In Zürich sorgt Paulo Carigiani – anders als Riccardo Muti unlängst in Salzburg – für eine durchgängig inspirierte Interpretation der Oper von 1818 mit ihrer immer wieder quirligen und mitunter frömmelnd-beschaulichen Musik. Die Klarinetten-Soli gelingen exquisit – zum Beispiel zu einer Tenor-Arie mit Javier Camarena.
Der distinguierte Bariton Erwin Schrott besticht in der Titelpartie durch seinen gradlinig markigen Einsatz für die Sache der Hebräer und ihres singulären Gottes.
Als Gegenspieler des Propheten, der die entscheidende Initiative zur Befreiung der Hebräer aus der Versklavung im Pharaonenreich unternimmt, agiert der verbürgerlichte Gottkönig Faraone – der fulminante Bassist Michele Pertusi: souverän, zeitweise zornig und schließlich melancholisch. Wie er das Frühstücksrührei zubereitet für die Aussprache (unter vier Augen!) mit seinem unter dynastischen Gesichtspunkten nur mäßig gelungenen Sohn Osiride und dabei väterlich sonor auf den hohen Tenor Camarena einwirkt – das ist eine Glanzszene aktueller Opernkunst.
Durch die Kontrastwirkung gerät auch die mitunter fast parodistisch anmutende Partie des Pharaonensohns in neuer Weise stimmig. In einem insgesamt brillanten Sängerensemble fällt nur Eva Mei als Osirides hebräische Geliebte Elcìa etwas ab – mit reichlich matrimonalem Vibrato gelangt sie aus dem ägyptischen Liebesnest bis ans Ufer des Roten Meers und auf den langen Marsch ins Gelobte Land. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Geliebter – wie alle Erstgeburt der Ungläubigen – vom Schlag getroffen worden.
Das Regieteam Moshe Leisher/Patrice Caurier hat die alttestamentarische Geschichte dicht an die Gegenwart herangerückt. Die "Ägyptische Finsternis" bricht in einem Börsensaal aus, in dem die Kurse ins Nichts stürzen, sich dann aber auch auf wundersame Weise wieder "erholen". Die aktualisierende Ausstattung von Christian Fenouillat und Agostino Cavalca sorgt dann aber vor allem für Hinweise auf Kommandoaktionen der israelischen Armee nach 1946: Flugzeug auf dem Rollfeld, für den Showdown ein einsames Auto in der Tiefgarage (und das alles auf der kleinen Züricher Bühne!).
Moshe Leisher zeigt durchaus, wie wenig zimperlich Moses & Co. zu Werke gingen: dass terroristische Mittel und Methoden durchaus zu ihrem Repertoire gehören. Am Ende steht der Herrscher Ägyptens vor der sich wieder aufrichtenden schweren marmorierten Steinplatte, unter der all die begraben wurden, die den flüchtenden Israelis nachsetzten – und er sieht eine Stelltafel mit Fotos von den entscheidenden Militärschlägen gegen sein Land.
Anders als Jürgen Flimms blutarme und wortklauberische Inszenierung in Salzburg präsentierte Leisher in Zürich pralles Theater (und fast auf der Höhe der Zeit!) – gestützt auf eine vorzügliche musikalische Interpretation. Im Vorfeld seines Amtsantritts bei den Salzburger Festspielen hat der Züricher Opernintendant Alexander Pireira kräftig gepunktet.