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Ammanns Ende

Im kommenden Sommer will der Züricher Ammann-Verlag seine Arbeit einstellen. Der Verlagsexperte Joachim Güntner macht Konzentrationsbewegungen im Buchhandel dafür verantwortlich. Ammann sei, was seine Kosten angehe, zu groß gewesen, aber zu klein, um richtig groß mitspielen zu können.

Joachim Güntner im Gespräch mit Rainer B. Schossig | 11.08.2009
    Rainer B. Schossig: Im kommenden Sommer will der Züricher Ammann-Verlag seine Arbeit einstellen. Ein angekündigtes Ende eines renommierten Verlages, das nicht nur Autoren schmerzt, die dort im Programm waren und sind.

    Urs Widmer: Kein Zweifel, dass das Verschwinden des Ammann-Verlags ein riesengroßer Verlust für die Literatur ist - und damit für die Leser und für die Autoren. Der Ammann-Verlag hat doch in den letzten 30, na ja, knapp 30 Jahren wirklich deutliche Spuren hinterlassen. Das ist schon ein Hinweis darauf, wie schwierig die Situation für Buchverlage, die anspruchsvolle Literatur machen, geworden ist.

    Schossig: Eine Stimme, stellvertretend für viele, der schweizerische Schriftsteller: Urs Widmer zum angekündigten Aus des Ammann-Verlags. Gestern hat das Verlegerehepaar, Egon Ammann und Marie-Luise Flammersfeld, bekannt gegeben, dass sie ihre Tätigkeit im Sommer 2010 einstellen werden. Der Ammann-Verlag wurde im Jahre 1981 gegründet, weit ab kommerzieller Erwägungen, sondern eben aus Leidenschaft für gute Literatur. Und man kann wohl sagen, dass die Verleger Egon Ammann und Marie-Luise Flammersfeld ein Stück weit die Tradition von großen Vorgängern wie Suhrkamp, wie Fischer oder Heinrich Maria Ledig-Rowohlt fortgesetzt haben. Da zeichnet sich mehr ab als nur das Ende eines Verlags. Frage an Joachim Güntner, Verlagsexperte und Kulturkorrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung": Mit einer, Zitat, "Marktsituation", die für Literatur zunehmend schwieriger werde, so hat Egon Ammann seinen Entschluss begründet. Markiert nun Ammanns Ende das Ende einer Ära?

    Joachim Güntner: Ja, es gibt einerseits sicherlich so eine Art kulturpessimistischen Vorbehalt bei Herrn Ammann, nach dem Motto, wie wir das immer haben, von Generation zu Generation, seit den Griechen, wenn Sie so wollen, seit der Antike, mit der Jugend wird alles schlimmer, die Art von Literatur, die bestimmte Konzentrationsfähigkeit erfordert, wird nicht mehr rezipiert. Aber darüber kann man, glaube ich, wahrlich streiten. Es gibt handfeste ökonomische Umbrüche. Und zwar ist es so, dass der Ammann-Verlag mit seinen sieben Angestellten und zwei Verlegern - das sind dann Summa summarum neun Gehälter - auf Zürcher Lebenskostenniveau, die erst einmal erwirtschaftet werden müssen, das ist eine Menge Geld, das ist also schon fast eigentlich ein mittlerer Verlag. Und auf der anderen Seite sehen wir das Gleiche spiegelbildlich im Buchhandel: Probleme haben nicht die ganz kleinen Läden, die es noch irgendwo gibt, sondern auch diese mittleren Häuser. Die sind aber nun wiederum die bevorzugte Klientel. Das sind die, denen der Ruf auch zu Recht vorauseilt, die nicht nur die Stapelware haben, die Bestseller, sondern die sich auch um die literarischen Titel kümmern. Und wenn diese Handelsstruktur, auf der ein Haus wie Ammann ruht, wegbricht, dann hat der Verlag ein Problem.

    Schossig: Das hieße ja nicht nur, dass eben Verlage Marke Ammann für die zunehmende Ökonomisierung des Verlagsgewerbes nicht mehr kompatibel sind, sondern auch dass insgesamt das Angebot sich ändern würde?

    Güntner: Ja, ich meine, zu seiner Zeit, also Julia Franck ist jetzt auch nicht mehr Jüngste, aber sie ist ja als deutsche Autorin auch eine Entdeckung des Hauses, man könnte ja sagen, Ammann ist sozusagen mit seinen jetzt 68 Jahren zu alt gewesen, um die junge literarische Szene zu erfassen und zu verlegen. Stimmt vielleicht in Teilen auch. Also Ralph Dutli oder Schweikart, Dieter Meier, Peltzer, die sind zum Teil auch nicht mehr ganz die Jüngsten. Ich weiß nicht, ob das alleine der Punkt ist. Also es gibt sicherlich eine Literatur nach wie vor, die verlegt werden will und die man auch literarisch ambitioniert genug nennen kann. Der Kulturpessimismus stimmt auf der einen Seite, und auf der anderen Seite stimmt er eben nicht richtig.

    Schossig: Der Ammann-Verlag hat einige Autoren auch zu Bestsellern durchaus gemacht. Müssen also Schriftsteller künftig doch mit einer ganzen anderen Sorte von Verlegern, vielleicht auch einer anonymeren Sorte von Verlegern auskommen?

    Güntner: Wir sehen auf der einen Seite diese großen Konzentrationsbewegungen im Buchhandel, schon seit über einem Jahrzehnt. Der Ammann war sozusagen zu groß, was seine Kosten angeht, aber zu klein, um richtig groß mitspielen zu können. Das ist das eine. Dann sehen wir jetzt ja die ganze Debatte ums Internet. Wird es keine Bewegung geben, dass man sich nicht nur fragen muss, ob die Autoren noch richtig Verleger finden, sondern wird das Internet diese Anonymisierung - und da bin ich bei Ihrer Frage - in Form von Selbstverlag, digital oder dass das irgendwie Onlineportale sind, wo man seine Bücher einstellt, werden die Autoren dieses alte Bedürfnis, dass einem der Verlag das abnimmt, was heute noch so gravierend ist - Marketing, Lektorat und so weiter -, werden diese Bedürfnisse sich transformieren. Das heißt, der anonyme Verleger ist dann vielleicht gar kein Verleger mehr in dem Sinne, sondern das Netz bietet dann plötzlich Strukturen für Autoren, wo diese klassischen Zwischenstationen wegfallen.

    Schossig: Das hieße ja das Ende des klassischen mittelständischen Verlegers, das sich da andeutet?

    Güntner: Jeder Verleger, der jetzt am Radio sitzt und das hört, wird natürlich sagen, was erzählt der Güntner für einen Unsinn, aber ich weiß jetzt nicht, was im Kopf von Herrn Ammann vorgegangen ist, wenn er sich überlegt hat, so, wie das im Moment läuft, wird es nicht weiterlaufen. Und da kann man auch mit anderen Kollegen von ihm sprechen, dass der Umbruch, der abläuft zurzeit, brutal ist.

    Schossig: So weit der Verlagsbeobachter Joachim Güntner zum angesagten Ende des Züricher Ammann-Verlags und der Situation mittelständischer Verleger.