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An der Oder wachsen neue Schwarzpappeln

Durch das Abholzen großer Auwälder in den vergangenen Jahrhunderten ist die europäische Schwarzpappel in weiten Teilen Europas vom Aussterben bedroht. An der Oder sind jetzt erstmals 1400 Bäume gepflanzt worden. Denn die Schwarzpappel kann eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Hochwasser spielen. Eberswalder Forstwissenschaftler begleiten das Projekt.

Maren Schibilsky |
    Forstwissenschaftler Ralf Kätzel watet durch kniehohes Gras in der Oderaue. Seine Zöglinge sind kaum zu erkennen: dreißig Zentimeter große Bäumchen, deren herzförmige Blätter im Wind zappeln. Sie alle haben farbige Bänder um den Stamm: Rot sind weibliche, Blau sind männliche Bäume. Erst im Mai kamen sie in den Aueboden: 1400 Schwarzpappeln. Sie sind die Keimzelle für einen neuen Auwald.

    "Sie haben sehr gute Bedingungen. Es werden mit Sicherheit nicht alle überstehen. Letztendlich, wenn man sich auf der Fläche vorstellt, dass hier mal auf dem Hektar vielleicht einhundert Bäume stehen und es sind 1400 initialisiert worden, dann haben wir sehr gute Chancen, dass hier in 20 Jahren ein hervorragender Schwarzpappelwald steht."

    Der feuchte Sommer hat das Anwachsen der Bäume erleichtert. Sie sind gewappnet für den harten Überlebenskampf in der Aue. Zum ersten Mal im Winter, wenn das turnusmäßige Oderhochwasser kommt und die drei Hektar große Versuchsfläche überfluteten wird. Projektleiter Michael Trautenhahn vom Nationalpark "Unteres Odertal" ist zuversichtlich.

    "Die Schwarzpappel ist angepasst an das Überflutungsgeschehen in der Flussaue. Sie muss Hochwasser aushalten, sie muss Trockenheiten aushalten auf diesen relativ trockenen Flussanden im Sommer und sie muss auch im Winter Eis aushalten können."

    Von Natur aus ist die Schwarzpappel eine Überlebenskünstlerin. Neben der Weide ist sie die einzige Baumart, die entlang unserer Flüsse sogar großen Flutwellen standhält und damit eine wichtige Rolle in der Hochwasserabwehr übernimmt - meint der Eberswalder Forstwissenschaftler Ralf Kätzel.

    "Sie verhindern die Wassererosion. Sie halten im Prinzip mit ihren Wurzeln den Boden fest, so dass die Erosion des Bodens, des freien Sandes nicht erfolgt. Und wenn wir mehr natürliche Weichholzauen hätten, hätten wir auch nicht diese Probleme der Überflutung, wie wir sie heute überall an allen Flussystemen haben."

    Wie viele Schwarzpappeln es bundesweit noch gibt, weiß keiner genau. In Brandenburg sind zwei überalterte Restbestände an der Oder bekannt mit 60 bis 80 Jahre alten Bäumen, die durch Pilzbefall in den nächsten Jahren absterben werden.

    "Unser Problem ist, sie verjüngen sich nicht natürlich. D.h. es wachsen aus diesen Populationen keine neuen nach und deshalb muss man nun mit künstlichen Maßnahmen dazu beitragen, dass an geeigneten Standorten neue Pappelpopulationen entstehen."

    Drei verschiedene Methoden zur Anzucht und Vermehrung von Schwarzpappeln werden auf der Versuchsfläche getestet. Steckhölzer und einjährige Pflanzen, die in Baumschulen aus Saatgut gezogen wurden, haben die besten Anwuchserfolge gezeigt. Schwierig ist eine initiierte Naturverjüngung. Nun soll das Schwarzpappel-Rettungsprojekt erweitert werden. Bundesweit an andere Flüsse wie Elbe und Rhein. Projektleiter Michael Trautenhahn.

    "Die Schwarzpappel soll grundsätzlich nur in den Einzugsgebieten, wo sie herstammt wieder angesiedelt werden, d.h. es keine Übertragung von Vermehrungsgut über Flussgebietssysteme hinweg. Aber was wir übertragen können: Erfahrungen, die wir hier mit der Schwarzpappel sammeln. Deshalb hat dieses Projekt auch ein stückweit Versuchscharakter. Wir versuchen die geeignetste Methode zur Auwaldinitialisierung mit Schwarzpappeln hier herauszufinden."

    Bis 2006 soll ein Leitfaden entstehen für die Wiederansiedlung der Schwarzpappel in Europa. Denn neue Auwälder zu begründen gelingt nicht immer wie gescheiterte Versuche mit Schwarzpappeln in Hessen zeigen.