Donnerstag, 18. April 2024

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Amerikanische Christen um Mike Pence
Das Evangelium nach Michael

Der neue US-Vize-Präsident, Michael Pence, gehört zu einem Kreis, der sich "Radical Christian Right" nennt. Diese radikale christliche Rechte kämpft gegen Abtreibung und bestreitet den Klimawandel. Und sie propagiert einen biblischen Kapitalismus: Wer glaubt, wird reich und wer reich ist, gilt als von Gott gesegnet. Für Arme ist da wenig Platz.

Von Andreas Robertz | 19.01.2017
    epa05636995 US Vice President-elect Mike Pence speaks to members of the media at Trump Tower in Manhattan, New York, USA, 18 November 2016. EPA/John Taggart / POOL |
    Mike Pence, der neue Vize der USA - wer nicht wohlhabend ist, hat nicht genug Glauben (dpa/picture alliance/John Taggart)
    Wenn man an die vielen Stellen im Neuen Testament denkt, in denen Jesus von den Armen spricht und gegen die Reichen wettert, dann scheint die Idee eines "biblischen Kapitalismus" auf dem ersten Blick absurd. Doch für Millionen von Anhängern der evangelikalen Kirchen in den USA hat Gott den freien Markt geschaffen, damit jeder, der nur hart genug arbeitet, mit Geld und Wohlstand gesegnet werden kann. Jesu' Gleichnis von den Talenten dient hier als exegetischer Polarstern. Serena Jones, Präsidentin des Union Fakultät, eines berühmten überkonfessionellen theologischen Seminars in New York City, erklärt, was sich der neuen Vizepräsident Mike Pence unter "biblical capitalism" vorstellt.
    "Was Mike Pence unter biblischem Kapitalismus versteht sind zwei Dinge. Einmal glaubt er, dass Gott uns auffordert, unseren Weg in dieser Welt zu machen, indem wir Verstand und Körper nutzen, um soviel Geld wie möglich zu machen, und dass eine Regierung, die diesen Prozess stört, letztlich blasphemisch handelt. Und zweitens, dass, wenn man an Gott glaubt und das Leben an den christlichen Prinzipien ausrichtet, die Wirkkraft des Glaubens selbst wohlhabend macht und die, die nicht wohlhabend sind, es aus Mangel an Glauben sind."
    Kein soziales Gesundheitswesen, kein Klimaschutz
    Das passt gut zu der Leistungsphilosophie des puritanisch geprägten Kapitalismus Amerikas. Was nicht dazu passt, ist das Konzept einer Regierung, die diese "selbstverschuldete" Armut mit sozialen Programmen zu bekämpfen versucht. Es war also keine Überraschung als Mike Pence am letzten Freitag vor die Presse trat und mit rechtschaffendem Ernst das Ende von Präsident Obamas Gesundheitsreform Obamacare und den zügigen Übergang zu einem, an dem freien Wettbewerb orientierten Gesundheitskonzept erklärte.
    Und das ist erst der Anfang: "Medicaid" und "Medicare", aus der Roosevelt Ära stammende Sozialprogramme für sozial Schwache und ältere Bürger, sollen ebenfalls stark reduziert werden - eine Katastrophe für Millionen von US Amerikanern. Und auch die von der Obama Regierung installierten Regulierungen zum CO2 Ausstoß nach den Klimaschutzvereinbarungen von Paris sind den radikalen Christen ein Dorn im Auge. Ein von Menschen verursachter Klimawandel passt nicht ins biblische Konzept.
    Pence und Trump glauben an das Wohlstandsevangelium
    Doch wie konnten sich Michael Pence und seine Glaubensfreunde derart prominent in der neuen Regierung positionieren?
    Mit seinem milden Auftreten, seiner Erfahrung als Gouverneur und der Nähe zum christlichen Fundamentalismus ist Michael Pence ein willkommenes Gegengewicht zu Trumps Lebensstil, der so gar nicht christlichen Moralvorstellungen entspricht. Inhaltlich treffen sich die beiden in ihrem Glauben an den "Prosperity Gospel", dem Wohlstandsevangelium freikirchlicher Fernsehprediger á la Paula White oder dem Afroamerikaner Darell Scott. Diese ganz auf materiellen Erfolg orientierte Theologie entwickelte sich aus der "Positive Thinking" Bewegung des amerikanischen Pfarrers und Bestseller Autors Norman Vincent Peale in den 50er Jahren. Demnach wird der Gläubige von Gott mit Wohlstand und Erfolg gesegnet. Allein die Überzeugung, ein erfolgreicher Mensch zu sein, zieht angeblich bereits Geld und Erfolg an. Wer glaubt, wird reich. Da ist es nicht schwer zu verstehen, dass Donald Trump mit all seinen Wolkenkratzern und Flugzeugen für viele Wohlstandtheologen ein von Gott gesegneter Mensch sein muss. Dazu nochmal Serena Jones von der Union Fakultät:
    "Die Menschen, die an das Wohlstandsevangelium glauben, sind oft entweder arm und brauchen das Gefühl, dass es einen Ausweg für sie gibt, wenn sie nur fest genug daran glauben. Oder sie sind sehr reich und wollen ihren Reichtum mit ihrem Glauben rechtfertigen."
    Krach ist programmiert
    Natürlich sind die Gläubigen zu Spenden aufgerufen. Und so fließt enorm viel Geld in Kampagnen zur Schließung von Abtreibungskliniken, zur Missionierung Afrikas oder gegen die Säkularisierung der Gesellschaft, denn gemäß dieser evangelikalen Christen ist die säkulare Gesellschaft der eigentlich Feind der von Gott gewollten Gesellschaft; eine Überzeugung übrigens, die alle religiösen Fundamentalisten auf der Welt verbindet.
    "Aber sie würden nie für eine Politik kämpfen, die die Armut eliminieren will. 'Ihr habt allzeit Arme bei euch' wird oft von biblischen Kapitalisten zitiert. Es wird als Aufruf zur Wohltätigkeit verstanden, nicht aber das ökonomische Kastensystem abzuschaffen, dass Armut kreiert."
    Der Ehevertrag zwischen der Wohlstandsphilosphie von Donald Trump und dem biblischen Kapitalismus von Mike Pence ist erst mal geschlossen. Doch Krach ist programmiert, denn das Wirtschaftssystem in den USA funktioniert schon längst nicht mehr nach den Gesetzen des freien Marktes nach denen jeder, der hart genug arbeitet - oder fest genug an seinen Erfolg glaubt - auch reich werden kann. Die wichtigen Entscheidungen werden in multi-nationalen Konzernzentralen gemäß Gewinnspannen und Rentabilität getroffen. Um das zu erklären, reicht das Gleichnis über die Mehrung der Talente nicht aus.