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Amerikanisches Unterhaltungs- und französisches Dialogkino

Nach "Before Sunrise" und "Before Sunset" folgt nun das Ende der Trilogie von Regisseur Richard Linklater. In "Before Midnight" rekapitulieren die Protagonisten ihre gemeinsame Geschichte: Der Amerikaner Jesse und die Französin Céline sind längst miteinander verheiratet und haben Zwillingstöchter, mit denen sie Urlaub in Griechenland verbringen.

Von Josef Schnelle |
    In "Before Sunrise" trafen sie sich 1994 im Zug nach Wien und verbrachten eine ganze Nacht miteinander immer nur redend über die Liebe und das Leben. Endgültig zueinanderfanden der Amerikaner und die Französin im ersten Film der Trilogie des amerikanischen Regisseurs Richard Linklater jedoch noch nicht. Und auch im Fortsetzungsfilm "Before Sunset" 2004 blieb das offen. Im dritten Teil nun, in "Before Midnight", rekapitulieren die Figuren ihre gemeinsame Geschichte:

    "Wir haben uns vor 18 Jahren kennengelernt. Ein kleines bisschen verliebt. Dann haben wir uns aus den Augen verloren und zehn Jahre später sind wir uns wieder über den Weg gelaufen."
    "Nein, wir sind uns nicht über den Weg gelaufen, Schätzchen. Du hast ein Buch geschrieben inspiriert von unserer Begegnung. Ich hatte davon gelesen und wollte es mir ansehen."
    "Das klingt romantisch."
    Nicht wirklich, nicht wirklich. Er vergisst zu erwähnen, dass er verheiratet war und ein Kind hatte."
    "Kleinigkeiten."
    "Eine Katastrophe war das."
    "Es war keine Katastrophe, es war unvermeidlich."
    "Und das erste Mal Sex ohne Kondom – Zwillinge."


    In "Before Midnight" geht es 2013 um die kleinen und die großen Beziehungsunfälle und den Kitt, der eine langjährige Beziehung zusammenhält – vor der romantischen Kulisse des Urlaubs in Griechenland. Man sagt: Liebe sei ein langer, immerwährender Dialog. Richard Linklater, Julie Delpy und Ethan Hawke haben ihren filmischen Dialog zum Thema inzwischen tatsächlich über 18 Jahre geführt. Auch die beiden Schauspieler sind immer wieder ihre eigenen Wege gegangen, um dann wieder in einer neuen Episode zusammenzufinden. Das "falsche" und das "richtige" Leben der Figuren und Schauspieler scheinen miteinander zu verschmelzen.

    Als sich der Amerikaner Jesse und die Französin Céline 1994 in "Before Sunrise" im Zug trafen, konnte man das noch für einen harmlos-heiteren Spaß halten. Doch die beiden Schauspieler waren definitiv ins Scheinwerferlicht gerückt. Julie Delpy hatte neben ihrer Schauspielkarriere auch ernsthaftere Ambitionen als Regisseurin, schließlich hatte sie auch ein Regiestudium an der Filmhochschule in New York abgeschlossen. Ab 2007 spielte sie fast nur noch in ihren eigenen Filmen die Hauptrolle. Ihr Debüt vor und hinter der Kamera war die Komödie "2 Tage in Paris" und wurde als moderne französische "Screwballcomedy" gelobt. Auch die Drehbücher zur Before-Serie hat sie zusammen mit Ethan Hawke und Richard Linklater entwickelt und wurde 2004 sogar für einen Oscar nominiert.

    Jesse und Céline sind vor acht Jahren – das blieb am Ende von "Before Sunset" offen - tatsächlich zusammengeblieben. Sie sind längst miteinander verheiratet und haben zwei Zwillingstöchter mit denen sie ihren Urlaub in Griechenland verbringen. Diesmal drehen sich ihre Gespräche um die großen Fragen in ihrem Leben: Warum sind sie überhaupt noch zusammen? Was liegt noch vor ihnen? Amerikanisches Unterhaltungskino und französisches Dialogkino verbinden sich. Ein Film als Gespräch, das oft den Ton wechselt. Das manchmal spielerisch wirkt, um dann plötzlich mit großer Wucht die elementaren Wahrheiten des Beziehungslebens zu entfalten und zum engagierten Streit wird. Die schöne Kulisse Griechenlands täuscht. In diesem schmucklosen Kammerspiel geht es um die großen Fragen: wie wollen wir leben und wie kann uns das gemeinsam gelingen. Nur die Liebe zählt, aber auch die Streitkultur. Es mag den beiden Schauspielern nicht gefallen, aber sie sind für eine Kinoewigkeit miteinander verbunden. Und sie führen in diesem schlicht-schönen Film noch einmal den großen Dialog, den man Leben nennt. Dazu gehört auch der spielerisch-wehmütige Rückblick auf ihr jeweiliges jüngeres Ich.

    "Wir sind uns schon mal begegnet. Sommer 94."
    "Sie verwechseln mich mit jemanden."
    "Nein. Wir haben uns sogar ineinander verliebt."
    "Tatsächlich?"
    "Ich erinnere mich vage an jemanden, der war süß und romantisch. Er gab mir das Gefühl nicht mehr allein zu sein. Es war jemand, der mich respektiert hat, wie ich war."
    "Das war ich! Ich bin derjenige."
    "Das glaub ich nicht."