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Amerikas europäische Wende

Gary Smith, der Leiter der American Academy in Berlin, bewertet den Besuch des amerikanischen Präsidenten Bush in der kommenden Woche vorsichtig optimistisch. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA sei angesichts der schwierigen weltpolitischen Fragen unverzichtbar. Die Nagelprobe für ein neues Verhältnis werde aber nicht der Irak sein, sondern eine Verhinderung der nuklearen Aufrüstung im Iran. Besonders Deutschland habe hier eine historische Verantwortung für die Sicherheit Israels.

Moderation: Thomas Heyer |
    Thomas Heyer: Ausnahmezustand in der kommenden Woche in Rheinland-Pfalz. Der amerikanische Präsident besucht Europa. In Mainz trifft er sich am Mittwoch mit Gerhard Schröder. George W. Bush und der deutsche Bundeskanzler an einem Tisch. Es scheint, als habe die deutsch-amerikanische Eiszeit damit ein vorläufiges Ende. Der Kanzler jedenfalls freut sich über die Aufgeschlossenheit des US-Präsidenten, wie wir eben hier in den Deutschlandfunk-Nachrichten gehört haben. Gary Smith hat sich mit seinen Arbeiten zur deutsch-jüdischen Kultur hierzulande einen Namen gemacht. Seit einigen Jahren leitet er die American Academy in Berlin, eine Art intellektuelle Kontaktbörse. Gary Smith, wie lässt sich denn der neuerliche Kontakt zwischen den USA und Deutschland beschreiben? Echte Freunde stehen hier zusammen und da kommt auch kein Irak-Krieg dazwischen?

    Gary Smith: Ich glaube, Sie dürfen, wenn auch mit Vorsicht, optimistisch sein. Das heißt, es ist eigentlich selbstverständlich: Nach Ende des Kalten Krieges, nach dem 11.9. findet sich Europa als Europa, Amerika muss seine Rolle in der Welt wieder finden. Sie sind mit einer ganzen Reihe von dringenden, lebensnotwendigen Fragen konfrontiert, so dass es eine starke Übergangszeit der Desorientierung geben wird. Inzwischen hat die sehr schwierige Erfahrung der letzten paar Jahre gelehrt, dass Europa und Amerika aufeinander nicht verzichten können. Und diese Erkenntnis hat auf jeden Fall Präsident Bush gepackt. Und erstaunlicherweise habe ich erfahren, gerade in der Zeit, im Spätsommer, wo er bei der Public National Convention vor allem Frankreich sehr kritisiert hat, entschieden hat, eine europäische Wende zu machen in seiner Außenpolitik.

    Heyer: Sie sind vorsichtig optimistisch, haben Sie gesagt. Was heißt das jetzt? Steht die neue Freundschaft auf sicheren oder eher auf tönernen Füßen?

    Smith: Man muss sich wieder finden. Das heißt, man muss erst mal die Prioritäten zusammen besprechen. Man muss lernen, wieder einander zuzuhören. Zuhören ist etwas, was beide Seiten nicht ausgezeichnet hat in den letzten paar Jahren. Und wir können das messen an Entwicklungen wie der Iran-Politik, mehr als der Irak-Politik meines Erachtens. Vor zwei Jahren hat George Shultz, ehemaliger Außen- und Finanzminister unter Reagan und Bush, hier ein kleines privates Treffen zwischen Deutschen und Amerikanern gemacht. Und der Schluss war schon damals, dass nicht Irak, sondern Iran die Probe für die transatlantische Beziehung sein würde.

    Heyer: Zum Thema Iran ist ja auch Condoleezza Rice, die amerikanische Außenministerin, zuletzt hier in Deutschland befragt worden. Was hat Ihnen denn bereits die Vorhut dieses Bush-Besuchs, so will ich das mal nennen, die amerikanische Außenministerin - die trat ja sehr selbstbewusst auf -, was hat Ihnen dieses selbstbewusste Auftreten gesagt? Sie übernahm zum Beispiel die Federführung von Pressekonferenzen hier auf deutschem Terrain.

    Smith: Ja, ich meine, sie ist natürlich eine bekannte Figur hier in Deutschland, die in der damaligen ersten Bush-Regierung an der Wiedervereinigung mitgewirkt hat und ein Buch darüber geschrieben hat. Sie bringt jetzt in das State Department eine ganze Reihe von Persönlichkeiten, mit denen die Deutschen vertraut sind. Das heißt, sie ist dafür verantwortlich, diese europäische Wende in der Außenpolitik der Bush-Regierung zu implementieren. Aber sie ist selbstbewusst, weil sie weiß, sie hat die volle Unterstützung von Präsident Bush. Es ist natürlich anders als damals unter Secretary Powell, der ein großer Amerikaner ist, aber damals nicht unbedingt für Präsident Bush gesprochen hat.

