Das Verwaltungshandeln soll transparenter werden, indem den Bürgern der voraussetzungslose Zugang zu behördlichen Informationen des Bundes ermöglicht wird.
Lösung:
Stärkung der demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch ein Informationsfreiheitsgesetz unter Berücksichtigung des Datenschutzes.
Alternativen:
Keine.
Diese Passage aus dem Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes des Innenministeriums lässt sich auch mit anderen Worten ausdrücken: Wer deutschen Bundesbehörden in die Karten gucken möchte soll das in Zukunft durch ein Recht auf Akteneinsicht tun können. Deutschland wird mit diesem Gesetz international kein Neuland betreten. Im Gegenteil: Fast alle anderen Industriestaaten haben derartige Gesetze - Schweden schon seit dem 18. Jahrhundert, die USA immerhin schon seit 35 Jahren. Deutschland ist - was die Informationsrechte der Bürger angeht - ein Entwicklungsland. Ausnahmen bilden lediglich die drei Bundesländer Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin, die bereits gute Erfahrungen mit dem Akteneinsichtsrecht auf Länderebene gemacht haben. Doch bis vor kurzem galt auch dort das traditionelle Prinzip der Amtsverschwiegenheit und des Aktengeheimnisses. Soll damit nun Schluss sein? Cem Özdemir, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag:
Es geht im Grunde darum, dass wir einen gläsernen Staat - einen transparenten Staat wollen, und nicht den gläsernen Bürger. Der Bund wird durch sein Gesetz die Bundesbehörden einer weitgehenden Transparenz aussetzen. Die Grünen haben hier auf das Thema schon sehr früh gesetzt. Es steht bei uns nicht nur im Programm drin. Wir haben damals in der gemeinsamen Verfassungskommission für die neue Verfassung der Bundesrepublik Deutschland uns dafür eingesetzt. Es scheiterte damals an der CDU. Wir wollten die Grundgesetzänderung. Die ist natürlich nicht durchsetzbar. Aber jetzt wird ein Gesetz kommen. Insofern geht ein Traum, der schon sehr lange geträumt wird, auch in Deutschland der Realisierung entgegen.
Doch die Einführung verläuft schleppend. War das konkrete Ziel schon in der 98er Koalitionsvereinbarung erwähnt, kursierte ein erster Gesetzentwurf des Innenministeriums erst im vergangenen Dezember. Vor knapp einem Vierteljahr dann wurde der Gesetzentwurf erstmals öffentlich vorgestellt - im Internet inklusive Diskussionsforum. Ein neuer Weg, den man auch in Zukunft verstärkt gehen will. Unabgestimmt deswegen, weil die Diskussion in der Koalition parallel weiterlief:
Da gibt's im Detail noch einige Auseinandersetzungen auf Bundesebene, weil manche noch nicht den Sinn des Gesetzes verstanden haben. Ich will nicht verhehlen, dass mir da manches noch ein bischen zu restriktiv ist. Die Ausnahmetatbestände sind mir zu großzügig gefasst. Aber man sieht eben damit wie schwer sich Verwaltungen damit tun.
Das Gesetz soll ein Jedermannsrecht sein. Das heißt: Menschen aus allen Ländern der Welt dürfen danach Akten von Bundesbehörden einsehen. Doch nicht nur Akten im herkömmlichen Sinn, sondern auch Computer-, Bild- und Tondaten, und das ohne eine Begründung angeben zu müssen. Für manche Behörden geht das schon viel zu weit. Was anderen jedoch bitter aufstößt sind die vielen Ausnahmen, die es Behörden fast willkürlich ermöglichen würden, Informationen eben nicht herausgeben zu müssen. Zunächst bleibt festzuhalten: Ein Informationsfreiheitsgesetz kann nicht nur Vertrauen stärken, denn der Bürger kann nun verfolgen, was politisch vorgegeben wird. Ein Informationsfreiheitsgesetz gilt vielen als ein besonders effektives Instrument der Korruptionsvorbeugung und -bekämpfung. Skandinavische Länder etwa, in denen derartige Gesetze bereits Tradition haben, sind im internationalen Vergleich praktisch korruptionsfrei. Reinold Thiel von "Transparency International", einer Organisation, die sich die Bekämpfung von Korruption auf die Fahne geschrieben hat, würde deshalb ein wirksames Gesetz sehr begrüßen. Denn Deutschland komme im internationalen Vergleich immer schlechter davon. Bestechung - zum Beispiel im öffentlichen Bau- und Vergabewesen - sei inzwischen gar nicht so selten hierzulande.
Es wird eine Schule gebaut oder es wird ein Stadion gebaut oder ein Flughafen, und Firmen bewerben sich. Das wird also so aussehen, dass ich, wenn ich verantwortlich bin - sagen wir für eine Baufirma - versuche, Beamte, die mit dem Vergabewesen befasst sind, mir zum Freund zu machen, über längere Zeit hinweg. "Anfüttern" nennt man das. Ich lade ihn zum Essen ein, ich mache ihm ein Geschenk zum Geburtstag, vielleicht fahre ich auch mal mit ihm in den Urlaub. Und dann wenn der Fall ansteht - jetzt wird die große Schule gebaut oder das Stadion - dann ist der schon mein Freund. Dann wird der williger bereit sein, dafür zu sorgen, dass ich den Auftrag kriege, ist auch schon drauf vorbereitet, dass ich vielleicht mit einem größeren Geschenk komme.
