Samstag, 18. Mai 2024

Archiv


Ampel für Bautenüberwachung

Technik. - Bauwerke sind nicht für die Ewigkeit errichtet. Bislang werden sie durch regelmäßige Kontrollen auf ihre Standsicherheit überprüft. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich diskutierten Bauingenieure jetzt über Methoden, die Belastung kontinuierlich zu messen.

Von Peter Welchering | 23.07.2009
    Ein Zug der Straßenbahnlinie 13 biegt vom Zürcher Paradeplatz in die Bahnhofstraße ab. Das passiert jeden Tag einige 100 Mal. Und immer wenn eine Straßenbahn hier vorbei fährt, wird die gesamte Kastenkonstruktion der Straße in Schwingungen versetzt. Nach einigen Jahren ist es dann soweit: Risse tauchen auf, die Straße muss gesperrt und repariert werden. Solche aufwändigen Instandsetzungsarbeiten können durch den Einbau von Überwachungssystemen vermieden werden. Bevor es zu Rissen kommt, schlagen solche Systeme Alarm. Professor Urs Meier von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich erklärt das so.

    "Längenänderungen sind sehr wichtig. Oft schließen wir auf Kräfte in einer Struktur über Längenänderungen. Das heißt aber, wir brauchen vorher eine Kalibrierung. Brücken oder eben ein hölzerner Dachstuhl einer historischen Kirche oder eben in Dubai ein 850 Meter hoher Tower. Das spielt überall dort eine ganz wichtige Rolle. Und vielfach messen wir die Drücke nicht direkt, sondern indirekt über Verlängerungen – Dehnungen heißt das eigentlich korrekt."

    Auch während der Sanierung von historischen Gebäuden überwachen die Ingenieure mit solchen Monitoring-Methoden die Baustelle, um Unfälle zu vermeiden. Urs Meier:

    "Wir haben aber von Zeit zu Zeit auch Probleme mit historischen Bauwerken. Ein Beispiel ist die Frauenkirche in Meißen. Die hat das älteste gotische Dachgestühl, zurückgehend auf 1446, das es in Deutschland überhaupt noch gibt. Und das musste saniert werden. Und man hat dort mit modernen Werkstoffen die Sanierung vorgenommen. Aber man musste das natürlich überwachen. Wie verhält sich das langzeitig. Weil, der Schaden war so groß, dass man damit rechnen musste, dass das gotische Gewölbe abstürzen könnte."

    Sensoren im Gewölbe registrieren nicht nur Dehnungen, sondern auch die Temperatur, Feuchtigkeit und eben das Schwingungsverhalten. Die flächendeckende Überwachung mit Sensoren ist erst mit modernen keramiküberzogenen Messfühlern auf Piezo-Basis möglich geworden. Beschleunigungssensoren für den Brückenbau kosteten vor wenigen Jahren noch 2000 bis 3000 Euro pro Stück. Jetzt können sie für unter 100 Euro hergestellt werden. Und dank des Keramiküberzuges werden sie auch nicht mehr von den im Beton enthaltenen Laugen angegriffen. Die erhobenen Messdaten werden vor Ort vom Überwachungssystem aufbereitet drahtlos übermittelt. Noch beziehen die Systeme die dafür notwendige Energie aus Batterien. Doch die werden allmählich durch Solarzellen und durch Mikro-Schwingelemente, die die Vibrationsenergie des Bauwerks ausnutzen, nach und nach ersetzt. Urs Meier:

    "Also die schwingen wie ein Pendel dann, und diese Energie wird dann ausgenutzt. In der Regel sind die Konzepte im Moment über Piezofasern, die zu nutzen, um die Übermittlung dann eben zu gewährleisten, auch die lokale Rechenleistung."

    Diese lokale Rechenleistung verdichtet die gewonnenen Messdaten, also Temperatur, Dehnungen, Längenveränderungen, Feuchtigkeit und Schwingungsverhalten, so dass das gesamte Überwachungssystem nur noch drei Zustände anzeigt. Professor Urs Meier

    "Wir möchten ein System, das uns Grün, Gelb oder Rot zeigt, so dass wir wissen, ah, wir sind bei diesem Straßenzug überall im grünen Bereich, keine Probleme. Gelber Bereich würde heißen, oh da müsst vielleicht mal jemand hinsehen. Und Rot würde heißen, sofort Alarmmaßnahme auslösen."

    Grün, Gelb oder Rot. Die Bauampel zeigt dann an, was mit einer Brücke, einer Straße oder einer Kirche los ist und bei Bedarf kann der verantwortliche Ingenieur die Daten genauer auswerten. Denn die werden genau protokolliert und nicht etwa weggeworfen. Im Labor funktioniert das schon wunderbar. Professor Meier und Kollegen erwarten, dass sich solche Überwachungssysteme nach der Zürcher Tagung über das Monitoring von intelligenten Infrastrukturen auf breiter Front in der Praxis durchsetzen.