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Amokläufen vorbeugen

Gerade nach Amokläufen an Schulen wird diskutiert, ob mehr Aufmerksamkeit von Lehrern und Schülern solche Taten verhindern kann. Schulsozialarbeiter sind auch in Thüringen ein Thema. "Mehr Schulsozialarbeiter!" lautete ein Versprechen der Regierungskoalition. Getan hat sich wenig.

Von Blanka Weber | 11.02.2011
    "Ich beobachte ganz viel. Was für mich wichtig ist: Ich mag alle. Es gibt keine schlechten Menschen. Aber es gibt schlechtes Verhalten. Ich mag den Menschen, aber ich hasse sein Verhalten. Und dafür bin ich da, zu helfen, etwas Neues zu machen!"

    Thomas Volland ist 34 Jahre. Erzieher, Sozial-Fachwirt. Anti-Aggressions- und Coolnesstrainer. Vor allem aber ist er: Schulsozialarbeiter in einem sozial schwachen Viertel mit hohem Migrantenanteil.

    "Ich pendele an zwei Schulen. Ich bin hauptamtlich an der Regelschule zu Gange, vier Tage und einen Tag in einem Förderzentrum."

    Thomas Volland gehört zu einem Verein. Der Perspektiv e.V. kümmert sich mit einem Netz von Sozialpädagogen um Eltern, Kinder und Jugendliche an Schulen.

    Wenn Bildungskonzepte funktionieren sollen, bedarf es mehr Sozialarbeiter und Schulpsychologen, sagt der junge Mann mit dem blonden Zopf im Nacken. Über der Schulter schwingt ein alter, abgeschabter, roter Leder- DDR-Schulranzen. Sein eigener, sagt er auf dem Weg zum Lehrerzimmer, ein Symbol:

    "Ich hänge so ein bisschen an meiner eigenen schulischen Vergangenheit. Ich habe viel bekommen und heute gebe ich zurück. Das sage ich auch den Kolleginnen und Kollegen hier. Viele, mit denen ich heute arbeite, waren früher meine Lehrer."

    Er sei akzeptiert. Doch nicht immer genießen die Sozialarbeiter von außen die Anerkennung, die sie brauchen um in den Schulen gute Arbeit zu leisten, sagt auch seine Kollegin:

    "Wir sind da im Prozess und ich denke, wir werden noch weiter im Prozess sein, wie wir uns das vorstellen."

    Kathleen Wladkowsky arbeitet ebenfalls an mehreren Schulen - abhängig von den Verträgen des Vereins und von den Geldern, die der Perspektiv e.V. bekommt. Ein fester Ort wäre optimal - für sie und die Jugendlichen:

    "Weil es eben schwer ist, ständig hin und her zu pendeln, Fälle zu koordinieren, auch so schnell abzuschalten, umzuschalten."

    Vertrauen sei das A und O, erst dann kann sie mit den Schülern effektiv arbeiten.

    Sie arbeitet mit einer Mädchengruppe. Es geht um Mobbing, sexuelle Gewalt in der Klasse, um Täter und Opfer, vor allem aber um Jugendliche, die einen Schulabschluss machen sollen. Die Hälfte der Klasse ist versetzungsgefährdet.

    Nebenan arbeitet Thomas Volland mit den Jungen.

    "Die Opfer wissen ganz genau, sie sind Opfer. Sie haben keine Unterstützung. Sie fühlen sich hilflos. Die Täter sind ganz klar in der Klasse benannt und bekannt."

    Es sind oft vermeintliche Außenseiter, so wie ein schmaler blonder Junge mitten im Kreis. Täter wie er die ein Klassen-Klima kippen können. Die anderen eifern ihm nach. Wer nicht mitmacht, gehört nicht zu seiner Gruppe, hat weniger Ansehen und wird vielleicht zum nächsten Opfer. Genau da will Thomas Volland ansetzen.

    Jeder Täter oder sogar Amokläufer, unabhängig, ob vom Gymnasium aus dem sozialen problematischen Viertel, sendet vorher Signale, sagt Thomas Volland. Diese zu erkennen, hilft Mobbing und Gewalt an der Schule zu vermeiden.

    "Das Wichtigste ist, wir können noch so viel labern. Die Kinder müssen die Emotionen kennen, sollen fühlen, wie es ist, wenn ich draußen bin, wenn mich jemand beschimpft. Wie fühlt sich das an. Was macht das mit mir."

    Seit drei Jahren gibt es die Schulsozialarbeit in Erfurt. Es sei ein Anfang, sagt Thomas Volland, der sich eine gemeinsame pädagogische Haltung mit den Lehrern wünscht, um Probleme Schulter an Schulter anzugehen, ohne wegzuschauen.