Genau hier würde das Informationsfreiheitsgesetz greifen, da Ausschreibungen und Entscheidungen öffentlich würden und beteiligte Personen und Entscheidungsträger nicht darauf vertrauen könnten, anonym zu bleiben:
Dann kann die Öffentlichkeit beobachten, ob die richtige Firma den Auftrag bekommt - das heißt die, die das beste Angebot in sachlicher und finanzieller Hinsicht gemacht hat. Bisher konnten nur die beteiligten Firmen sich vergewissern. Die konnten nach den Angeboten anderer Firmen nachfragen, wenn die Vergabe geschehen war. Es ist aber nicht einzusehen, warum nur die beteiligten Firmen ein solches Interesse haben sollten und nicht auch die Öffentlichkeit, der ja daran gelegen sein muss, dass die Steuergelder richtig ausgegeben werden und nicht verschwendet werden.
Im Prinzip begrüßt Reinold Thiel den Gesetzentwurf. Dieser habe auch den richtigen Ansatz, doch es gebe immer noch eine ganze Menge anderer Passagen, bei denen das Prinzip der Geheimhaltung Vorrang habe. Zum Beispiel besagt ein Paragraph, dass heute geltende Gesetze vom neuen Informationsfreiheitsgesetz unberührt blieben.
Da sind wir anderer Auffassung. Wir sind der Meinung, dass solche Spezialgesetze darauf überprüft werden müssen, ob sie mit dem Informationsfreiheitsgesetz überhaupt verträglich sind. Zum Beispiel wird hier in der Begründung des Gesetzentwurfs darauf Bezug genommen, dass im öffentlichen Auftragswesen die von den betroffenen Unternehmen gemachten Angebote vertraulich seien. Aber wir sind der Auffassung, dass die nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vertraulich sein müssen, nämlich bis zu dem Zeitpunkt, wo eine Vergabe geschehen ist, wo eine Entscheidung getroffen ist. Von dem Zeitpunkt an müssen sie öffentlich überprüfbar sein, und wenn es Gesetze gibt, die das bisher verhindern, dann müssen diese Gesetze geändert werden.
Mit anderen Worten: Der derzeitige Gesetzentwurf enthalte noch viel zu viele Rechte für Behörden, Informationen für sich zu behalten, anstatt sie in die Pflicht zum Dienst am Bürger zu nehmen. Die Balance von Rechten und Pflichten war anscheinend nicht so sehr von Belang, als es im Herbst 1998 im Bundeskanzleramt beim Regierungswechsel zur rot-grünen Koalition offenbar zu einer massiven Vernichtung von Informationsdaten durch die Wahlverlierer gekommen ist. Informationen, die eigentlich zur geschichtlichen Aufbereitung in den Bundesarchiven vorgesehen waren. Burkhard Hirsch vom Bundesvorstand der FDP leitete die disziplinarrechtliche Voruntersuchung über die Informationsvernichtung aus der Ära Kohl im Kanzleramt:
Es hat massive Datenlöschungen gegeben, flächendeckend, im erheblichen Umfang. Es sind Akten entweder vollkommen verschwunden, oder sie sind so gelichtet worden, dass sie gerade in politisch entscheidenden Zeitabschnitten enorme zeitliche Lücken aufweisen, die man sachgerecht nicht erklären kann. Und es sind Akten der Leitungsebene verschwunden, bei denen man annehmen muss, dass es möglicherweise wirtschaftliche, politische, finanzielle Implikationen gegeben hat.
Noch immer laufen die Ermittlungen, ob tatsächlich Schmiergelder geflossen sind. Ob sich aber - hätte es das Informationsfreiheitsgesetz schon gegeben - die Aktenvernichtung hätte vermeiden lassen, ist sich Burkhard Hirsch keineswegs sicher:
Wer sich bestechen lässt wird ja nicht in eine Akte reinschreiben, der Herr Meier soll den Zuschlag bekommen, weil er mir so und so viel Tausend Mark in die Hand gedrückt hat. Das werden Sie in keiner Akte finden. Aber natürlich, man kann Indizien sehen, was normalerweise ein Rechnungsprüfungsausschuss einer Verwaltung auch macht, oder die Innenrevision einer Verwaltung. Aber wenn man sich sagt, dass soll nun jeder auch nachvollziehen können - 'tant mieux'. Ich bin da nicht so optimistisch, zu sagen, damit ist die große Geheimwaffe gegen Korruption gefunden worden. Aber es mag dazu beitragen, solche Vorgänge zu erschweren.
Immerhin habe die neue Bundesregierung aus den Vorgängen gelernt und eine neue Aktenordnung über den Umgang mit Informationen im Kanzleramt verfasst. In Amerika sind mit Hilfe des "Freedom of Information Act" schon mehrfach brisante Informationen und politische Skandale ent- und aufgedeckt worden. Manfred Redelfs vom "Netzwerk Recherche" - dem Verein der investigativ arbeitenden Journalisten in Deutschland - hat den Gesetzentwurf unter die Lupe genommen. Amerikanische Verhältnisse auch bald in Deutschland? Nicht unbedingt. Redelfs weist auf einen entscheidenden Passus im Gesetz hin. Demnach besteht kein Anspruch auf Informationen, wenn etwa Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eines Dritten überwiegen. Doch:
Auch die Behörde selbst kann sich zu diesen Dritten zählen. Da hat man also die absurde Situation, dass eine Behörde, die eigentlich zur Transparenz verpflichtet werden soll, selbst definieren kann, was für sie der Geheimhaltung bedarf, und von daher nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben werden soll. Und wenn eine solche Regelung in den Gesetzentwurf Eingang findet, dann ist eigentlich das ganze Gesetz eine Mogelpackung.
Außerdem müssen Ablehnungen von Seiten der Behörden nach dem derzeitigen Entwurf nicht begründet werden. Redelfs ist keineswegs der einzige der verlangt, dass einige schwammige Formulierungen im Gesetzentwurf geändert werden. So besteht zum Beispiel kein Anspruch auf Akteneinsicht, wenn der so genannte - Zitat - "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" berührt wird. Zu diesem nicht genau definierten Bereich gehören zum Beispiel die Vorgänge im Kanzleramt. Auch müssen keine Informationen zu "laufenden Verwaltungsverfahren" preisgegeben werden. Dabei wird aber nicht gesagt, wann denn ein solches Verfahren endet oder als beendet anzusehen ist.
