Bettina Klein: Weltweit wird heute der Internationale Tag gegen Folter begangen. Er geht auf das Inkrafttreten der Anti-Folter-Konvention 1987 zurück. Seit 1997 erinnern die Vereinten Nationen mit diesem Tag alljährlich an die Opfer von Folterungen und Misshandlungen. Am Telefon begrüße ich jetzt Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von amnesty international. Guten Morgen!
Barbara Lochbihler: Guten Morgen!
Klein: Frau Lochbihler, es ist der Internationale Tag der Solidarität mit den Folteropfern. Gibt es ausreichend Solidarität, oder fühlen Sie sich da allein auf weiter Flur?
Lochbihler: Es gibt schon viele Aktivitäten gegen die Folter, aber wenn Sie überlegen, dass in über 100 Staaten gefoltert wird, dann brauchen wir natürlich noch viel mehr Mitstreiter, denn die Öffentlichkeit ist der Feind der Folter. Wir müssen Folter dokumentieren und auch im Einzelfall die Verantwortlichen ansprechen.
Schön ist auch, dass wir in Deutschland heute ein Jubiläum feiern, nämlich die bundesweite Arbeitsgemeinschaft psychosozialer Zentren für Folteropfer und Flüchtlinge hier kann jetzt auf wirklich zehn Jahre guter Arbeit zurückblicken. Das ist eine Initiative, die auch konkret Hilfe leistet für Menschen, die Opfer von Folter geworden sind.
Klein: Wenn sie von Folter sprechen als Menschenrechtsorganisation, was ist für sie heute das besondere Merkmal vielleicht im Vergleich zu früheren Zeiten?
Lochbihler: Wir haben das weltweit untersucht vor drei Jahren und wir sehen jetzt im Vergleich zu den 70er Jahren, dass sich die Identität der Opfer von Folter geändert hat. Waren das früher überwiegend politische Oppositionelle, so müssen wir heute sagen, dass in der absoluten Mehrheit oft Personen, die einer Straftat verdächtigt werden, die Opfer sind oder Personen, die einer Gruppe angehören, die ausgegrenzt sind, zum Beispiel einer religiösen Minderheit, einer ethnischen Minderheit, aber auch sehr viele sehr arme Personen.
Was sich nicht geändert hat, das ist die Identität der Täter. Die ist gleich geblieben. Die sind sehr oft in Staatsdiensten: Soldaten, Gefängnisbeamte, Geheimdienstmitarbeiter. Wir sehen jetzt in unserer eigenen Arbeit, dass es ganz wichtig ist auch zu schauen, was passiert mit den Tätern, gibt es Strafverfolgung für diese Taten und zwar sowohl für den Einzelnen, der das ausgeführt hat, aber auch für die Personen, die Folter anwenden? Denken Sie an den chilenischen Diktator Pinochet, der '98 angeklagt wurde oder verhaftet wurde, oder denken Sie an die Folterungen in Abu Graib in 2004, wo die Bilder öffentlich wurden, im Irak, wo wir eben auch fordern, dass in der ganzen Befehlskette die Personen, die dafür Verantwortung tragen, bestraft werden. Wenn sie die Täter nicht bestrafen, dann bietet das eigentlich weiteren Folterungen eine gute Unterstützung.
Klein: Wie beurteilen Sie die Erfolge bei der Strafverfolgung?
Lochbihler: Nun wie gesagt, es gibt einzelne Beispiele. Da ist es positiv. Denken Sie zum Beispiel an Lateinamerika, wo es in Ansätzen gelingt. Es gibt andere Beispiele, jetzt Usbekistan, wo wir gefordert haben auch von der deutschen Regierung, gegen den ehemaligen Innenminister von Usbekistan, als er in Deutschland war, Ermittlungen einzuleiten und da hat die deutsche Regierung nichts unternommen, obwohl wir ein sehr gutes Völkerstrafgesetzbuch haben, wo man also auf Grund dieses Gesetzes auch hier Ermittlungen einleiten kann. Also hier muss der Druck noch wachsen.
Klein: Sie haben vorhin davon gesprochen, dass die Gruppe jener Menschen, die zu Opfern von Folterungen werden, sich verändert hätte. Worauf führen Sie das zurück?
Lochbihler: Es hat auch Veränderungen gegeben in der Staatsform. Die Diktaturen zum Beispiel in Lateinamerika haben sich geändert. Und dort, wenn Sie autoritäre Strukturen haben, zum Beispiel wie auch in China, dann kommt solche Folter vor. Wenn sich das aber öffnet, dann kommen andere Personengruppen eben auch ins Visier. Sie haben immer eine sehr schlechte Lobby, wenn sie zum Beispiel aus der ärmsten Schicht einer Gruppe kommen, und können sich auch schlecht dagegen wehren.
