslosengeld gekürzt. Aber er hat ein mulmiges Gefühl: "Hier gibt es keine Gewerkschaft, hier gibt es nichts eigentlich. Ich weiß nicht, ob das so alles so gut ist. Was hat man als Arbeitnehmer, außer der Gewerkschaft?"