Dazu muss man sagen, dass natürlich gerade die Verfahren, die noch nicht abgeschlossen sind, die Öffentlichkeit ja ganz besonders interessieren, denn Sinn eines solchen Gesetzes ist ja gerade, dass mehr Bürgerbeteiligung ermöglicht wird. Deswegen fragen Bürger und Journalisten ja an, und wenn sie immer nur dann, wenn vollendete Tatsachen geschaffen worden sind, informiert werden, dann läuft das eigentlich der Zielsetzung völlig entgegen.
Ein weiteres Beispiel aus diesem Zusammenhang: Mit Sicherheit bereits abgeschlossen dürften Vorgänge sein, die zur Frühgeschichte des deutschen Auslandsnachrichtendienstes, des Bundesnachrichtendienstes BND gehören. Laut dem freien Journalisten und Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom hat der BND erst relativ spät begonnen, sein eigenes Archivwesen aufzubauen, nämlich erst Mitte der 80er Jahre. Er hat dabei - wie auf Anfrage bestätigt wurde - mit dem Bundesarchiv in Koblenz eine Sondervereinbarung getroffen, dass nicht alle Akten, wie von anderen Bundesbehörden, nach Koblenz oder ins Militärarchiv Freiburg gehen, sondern dass der BND selbst seinen eigenen Archivar spielt. Erich Schmidt-Eenboom hält das für unstatthaft, ...
... weil da nämlich nicht nach den Regeln des normalen Archivwesens nach bestimmten Jahren Akten freigegeben werden, sondern weil der BND, und das unter einer ziemlichen Geheimhaltungsmanie, über Jahre hinweg Akten versteckt, die eigentlich der Forschung - insbesondere der zeitgeschichtlichen Forschung - zur Frühgeschichte des kalten Krieges geöffnet werden müssten.
So bleibt Wissenschaftlern oder Journalisten die Möglichkeit verwehrt, die Akten 30 Jahre nach Ablauf der Schutzfrist im Bundesarchiv einzusehen. Die Vorgängerorganisation des Bundesnachrichtendienstes war die "Organisation Gehlen", die bald nach dem zweiten Weltkrieg von dem US-Geheimdienst CIA geschaffen worden war. Doch noch nicht einmal aus dieser Zeit sind Akten an das Bundesarchiv übergeben worden.
Es gibt zunehmend mehr Wissenschaftler, die ihr Unverständnis darüber äußern, dass der Bundesnachrichtendienst auch die Akten aus der Funkspionage nicht freigibt, obwohl dabei keine Personen zu schützen sind. Nach meinen Recherchen hat der vormalige und erste Verantwortliche in der Organisation Gehlen, der pensionierte Generalleutnant Hepp, in den frühen 80er Jahren dem BND eine Vielzahl geheimer Dokumente und Studien zur Verfügung gestellt. Einen Teil davon besitze ich, und den übrigen Teil werde ich versuchen, über das Informationsfreiheitsgesetz zu bekommen.
Mit anderen Worten: Der Fernmeldeaufklärer Generalleutnant Hepp hatte bis in die 80er Jahre Akten der Organisation Gehlen in seinem Privatbesitz. Erst auf Anfrage hat er sie an das BND-Archiv übergeben. Dass die Akten noch immer nicht im Bundesarchiv sind, kann laut Gesetz nur einen Grund haben. Dass der BND die Akten noch zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Doch gerade das will Erich Schmidt-Eenboom nicht glauben. Mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes will er diese Akten endlich einsehen:
Wenn der Bundesnachrichtendienst sich nicht freiwillig öffnet, wie das Nachrichtendienste in den Vereinigten Staaten aber auch jetzt in Tschechien, den Niederlanden oder Norwegen tun, dann wird sicher eine Vielzahl von investigativen Journalisten das neue Gesetz benutzen, um dann auf dem Klagewege diese Akten freizubekommen, und das wird wiederum nicht geeignet sein, das Image des Bundesnachrichtendienstes zu fördern.
Der BND will auf Anfragen zur Akteneinsicht nach eigenen Angaben so verfahren, "wie bisher" - also weiterhin sehr verschwiegen. Bleibt also weiter die Frage: Verabschiedet sich Deutschland vom Prinzip der Amtsverschwiegenheit oder nicht? Die in der Begründung des Gesetzentwurfs genannte Zielsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes bekommt gute Noten. Der Gesetzentwurf selber aber werde dieser Zielsetzung in entscheidenden Teilen nicht gerecht. Manfred Redelfs vom Journalisten-"Netzwerk Recherche":
Es gibt so viele Möglichkeiten für eine Behörde, die nicht kooperationswillig ist, abzublocken, dass ich denke, dieser Gesetzentwurf fällt eindeutig hinter die schon bestehenden Landesgesetze zur Informationsfreiheit zurück. Man kann auch sagen, das Innenministerium hat einen schnellen Sportwagen angekündigt. Herausgekommen ist jetzt aber ein Prototyp von Auto, was nur mit angezogener Handbremse fährt.
Woran könnte das liegen? Natürlich muss eine Regierung um handlungsfähig zu bleiben auch Geheimnisse haben dürfen. Dies ist weitgehend unbestritten. Es geht den Kritikern viel mehr um abschreckend hohe Kosten, die für den Bürger anfallen könnten. Derzeit sind bis zu 1000 Mark für aufwendige Anfragen in der Diskussion. Befürchtungen, die Bürger würden die Behörden an den Rande des Bankrotts bringen, kennt man noch aus jenen Zeiten, als die Akteneinsichtsgesetze in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin eingeführt wurden. Lena Schraut, Pressereferentin des Landesbeauftragten für Akteneinsicht in Brandenburg kann diese Befürchtungen jedoch aus eigener Erfahrung entkräften:
Es sind auf die Verwaltungen keine riesigen Kosten zugekommen, unter anderem auch deswegen, weil die Bürger das Gesetz gar nicht in dem Maße in Anspruch genommen haben, wie befürchtet wurde.