Klein: Aktuell ist immer wieder die Rede von tatsächlicher oder angeblicher Folter im Anti-Terror-Kampf. Wie verbreitet, wie ausgeprägt ist dieses Phänomen nach Ihren Erkenntnissen? Welchen Stellenwert nimmt Folter in diesem Zusammenhang tatsächlich ein?
Lochbihler: Es gibt unterschiedliche Formen. Seit 2001 sehen wir, dass sehr viele Staaten in allen Regionen ihre Maßnahmen ausgeweitet haben, das als Sicherheitsmaßnahmen deklarieren und zum Beispiel die Haftzeit verlängern, in den Menschen festgehalten werden können, ohne dass die Angehörigen, ohne dass Rechtsanwälte davon wissen. Genau in dieser Zeit - das wissen wir - kommt Folter am häufigsten vor. Dann gibt es eben ganz explizite Angriffe auf das absolute Folterverbot.
Klein: Wo sehen Sie diese Angriffe?
Lochbihler: Dann ist es zum Beispiel so, dass die USA einfach bestimmte Folter und Misshandlungen umdefiniert. Das sind Verhörmethoden wie Schlafentzug, Schläge, Bedrohung mit Hunden, sexuelle Erniedrigung. Das wird dann beschrieben als mit körperlichem Zwang verbundene Befragungstechniken. Es wird umdefiniert, aber tatsächlich sind das die verbotenen Foltermethoden. Obwohl das jetzt mehrfach kritisiert wurde, auch wieder im letzten Monat durch das UN-Antifolterkomitee, rückt die USA nur punktuell von dieser Haltung ab. Sie hat zwar jetzt 2005 ein Gesetz erlassen müssen, das noch mal deutlich sagt, dass niemand, der in US-Gewahrsam ist, gefoltert werden darf, auch nicht im Ausland, aber dieses Gesetz ist durchgegangen oder erreicht worden durch erhöhten Widerstand von außen. Von der Grundhaltung, dass man eben in Ausnahmen auch foltern muss, sind sie aber eigentlich nicht abgerückt.
Klein: Sagt Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von amnesty international, zum heutigen weltweiten Internationalen Tag gegen Folter. Vielen Dank Frau Lochbihler für das Gespräch.
Lochbihler: Ich danke Ihnen.
Barbara Lochbihler: Guten Morgen!
Klein: Frau Lochbihler, es ist der Internationale Tag der Solidarität mit den Folteropfern. Gibt es ausreichend Solidarität, oder fühlen Sie sich da allein auf weiter Flur?
Lochbihler: Es gibt schon viele Aktivitäten gegen die Folter, aber wenn Sie überlegen, dass in über 100 Staaten gefoltert wird, dann brauchen wir natürlich noch viel mehr Mitstreiter, denn die Öffentlichkeit ist der Feind der Folter. Wir müssen Folter dokumentieren und auch im Einzelfall die Verantwortlichen ansprechen.
Schön ist auch, dass wir in Deutschland heute ein Jubiläum feiern, nämlich die bundesweite Arbeitsgemeinschaft psychosozialer Zentren für Folteropfer und Flüchtlinge hier kann jetzt auf wirklich zehn Jahre guter Arbeit zurückblicken. Das ist eine Initiative, die auch konkret Hilfe leistet für Menschen, die Opfer von Folter geworden sind.
Klein: Wenn sie von Folter sprechen als Menschenrechtsorganisation, was ist für sie heute das besondere Merkmal vielleicht im Vergleich zu früheren Zeiten?
Lochbihler: Wir haben das weltweit untersucht vor drei Jahren und wir sehen jetzt im Vergleich zu den 70er Jahren, dass sich die Identität der Opfer von Folter geändert hat. Waren das früher überwiegend politische Oppositionelle, so müssen wir heute sagen, dass in der absoluten Mehrheit oft Personen, die einer Straftat verdächtigt werden, die Opfer sind oder Personen, die einer Gruppe angehören, die ausgegrenzt sind, zum Beispiel einer religiösen Minderheit, einer ethnischen Minderheit, aber auch sehr viele sehr arme Personen.
