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American Football
Das Projekt Böhringer

Vor fünf Jahren kam Moritz Böhringer eher zufällig zum American Football. Nun wurde der Student aus dem schwäbischen Aalen direkt von einem NFL-Team verpflichtet. Er ist damit der erste ausländische Nachwuchsspieler, der es ohne Highschool- oder Collegeerfahrung in die stärkste Footballliga der Welt schafft.

Von Thilo Neumann |
    American-Football-Spieler Moritz Böhringer - noch im Trikot der Schwäbisch Hall Unicorns.
    Für Moritz Böhringer ist der Traum von der NFL wahr geworden (Imago)
    Von der schwäbischen Alb in die NFL – für Moritz Böhringer ging am Samstag eine verrückte Reise zu Ende. Als der Schwabe vor gut zwei Monaten in die USA aufbrach, war er selbst den meisten US-Experten noch kein Begriff. Jetzt hat er Sportgeschichte geschrieben: Der 22-Jährige hat den Sprung in die beste Footballliga der Welt geschafft: Böhringer hatte sich zur Draft gemeldet, einem Auswahlverfahren, bei dem sich NFL-Teams die Rechte an Amateur- und Jugendspielern sichern. Bereits seit Donnerstag lief diese Talentbörse, Samstag wurden die letzten von insgesamt 253 potenziellen Hoffnungsträgern ausgewählt. Und Böhringer hatte Erfolg: Die Minnesota Vikings sicherten sich seine Dienste.
    Schon vor der Draft berichteten amerikanische TV-Sender über den bis dato völlig unbekannten Deutschen. Denn: Bislang ist noch kein ausländischer Spieler über die Draft in die NFL gekommen, der zuvor weder in der Highschool noch an einem US-College gespielt hat. Andere deutsche Export-Spieler wie Sebastian Vollmer oder Björn Werner hatten sich in der Vergangenheit immer über die amerikanische Studentenliga für die NFL empfohlen.
    Internet-Video als Karrierehelfer
    Böhringer ist zum Pionier geworden – und das ausgerechnet mit Hilfe der amerikanischen Liga. Denn dass der schüchterne Schwabe vor einer Anstellung in der NFL steht, ist das Verdienst von Aden Durde. Der Brite arbeitet als Trainer und Scout im Londoner Büro der NFL. Im Februar sah er im Internet eher zufällig ein Video mit Spielszenen des Deutschen. Durde kontaktierte ihn schließlich - auf ungewöhnlichem Wege, sagt Moritz Böhringer. Der Deutschlandfunk erreicht ihn diese Woche in Florida. "Also eine Woche, bevor ich nach Amerika gekommen bin, hat er mich auf Facebook angeschrieben. Ich hab das Ganze nicht so ernst genommen, weil warum sollte irgendeiner von der NFL einfach auf Facebook jemanden anschreiben."
    Am Ende gab Böhringer dem Trainer doch seine Nummer – und bestieg wenige Tage später einen Flieger in die USA. Durde hatte ihn zu einem zweiwöchigen Trainingslager eingeladen, um zu testen, ob er das Potenzial zum NFL-Spieler hat. Eine ungewöhnliche Maßnahme auf Kosten der Liga. Für einen Spieler, der bei den Schwäbisch Hall Unicorns erst eine Saison in der GFL, der höchsten deutschen Liga, absolviert hat. Warum also dieser Aufwand? Aden Durde erklärt das so: "Um als Liga international wachsen zu können, brauchen wir ausländische Spieler. Also haben wir uns überlegt, wie wir internationalen Spielern den Weg in die NFL erleichtern können. Wir haben deshalb ein Pilotprogramm entwickelt, mit dem wir versuchen, vielversprechende Talente im Ausland zu finden und NFL-Teams auf sie aufmerksam machen."
    Erfolgreiches Probetraining
    Ihr möglicher Türöffner nach Europa: Moritz Böhringer, ein 22-jähriger Student aus Aalen. Der gelernte Passempfänger übertraf im Training alle Erwartungen, weswegen ihn NFL-Mitarbeiter bereits nach kurzer Zeit dazu überredeten, sich für den Pro Day zu melden. Bei diesem Showtraining präsentierte sich Böhringer den Talentscouts fast aller NFL-Teams – und wurde im Anschluss von gleich acht Mannschaften eingeladen, sich noch einmal persönlich vorzustellen. Die Chancen waren damit nicht gesunken, dass ihn einer der 32 Vereine bei der Draft auswählt. Böhringer ist nun ein neues Aushängeschild für deutsche Football-Anhänger. Für Aden Durde der logische nächste Schritt: "Darum betreiben wir das Pilotprogramm. Wir glauben daran, dass ausländische Spieler den Nationalstolz in ihren Heimatländern fördern werden. So kommen neue Leute zum Footballsport, als Fans und Aktive."
    Schon jetzt hat die NFL an der Geschichte von Moritz Böhringer Gefallen gefunden. Seit dem Pro Day wird der Maschinenbau-Student von einem Kamerateam begleitet; deutsche und internationale Medien fragen nach Interviews und Stellungnahmen. Viel Wirbel um einen Quereinsteiger, den vor wenigen Wochen noch niemand auf der Rechnung hatte.