Für Lena Schraut sind die Behörden selber die bremsende Kraft hinter dem Gesetzentwurf. Sie vergleicht die Bürokratie mit einem Ozeanriesen - warum eine Kursänderung, wenn es auch ohne geht?
Der Gedanke, dass der Bürger in der Lage sein soll, in ihr heiligstes zu gucken war in Brandenburg selbstverständlich auch für die Verwaltungen ganz schrecklich. Es dauerte schon eine Weile, bis ihnen klargeworden ist, dass der Anspruch grundsätzlich besteht, und dass Ausnahmeregelungen eigentlich nur dazu da sind, damit man vielleicht sich überlegt, wie kann man das Akteneinsichtsrecht dem Bürger dennoch gewähren. Das ist aber auch immer noch nicht erreicht, sondern zuerst fällt den meisten Verwaltungen schon mal ein, wie kann man das vermeiden - das Übel, das da auf sie zukommt.
Gründe für das Mauern der Beamten lägen zum einen ganz einfach in der menschlichen Natur: Die Vermeidung von Arbeit, persönliche Randbemerkungen in den Akten oder die Preisgabe von Informationen über einen selbst, zum Beispiel dass man selber der Sachbearbeiter eines bestimmten Vorgangs war. Und schließlich sei auch kaum eine Behörde auf das vorbereitet, was auf sie zukommt. Aus eigenen Erfahrungen weiß Lena Schraut übrigens auch, dass es gar nicht so leicht ist, Akten suchfähig anzulegen. Da müsse man schon beim Schreiben drauf achten. In Brandenburg etwa dauere der Lernprozess noch an:
Am wesentlichsten erscheint mir nicht so sehr die Frage, welches Gesetz, als die Frage, überhaupt ein Akteneinsichtsrecht. Es ist ja ein ganz neuer Gedanke, der hier aufgekommen ist - ein ganz neuer Regelungsbereich. Der muss sich auch in die Gesamtgesetzeslandschaft - sag ich jetzt mal - einfügen. Das kann man nicht so richtig gut voraussehen, was sich da besser und was sich schlechter einfügt.
Jetzt, nach der parlamentarischen Sommerpause, dürfte die Arbeit am endgültigen Entwurf in den Gremien weitergehen. Besonders die Grünen müssen sich aus Unionskreisen fragen lassen, warum sich der Gesetzesentwurf denn so verspäte, wo dieses Thema doch so ein Herzenswunsch der Grünen gewesen sei. Positionieren will sich die CDU/CSU-Fraktion deswegen erst dann, wenn der entgültige Entwurf zur Diskussion im Bundestag vorliegt. Für Sylvia Bonitz, CDU-Parlamentarierin im Innenausschuss, habe das Internet im Vergleich zu früher ohnehin schon eine viel informationsfreudigere Verwaltung hervorgebracht. Der Staat, so findet sie, solle weniger auf Abwehrhaltung gehen. Auf solch eine Haltung hofft natürlich Cem Özdemir von den Grünen, der bislang keine Probleme für eine Zustimmung zum Gesetz im Bundestag sieht - zumal die CDU in Nordrhein-Westfalen selber auch einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht hat. Auch die FDP signalisiert Zustimmung. Burkhard Hirsch:
Wir begrüßen, dass es solche Entwürfe gibt. Das ist die Aufgabe der Regierung, eine Grundlage für eine solche Debatte zu liefern, und ich kann nur sagen, dass die FDP daran positiv mitwirken wird.
Cem Özdemir hört so was natürlich gern:
Ich freu mich darüber, dass auch in anderen Parteien zunehmend ein Umdenken stattfindet. Wer hätte vor Jahren noch gedacht, dass die CDU in Nordrhein-Westfalen, allerdings in der Opposition, selber mal einen Entwurf vorlegt. Wer hätte vor Jahren gedacht, dass die SPD in Brandenburg, auch in Schleswig-Holstein und in Berlin mitmacht. Also da tut sich doch ein bisschen was mittlerweile. Insofern hoffe ich, dass die Debatte ein bisschen aus den parteipolitischen Schützengräben rausgeht und wir da eine breite Zustimmung bekommen. Ich bin mir sicher, dass wenn das Gesetz erstmal existiert, werden alle so tun, als ob sie das Gesetz schon immer wollten. Meine Hoffnung geht aber auch noch einen Schritt weiter. Wenn das Gesetz im Bund erstmal eingeführt ist und sich bewährt hat, vielleicht folgt ja dann klammheimlich das eine oder andere Bundesland und führt das bei sich auch ein...
... denn in den Ländern findet nach wie vor die meiste Verwaltungsarbeit statt. Bleiben für Cem Özdemir laut eigener Zielsetzung nur noch zwei Dinge zu tun: Die vielen Restriktionen aus dem Gesetzentwurf zu entfernen und das Gesetz möglichst bald zu verabschieden. Dabei könnte es jedoch sein, dass die SPD auch weiterhin die Rolle des Herauszögerers spielt. Denn der Koalitionspartner gibt zu erkennen, dass das Gesetz zumindest bei manchen "keine überragende Priorität" hat.
Ich bin gewählt bis zu dem Tag der nächsten Bundestagswahl. Bis dahin gedenke ich nicht, in den Urlaub zu gehen oder nur noch Wahlkampf zu machen, sondern ich werde arbeiten. Und ich sehe mich durchaus im Stande, das Gesetz so weit fertig zu machen, dass es noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass das Bundesinnenministerium das genau so sieht, und die Mehrzahl der SPD-Abgeordneten denke ich auch.