Was sich nicht geändert hat, das ist die Identität der Täter. Die ist gleich geblieben. Die sind sehr oft in Staatsdiensten: Soldaten, Gefängnisbeamte, Geheimdienstmitarbeiter. Wir sehen jetzt in unserer eigenen Arbeit, dass es ganz wichtig ist auch zu schauen, was passiert mit den Tätern, gibt es Strafverfolgung für diese Taten und zwar sowohl für den Einzelnen, der das ausgeführt hat, aber auch für die Personen, die Folter anwenden? Denken Sie an den chilenischen Diktator Pinochet, der '98 angeklagt wurde oder verhaftet wurde, oder denken Sie an die Folterungen in Abu Graib in 2004, wo die Bilder öffentlich wurden, im Irak, wo wir eben auch fordern, dass in der ganzen Befehlskette die Personen, die dafür Verantwortung tragen, bestraft werden. Wenn sie die Täter nicht bestrafen, dann bietet das eigentlich weiteren Folterungen eine gute Unterstützung.
Klein: Wie beurteilen Sie die Erfolge bei der Strafverfolgung?
Lochbihler: Nun wie gesagt, es gibt einzelne Beispiele. Da ist es positiv. Denken Sie zum Beispiel an Lateinamerika, wo es in Ansätzen gelingt. Es gibt andere Beispiele, jetzt Usbekistan, wo wir gefordert haben auch von der deutschen Regierung, gegen den ehemaligen Innenminister von Usbekistan, als er in Deutschland war, Ermittlungen einzuleiten und da hat die deutsche Regierung nichts unternommen, obwohl wir ein sehr gutes Völkerstrafgesetzbuch haben, wo man also auf Grund dieses Gesetzes auch hier Ermittlungen einleiten kann. Also hier muss der Druck noch wachsen.
Klein: Sie haben vorhin davon gesprochen, dass die Gruppe jener Menschen, die zu Opfern von Folterungen werden, sich verändert hätte. Worauf führen Sie das zurück?
Lochbihler: Es hat auch Veränderungen gegeben in der Staatsform. Die Diktaturen zum Beispiel in Lateinamerika haben sich geändert. Und dort, wenn Sie autoritäre Strukturen haben, zum Beispiel wie auch in China, dann kommt solche Folter vor. Wenn sich das aber öffnet, dann kommen andere Personengruppen eben auch ins Visier. Sie haben immer eine sehr schlechte Lobby, wenn sie zum Beispiel aus der ärmsten Schicht einer Gruppe kommen, und können sich auch schlecht dagegen wehren.
Klein: Aktuell ist immer wieder die Rede von tatsächlicher oder angeblicher Folter im Anti-Terror-Kampf. Wie verbreitet, wie ausgeprägt ist dieses Phänomen nach Ihren Erkenntnissen? Welchen Stellenwert nimmt Folter in diesem Zusammenhang tatsächlich ein?
Lochbihler: Es gibt unterschiedliche Formen. Seit 2001 sehen wir, dass sehr viele Staaten in allen Regionen ihre Maßnahmen ausgeweitet haben, das als Sicherheitsmaßnahmen deklarieren und zum Beispiel die Haftzeit verlängern, in den Menschen festgehalten werden können, ohne dass die Angehörigen, ohne dass Rechtsanwälte davon wissen. Genau in dieser Zeit - das wissen wir - kommt Folter am häufigsten vor. Dann gibt es eben ganz explizite Angriffe auf das absolute Folterverbot.
Klein: Wo sehen Sie diese Angriffe?
Lochbihler: Dann ist es zum Beispiel so, dass die USA einfach bestimmte Folter und Misshandlungen umdefiniert. Das sind Verhörmethoden wie Schlafentzug, Schläge, Bedrohung mit Hunden, sexuelle Erniedrigung. Das wird dann beschrieben als mit körperlichem Zwang verbundene Befragungstechniken. Es wird umdefiniert, aber tatsächlich sind das die verbotenen Foltermethoden. Obwohl das jetzt mehrfach kritisiert wurde, auch wieder im letzten Monat durch das UN-Antifolterkomitee, rückt die USA nur punktuell von dieser Haltung ab. Sie hat zwar jetzt 2005 ein Gesetz erlassen müssen, das noch mal deutlich sagt, dass niemand, der in US-Gewahrsam ist, gefoltert werden darf, auch nicht im Ausland, aber dieses Gesetz ist durchgegangen oder erreicht worden durch erhöhten Widerstand von außen. Von der Grundhaltung, dass man eben in Ausnahmen auch foltern muss, sind sie aber eigentlich nicht abgerückt.
Klein: Sagt Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von amnesty international, zum heutigen weltweiten Internationalen Tag gegen Folter. Vielen Dank Frau Lochbihler für das Gespräch.
Lochbihler: Ich danke Ihnen.