    Heyer: Die amerikanische Außenpolitik, die wandelt sich unter Condoleezza Rice, das ist unverkennbar, Sie haben es gerade gesagt. Aber welche neue Qualität hat denn der neue alte Freund? Deutschland ist ja kein Ja-Sager-Land mehr, steht gleichwohl zum Bündnis, erlaubt sich aber, wie zuletzt auf der NATO-Tagung, eigene Gedanken und sogar Kritik.

    Smith: Ich meine, das ist natürlich verständlich, und das wird auch so verstanden in Amerika, auch wenn wir nur unsere Beziehungen auf eine ganz pragmatische Basis stellen wollen und die Vergangenheit vergessen würden, was wir natürlich nicht machen sollen, weil immerhin ist Deutschland, dieses demokratische Deutschland ist nur das geworden, was es ist, unter amerikanischen Schutz über Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

    Heyer: Ja, aber das klingt so nach ewiger Dankbarkeit.

    Smith: Nein, nein, es ist nicht so. Ich sage nur, man kann nicht geschichtslos Politik machen. Aber wenn Sie die bedeutendsten Probleme und die dringendsten Probleme der Welt anschauen, den islamischen Terrorismus, Umweltpolitik, die Nuklearambitionen des Iran und die Gefahr eines nuklearen Wettrüstens im Nahen Osten, Menschenrechte und die Chance, die wir gerade haben, mit Israel und Palästina unter Abu Masen. Amerika schafft es übrigens nicht alleine und das hat auch Präsident Bush anerkannt. Das geht nur - wenn es überhaupt geht - wenn die USA und Europa - wer sonst? - zusammen an einer neuen gemeinsamen Agenda ganz pragmatisch und koordiniert arbeiten.

    Heyer: Aber wie heikel ist nach wie vor dieses Verhältnis Deutschland-USA? Inwieweit hätte sich Deutschland zum Beispiel eigentlich eine kritische Stimme zum Ablauf und Ergebnis der Irakwahl erlauben können? Oder anders gefragt, würde dann der Besuch des Präsidenten auch unter ähnlich positiven Vorzeichen stattfinden?

    Smith: Sie müssen sehen: Ganz anders als vor einem Jahr gibt es überhaupt keine Erwartungen seitens der amerikanischen Regierung, dass Deutschland direkt im Irak aktiv ist. Amerika betont immer, wie auch Deutschland übrigens, wie bedeutend der deutsche Beitrag in Afghanistan ist, im Balkan und natürlich, dass Deutschland das mit Polizisten und anderen macht. Die Trainee-Arbeit, die sie für den Irak machen, ist sehr wichtig. Auch für die Skeptiker wie mich ist das schon imponierend. Das heißt, wir können uns hier kein Schwarzweißbild erlauben, weil wir mit der Realität arbeiten müssen.

    Heyer: Inwieweit ist denn eigentlich, Herr Smith, das Nein der Deutschen zum Irak-Krieg mittlerweile in den USA und auch in der amerikanischen Regierung wirklich vergessen?

    Smith: Es muss nicht vergessen sein. Aber ich meine, es ist einfach nicht mehr relevant aus meiner Sicht. Es gibt einfach dringendere Probleme. Und wenn Sie das Problem Iran betrachten, wo Deutschland wirklich eine historische Verantwortung hat, auch einfach aus Verantwortung für Israel, dass Iran keine nukleare Macht wird. Sie haben eine Situation, wo drei europäische Länder eine Art Soft-Diplomatie versuchen, wohl wissend, dass es wahrscheinlich scheitert - ohne amerikanische Unterstützung. Und Sie haben jetzt ein vor einem Jahr sehr skeptisches Amerika oder vor drei Monaten eine sehr skeptische Bush-Regierung, die sagt, wir müssen uns vielleicht doch hier engagieren, weil das iranische Problem so gravierend ist, dass wir schon in diesem Stadium versuchen sollten, eine gemeinsame Politik zu machen.

    Heyer: Was glauben Sie denn, wird nach dem Besuch des US-Präsidenten, nach dem Treffen mit Gerhard Schröder hinten raus gekommen sein? Ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wie vom Kanzler so sehr gewünscht?

    Smith: Ich meine, Sie machen einen Fehler, wenn Sie nur auf dieses Gespräch, dieses Mittagessen diese Woche fokussieren. Diese europäische Wende in der Bush-Regierung beinhaltet, dass Präsident Bush und Bundeskanzler Schröder mindestens dreimal in den nächsten Monaten persönlich miteinander sprechen werden. Mit großer Sicherheit in Moskau im Mai, und dann auch beim G7 in Schottland im Juli. Und was alles drum herum vorbereitet und besprochen wird, das können Sie sich vorstellen. Diese Frage müssen Sie sich stellen im Juli, im Sommer, weil bis zum Sommer wird hier das Gespräch intensiv geführt.