Lösung:
Stärkung der demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch ein Informationsfreiheitsgesetz unter Berücksichtigung des Datenschutzes.
Alternativen:
Keine.
Diese Passage aus dem Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes des Innenministeriums lässt sich auch mit anderen Worten ausdrücken: Wer deutschen Bundesbehörden in die Karten gucken möchte soll das in Zukunft durch ein Recht auf Akteneinsicht tun können. Deutschland wird mit diesem Gesetz international kein Neuland betreten. Im Gegenteil: Fast alle anderen Industriestaaten haben derartige Gesetze - Schweden schon seit dem 18. Jahrhundert, die USA immerhin schon seit 35 Jahren. Deutschland ist - was die Informationsrechte der Bürger angeht - ein Entwicklungsland. Ausnahmen bilden lediglich die drei Bundesländer Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin, die bereits gute Erfahrungen mit dem Akteneinsichtsrecht auf Länderebene gemacht haben. Doch bis vor kurzem galt auch dort das traditionelle Prinzip der Amtsverschwiegenheit und des Aktengeheimnisses. Soll damit nun Schluss sein? Cem Özdemir, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag:
Es geht im Grunde darum, dass wir einen gläsernen Staat - einen transparenten Staat wollen, und nicht den gläsernen Bürger. Der Bund wird durch sein Gesetz die Bundesbehörden einer weitgehenden Transparenz aussetzen. Die Grünen haben hier auf das Thema schon sehr früh gesetzt. Es steht bei uns nicht nur im Programm drin. Wir haben damals in der gemeinsamen Verfassungskommission für die neue Verfassung der Bundesrepublik Deutschland uns dafür eingesetzt. Es scheiterte damals an der CDU. Wir wollten die Grundgesetzänderung. Die ist natürlich nicht durchsetzbar. Aber jetzt wird ein Gesetz kommen. Insofern geht ein Traum, der schon sehr lange geträumt wird, auch in Deutschland der Realisierung entgegen.
Doch die Einführung verläuft schleppend. War das konkrete Ziel schon in der 98er Koalitionsvereinbarung erwähnt, kursierte ein erster Gesetzentwurf des Innenministeriums erst im vergangenen Dezember. Vor knapp einem Vierteljahr dann wurde der Gesetzentwurf erstmals öffentlich vorgestellt - im Internet inklusive Diskussionsforum. Ein neuer Weg, den man auch in Zukunft verstärkt gehen will. Unabgestimmt deswegen, weil die Diskussion in der Koalition parallel weiterlief:
Da gibt's im Detail noch einige Auseinandersetzungen auf Bundesebene, weil manche noch nicht den Sinn des Gesetzes verstanden haben. Ich will nicht verhehlen, dass mir da manches noch ein bischen zu restriktiv ist. Die Ausnahmetatbestände sind mir zu großzügig gefasst. Aber man sieht eben damit wie schwer sich Verwaltungen damit tun.
Das Gesetz soll ein Jedermannsrecht sein. Das heißt: Menschen aus allen Ländern der Welt dürfen danach Akten von Bundesbehörden einsehen. Doch nicht nur Akten im herkömmlichen Sinn, sondern auch Computer-, Bild- und Tondaten, und das ohne eine Begründung angeben zu müssen. Für manche Behörden geht das schon viel zu weit. Was anderen jedoch bitter aufstößt sind die vielen Ausnahmen, die es Behörden fast willkürlich ermöglichen würden, Informationen eben nicht herausgeben zu müssen. Zunächst bleibt festzuhalten: Ein Informationsfreiheitsgesetz kann nicht nur Vertrauen stärken, denn der Bürger kann nun verfolgen, was politisch vorgegeben wird. Ein Informationsfreiheitsgesetz gilt vielen als ein besonders effektives Instrument der Korruptionsvorbeugung und -bekämpfung. Skandinavische Länder etwa, in denen derartige Gesetze bereits Tradition haben, sind im internationalen Vergleich praktisch korruptionsfrei. Reinold Thiel von "Transparency International", einer Organisation, die sich die Bekämpfung von Korruption auf die Fahne geschrieben hat, würde deshalb ein wirksames Gesetz sehr begrüßen. Denn Deutschland komme im internationalen Vergleich immer schlechter davon. Bestechung - zum Beispiel im öffentlichen Bau- und Vergabewesen - sei inzwischen gar nicht so selten hierzulande.
Es wird eine Schule gebaut oder es wird ein Stadion gebaut oder ein Flughafen, und Firmen bewerben sich. Das wird also so aussehen, dass ich, wenn ich verantwortlich bin - sagen wir für eine Baufirma - versuche, Beamte, die mit dem Vergabewesen befasst sind, mir zum Freund zu machen, über längere Zeit hinweg. "Anfüttern" nennt man das. Ich lade ihn zum Essen ein, ich mache ihm ein Geschenk zum Geburtstag, vielleicht fahre ich auch mal mit ihm in den Urlaub. Und dann wenn der Fall ansteht - jetzt wird die große Schule gebaut oder das Stadion - dann ist der schon mein Freund. Dann wird der williger bereit sein, dafür zu sorgen, dass ich den Auftrag kriege, ist auch schon drauf vorbereitet, dass ich vielleicht mit einem größeren Geschenk komme.
Genau hier würde das Informationsfreiheitsgesetz greifen, da Ausschreibungen und Entscheidungen öffentlich würden und beteiligte Personen und Entscheidungsträger nicht darauf vertrauen könnten, anonym zu bleiben:
Dann kann die Öffentlichkeit beobachten, ob die richtige Firma den Auftrag bekommt - das heißt die, die das beste Angebot in sachlicher und finanzieller Hinsicht gemacht hat. Bisher konnten nur die beteiligten Firmen sich vergewissern. Die konnten nach den Angeboten anderer Firmen nachfragen, wenn die Vergabe geschehen war. Es ist aber nicht einzusehen, warum nur die beteiligten Firmen ein solches Interesse haben sollten und nicht auch die Öffentlichkeit, der ja daran gelegen sein muss, dass die Steuergelder richtig ausgegeben werden und nicht verschwendet werden.
Im Prinzip begrüßt Reinold Thiel den Gesetzentwurf. Dieser habe auch den richtigen Ansatz, doch es gebe immer noch eine ganze Menge anderer Passagen, bei denen das Prinzip der Geheimhaltung Vorrang habe. Zum Beispiel besagt ein Paragraph, dass heute geltende Gesetze vom neuen Informationsfreiheitsgesetz unberührt blieben.
Da sind wir anderer Auffassung. Wir sind der Meinung, dass solche Spezialgesetze darauf überprüft werden müssen, ob sie mit dem Informationsfreiheitsgesetz überhaupt verträglich sind. Zum Beispiel wird hier in der Begründung des Gesetzentwurfs darauf Bezug genommen, dass im öffentlichen Auftragswesen die von den betroffenen Unternehmen gemachten Angebote vertraulich seien. Aber wir sind der Auffassung, dass die nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vertraulich sein müssen, nämlich bis zu dem Zeitpunkt, wo eine Vergabe geschehen ist, wo eine Entscheidung getroffen ist. Von dem Zeitpunkt an müssen sie öffentlich überprüfbar sein, und wenn es Gesetze gibt, die das bisher verhindern, dann müssen diese Gesetze geändert werden.
Mit anderen Worten: Der derzeitige Gesetzentwurf enthalte noch viel zu viele Rechte für Behörden, Informationen für sich zu behalten, anstatt sie in die Pflicht zum Dienst am Bürger zu nehmen. Die Balance von Rechten und Pflichten war anscheinend nicht so sehr von Belang, als es im Herbst 1998 im Bundeskanzleramt beim Regierungswechsel zur rot-grünen Koalition offenbar zu einer massiven Vernichtung von Informationsdaten durch die Wahlverlierer gekommen ist. Informationen, die eigentlich zur geschichtlichen Aufbereitung in den Bundesarchiven vorgesehen waren. Burkhard Hirsch vom Bundesvorstand der FDP leitete die disziplinarrechtliche Voruntersuchung über die Informationsvernichtung aus der Ära Kohl im Kanzleramt:
Es hat massive Datenlöschungen gegeben, flächendeckend, im erheblichen Umfang. Es sind Akten entweder vollkommen verschwunden, oder sie sind so gelichtet worden, dass sie gerade in politisch entscheidenden Zeitabschnitten enorme zeitliche Lücken aufweisen, die man sachgerecht nicht erklären kann. Und es sind Akten der Leitungsebene verschwunden, bei denen man annehmen muss, dass es möglicherweise wirtschaftliche, politische, finanzielle Implikationen gegeben hat.
Noch immer laufen die Ermittlungen, ob tatsächlich Schmiergelder geflossen sind. Ob sich aber - hätte es das Informationsfreiheitsgesetz schon gegeben - die Aktenvernichtung hätte vermeiden lassen, ist sich Burkhard Hirsch keineswegs sicher:
Wer sich bestechen lässt wird ja nicht in eine Akte reinschreiben, der Herr Meier soll den Zuschlag bekommen, weil er mir so und so viel Tausend Mark in die Hand gedrückt hat. Das werden Sie in keiner Akte finden. Aber natürlich, man kann Indizien sehen, was normalerweise ein Rechnungsprüfungsausschuss einer Verwaltung auch macht, oder die Innenrevision einer Verwaltung. Aber wenn man sich sagt, dass soll nun jeder auch nachvollziehen können - 'tant mieux'. Ich bin da nicht so optimistisch, zu sagen, damit ist die große Geheimwaffe gegen Korruption gefunden worden. Aber es mag dazu beitragen, solche Vorgänge zu erschweren.
Immerhin habe die neue Bundesregierung aus den Vorgängen gelernt und eine neue Aktenordnung über den Umgang mit Informationen im Kanzleramt verfasst. In Amerika sind mit Hilfe des "Freedom of Information Act" schon mehrfach brisante Informationen und politische Skandale ent- und aufgedeckt worden. Manfred Redelfs vom "Netzwerk Recherche" - dem Verein der investigativ arbeitenden Journalisten in Deutschland - hat den Gesetzentwurf unter die Lupe genommen. Amerikanische Verhältnisse auch bald in Deutschland? Nicht unbedingt. Redelfs weist auf einen entscheidenden Passus im Gesetz hin. Demnach besteht kein Anspruch auf Informationen, wenn etwa Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eines Dritten überwiegen. Doch:
Auch die Behörde selbst kann sich zu diesen Dritten zählen. Da hat man also die absurde Situation, dass eine Behörde, die eigentlich zur Transparenz verpflichtet werden soll, selbst definieren kann, was für sie der Geheimhaltung bedarf, und von daher nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben werden soll. Und wenn eine solche Regelung in den Gesetzentwurf Eingang findet, dann ist eigentlich das ganze Gesetz eine Mogelpackung.
Außerdem müssen Ablehnungen von Seiten der Behörden nach dem derzeitigen Entwurf nicht begründet werden. Redelfs ist keineswegs der einzige der verlangt, dass einige schwammige Formulierungen im Gesetzentwurf geändert werden. So besteht zum Beispiel kein Anspruch auf Akteneinsicht, wenn der so genannte - Zitat - "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" berührt wird. Zu diesem nicht genau definierten Bereich gehören zum Beispiel die Vorgänge im Kanzleramt. Auch müssen keine Informationen zu "laufenden Verwaltungsverfahren" preisgegeben werden. Dabei wird aber nicht gesagt, wann denn ein solches Verfahren endet oder als beendet anzusehen ist.
Dazu muss man sagen, dass natürlich gerade die Verfahren, die noch nicht abgeschlossen sind, die Öffentlichkeit ja ganz besonders interessieren, denn Sinn eines solchen Gesetzes ist ja gerade, dass mehr Bürgerbeteiligung ermöglicht wird. Deswegen fragen Bürger und Journalisten ja an, und wenn sie immer nur dann, wenn vollendete Tatsachen geschaffen worden sind, informiert werden, dann läuft das eigentlich der Zielsetzung völlig entgegen.
Ein weiteres Beispiel aus diesem Zusammenhang: Mit Sicherheit bereits abgeschlossen dürften Vorgänge sein, die zur Frühgeschichte des deutschen Auslandsnachrichtendienstes, des Bundesnachrichtendienstes BND gehören. Laut dem freien Journalisten und Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom hat der BND erst relativ spät begonnen, sein eigenes Archivwesen aufzubauen, nämlich erst Mitte der 80er Jahre. Er hat dabei - wie auf Anfrage bestätigt wurde - mit dem Bundesarchiv in Koblenz eine Sondervereinbarung getroffen, dass nicht alle Akten, wie von anderen Bundesbehörden, nach Koblenz oder ins Militärarchiv Freiburg gehen, sondern dass der BND selbst seinen eigenen Archivar spielt. Erich Schmidt-Eenboom hält das für unstatthaft, ...
... weil da nämlich nicht nach den Regeln des normalen Archivwesens nach bestimmten Jahren Akten freigegeben werden, sondern weil der BND, und das unter einer ziemlichen Geheimhaltungsmanie, über Jahre hinweg Akten versteckt, die eigentlich der Forschung - insbesondere der zeitgeschichtlichen Forschung - zur Frühgeschichte des kalten Krieges geöffnet werden müssten.
So bleibt Wissenschaftlern oder Journalisten die Möglichkeit verwehrt, die Akten 30 Jahre nach Ablauf der Schutzfrist im Bundesarchiv einzusehen. Die Vorgängerorganisation des Bundesnachrichtendienstes war die "Organisation Gehlen", die bald nach dem zweiten Weltkrieg von dem US-Geheimdienst CIA geschaffen worden war. Doch noch nicht einmal aus dieser Zeit sind Akten an das Bundesarchiv übergeben worden.
Es gibt zunehmend mehr Wissenschaftler, die ihr Unverständnis darüber äußern, dass der Bundesnachrichtendienst auch die Akten aus der Funkspionage nicht freigibt, obwohl dabei keine Personen zu schützen sind. Nach meinen Recherchen hat der vormalige und erste Verantwortliche in der Organisation Gehlen, der pensionierte Generalleutnant Hepp, in den frühen 80er Jahren dem BND eine Vielzahl geheimer Dokumente und Studien zur Verfügung gestellt. Einen Teil davon besitze ich, und den übrigen Teil werde ich versuchen, über das Informationsfreiheitsgesetz zu bekommen.
Mit anderen Worten: Der Fernmeldeaufklärer Generalleutnant Hepp hatte bis in die 80er Jahre Akten der Organisation Gehlen in seinem Privatbesitz. Erst auf Anfrage hat er sie an das BND-Archiv übergeben. Dass die Akten noch immer nicht im Bundesarchiv sind, kann laut Gesetz nur einen Grund haben. Dass der BND die Akten noch zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Doch gerade das will Erich Schmidt-Eenboom nicht glauben. Mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes will er diese Akten endlich einsehen:
Wenn der Bundesnachrichtendienst sich nicht freiwillig öffnet, wie das Nachrichtendienste in den Vereinigten Staaten aber auch jetzt in Tschechien, den Niederlanden oder Norwegen tun, dann wird sicher eine Vielzahl von investigativen Journalisten das neue Gesetz benutzen, um dann auf dem Klagewege diese Akten freizubekommen, und das wird wiederum nicht geeignet sein, das Image des Bundesnachrichtendienstes zu fördern.
Der BND will auf Anfragen zur Akteneinsicht nach eigenen Angaben so verfahren, "wie bisher" - also weiterhin sehr verschwiegen. Bleibt also weiter die Frage: Verabschiedet sich Deutschland vom Prinzip der Amtsverschwiegenheit oder nicht? Die in der Begründung des Gesetzentwurfs genannte Zielsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes bekommt gute Noten. Der Gesetzentwurf selber aber werde dieser Zielsetzung in entscheidenden Teilen nicht gerecht. Manfred Redelfs vom Journalisten-"Netzwerk Recherche":
Es gibt so viele Möglichkeiten für eine Behörde, die nicht kooperationswillig ist, abzublocken, dass ich denke, dieser Gesetzentwurf fällt eindeutig hinter die schon bestehenden Landesgesetze zur Informationsfreiheit zurück. Man kann auch sagen, das Innenministerium hat einen schnellen Sportwagen angekündigt. Herausgekommen ist jetzt aber ein Prototyp von Auto, was nur mit angezogener Handbremse fährt.
Woran könnte das liegen? Natürlich muss eine Regierung um handlungsfähig zu bleiben auch Geheimnisse haben dürfen. Dies ist weitgehend unbestritten. Es geht den Kritikern viel mehr um abschreckend hohe Kosten, die für den Bürger anfallen könnten. Derzeit sind bis zu 1000 Mark für aufwendige Anfragen in der Diskussion. Befürchtungen, die Bürger würden die Behörden an den Rande des Bankrotts bringen, kennt man noch aus jenen Zeiten, als die Akteneinsichtsgesetze in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin eingeführt wurden. Lena Schraut, Pressereferentin des Landesbeauftragten für Akteneinsicht in Brandenburg kann diese Befürchtungen jedoch aus eigener Erfahrung entkräften:
Es sind auf die Verwaltungen keine riesigen Kosten zugekommen, unter anderem auch deswegen, weil die Bürger das Gesetz gar nicht in dem Maße in Anspruch genommen haben, wie befürchtet wurde.
Für Lena Schraut sind die Behörden selber die bremsende Kraft hinter dem Gesetzentwurf. Sie vergleicht die Bürokratie mit einem Ozeanriesen - warum eine Kursänderung, wenn es auch ohne geht?
Der Gedanke, dass der Bürger in der Lage sein soll, in ihr heiligstes zu gucken war in Brandenburg selbstverständlich auch für die Verwaltungen ganz schrecklich. Es dauerte schon eine Weile, bis ihnen klargeworden ist, dass der Anspruch grundsätzlich besteht, und dass Ausnahmeregelungen eigentlich nur dazu da sind, damit man vielleicht sich überlegt, wie kann man das Akteneinsichtsrecht dem Bürger dennoch gewähren. Das ist aber auch immer noch nicht erreicht, sondern zuerst fällt den meisten Verwaltungen schon mal ein, wie kann man das vermeiden - das Übel, das da auf sie zukommt.
Gründe für das Mauern der Beamten lägen zum einen ganz einfach in der menschlichen Natur: Die Vermeidung von Arbeit, persönliche Randbemerkungen in den Akten oder die Preisgabe von Informationen über einen selbst, zum Beispiel dass man selber der Sachbearbeiter eines bestimmten Vorgangs war. Und schließlich sei auch kaum eine Behörde auf das vorbereitet, was auf sie zukommt. Aus eigenen Erfahrungen weiß Lena Schraut übrigens auch, dass es gar nicht so leicht ist, Akten suchfähig anzulegen. Da müsse man schon beim Schreiben drauf achten. In Brandenburg etwa dauere der Lernprozess noch an:
Am wesentlichsten erscheint mir nicht so sehr die Frage, welches Gesetz, als die Frage, überhaupt ein Akteneinsichtsrecht. Es ist ja ein ganz neuer Gedanke, der hier aufgekommen ist - ein ganz neuer Regelungsbereich. Der muss sich auch in die Gesamtgesetzeslandschaft - sag ich jetzt mal - einfügen. Das kann man nicht so richtig gut voraussehen, was sich da besser und was sich schlechter einfügt.
Jetzt, nach der parlamentarischen Sommerpause, dürfte die Arbeit am endgültigen Entwurf in den Gremien weitergehen. Besonders die Grünen müssen sich aus Unionskreisen fragen lassen, warum sich der Gesetzesentwurf denn so verspäte, wo dieses Thema doch so ein Herzenswunsch der Grünen gewesen sei. Positionieren will sich die CDU/CSU-Fraktion deswegen erst dann, wenn der entgültige Entwurf zur Diskussion im Bundestag vorliegt. Für Sylvia Bonitz, CDU-Parlamentarierin im Innenausschuss, habe das Internet im Vergleich zu früher ohnehin schon eine viel informationsfreudigere Verwaltung hervorgebracht. Der Staat, so findet sie, solle weniger auf Abwehrhaltung gehen. Auf solch eine Haltung hofft natürlich Cem Özdemir von den Grünen, der bislang keine Probleme für eine Zustimmung zum Gesetz im Bundestag sieht - zumal die CDU in Nordrhein-Westfalen selber auch einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht hat. Auch die FDP signalisiert Zustimmung. Burkhard Hirsch:
Wir begrüßen, dass es solche Entwürfe gibt. Das ist die Aufgabe der Regierung, eine Grundlage für eine solche Debatte zu liefern, und ich kann nur sagen, dass die FDP daran positiv mitwirken wird.
Cem Özdemir hört so was natürlich gern:
Ich freu mich darüber, dass auch in anderen Parteien zunehmend ein Umdenken stattfindet. Wer hätte vor Jahren noch gedacht, dass die CDU in Nordrhein-Westfalen, allerdings in der Opposition, selber mal einen Entwurf vorlegt. Wer hätte vor Jahren gedacht, dass die SPD in Brandenburg, auch in Schleswig-Holstein und in Berlin mitmacht. Also da tut sich doch ein bisschen was mittlerweile. Insofern hoffe ich, dass die Debatte ein bisschen aus den parteipolitischen Schützengräben rausgeht und wir da eine breite Zustimmung bekommen. Ich bin mir sicher, dass wenn das Gesetz erstmal existiert, werden alle so tun, als ob sie das Gesetz schon immer wollten. Meine Hoffnung geht aber auch noch einen Schritt weiter. Wenn das Gesetz im Bund erstmal eingeführt ist und sich bewährt hat, vielleicht folgt ja dann klammheimlich das eine oder andere Bundesland und führt das bei sich auch ein...
... denn in den Ländern findet nach wie vor die meiste Verwaltungsarbeit statt. Bleiben für Cem Özdemir laut eigener Zielsetzung nur noch zwei Dinge zu tun: Die vielen Restriktionen aus dem Gesetzentwurf zu entfernen und das Gesetz möglichst bald zu verabschieden. Dabei könnte es jedoch sein, dass die SPD auch weiterhin die Rolle des Herauszögerers spielt. Denn der Koalitionspartner gibt zu erkennen, dass das Gesetz zumindest bei manchen "keine überragende Priorität" hat.
Ich bin gewählt bis zu dem Tag der nächsten Bundestagswahl. Bis dahin gedenke ich nicht, in den Urlaub zu gehen oder nur noch Wahlkampf zu machen, sondern ich werde arbeiten. Und ich sehe mich durchaus im Stande, das Gesetz so weit fertig zu machen, dass es noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass das Bundesinnenministerium das genau so sieht, und die Mehrzahl der SPD-Abgeordneten denke ich auch.