Wer auf dem Autobahnzubringer von Charenton im Osten von Paris auf die A 4 fährt, ahnt nicht, dass der Beton der Fahrbahn gewissermaßen als Decke für ein Dutzend Obdachlose dient. Sie haben ihre Bretterverschläge im Niemandsland zwischen der sechsspurigen Autobahn nach Osten und der Seine aufgebaut.
Der da die Wintersonne auf einem Campingstuhl genießt, hat als einziger der Gruppe einen Wohnwagen. Es ist Karl, Jugo oder Stari, man darf sich einen Namen aussuchen. Schäferhündin Rebecca springt auf und zeigt, was sie kann als Wachhund. "Halt die Klappe!", fährt Jugo sie liebevoll an.
" Ja, Papa mag dich sehr, Rebecca (lacht), Küsschen! Kuchen mag sie gern, hyperintelligent und treu ist sie. Niemand kommt mir mit dir zu nahe, na, was hat sie denn, spricht sie? Na?"
Rebecca trollt sich in den Wohnwagen, "Papa" hinterher, hier drinnen ist der unerbittliche Verkehrslärm, 24 Stunden am Tag, kaum noch zu hören.
"Hören Sie, hier ist es nicht mehr so laut. Alles Gewöhnungssache. Da hab ich isoliert, vorher war das nicht so, da war nur ne Folie. Und wenn dann die Laster vorbeifuhren … brrrrrrrrr … so. Ich hab da 2 Meter 50-Platten hingenagelt, hab alles abgedichtet. Wollte noch weitermachen. Aber die anderen tun nichts! Und ich mach nicht alles allein!"
Stari heißt alt auf serbo-kroatisch, der Name passt. 42 ist er und sieht aus wie 50, mit seiner sehnigen Figur, dem kantigen Gesicht und dem Stoppelhaar. Chemiker hat er gelernt, war Fremdenlegionär im ersten Irakkrieg, hat sich als Musiker durchgeschlagen. Haus und Grund hat er gehabt, früher in der Heimat. Seit 16 Jahren ist er nun in Frankreich, hatte Reißaus genommen von zu Hause, wo er plötzlich kein Jugoslawe mehr sein durfte, sondern Serbe sein musste.
"Ich bin in Serbien geboren, fünf Kilometer von der bulgarischen Grenze - bin nicht serbisch , nicht kroatisch, noch albanisch oder mazedonisch. Nein, ich bin ein echter Jugo! Und werde es immer bleiben! (… ) Nach Marschall Tito hat das angefangen, Sie wissen ja, der Krieg, der Nationalismus, das war nicht gut."
In Jugos aufgebocktem Wohnwagen, eine Spende des Hilfsvereins "Emmaüs", liegt alles säuberlich an seinem Platz : Das Bett ist zugedeckt, darunter der Schlafplatz für den Hund, unter der Decke Regale mit Handtüchern und Wäsche ; ein Tischchen mit Kerzen, ein Hocker, die Wände mit Fotos beklebt, Wasser- Limo- und Gasflaschen für Licht und Kocher, Hundefutter - reinlich geht es zu bei Jugo, so wird man nicht krank, sagt er und setzt sich an seinen strategischen Platz auf dem Bett, wo er übersehen kann, was am Uferweg passiert.
In seinen Wohnwagen nimmt er nicht viele Leute mit, sagt Jugo. Denn wenn die anfingen zu trinken, dann gäb’s Theater. Dass die Kumpane nebenan weiter die Flasche kreisen lassen, stört ihn nicht. Bloß setzt er sich nicht dazu. Er ist sowieso am liebsten allein, mit dem Hund, den er vom Kumpel Jean-André geerbt hat. Auch den hat der Suff dahingerafft, sagt Jugo, der nun mit möglichst süßer Limo aus dem "Aldi" auf der anderen Seite der Autobahn und vielen Zigaretten auskommt.
Überhaupt "Aldi": Nudeln, Reis, Käse, Würstchen, Bohneneintopf - alles kauft er da. Der Fisch allerdings ist selbst gefangen, aus der Seine. Fette Aale gebe es da. Oder Zander. Kumpel Pascal angelt gerade das Abendessen für alle.
"Ich bin nicht krank geworden davon. Wenn man mit Knoblauch würzt, ist das wie ein Antibiotikum. Vorher muss man den Fisch waschen, in Essig legen, um den Geruch wegzukriegen, denn manchmal ist die Seine sauber, manchmal nicht. Bei all dem, was da rein geschmissen wird! (lacht) Und man weiß ja auch nicht, was die Fische fressen. Die fressen Scheiße, oder was weiß ich. Nein, nein, der Fisch ist schon gut!"
Kaum ist die Sonne weg, kommt schneidender Wind auf. Die Zeit der Ratten bricht an. Jugo hat Fallen ausgelegt, aber das stört die Ratten nicht weiter. Gewöhnungssache. Für die Ratten und für Jugo. Ewig will er nicht hier zwischen Autobahn und Seine leben. Aber eine Wohnung? Das ist nichts für Rebecca, ein Hund braucht Auslauf! Also bleibt er. Heute Nacht. Und wohl auch morgen.
Der da die Wintersonne auf einem Campingstuhl genießt, hat als einziger der Gruppe einen Wohnwagen. Es ist Karl, Jugo oder Stari, man darf sich einen Namen aussuchen. Schäferhündin Rebecca springt auf und zeigt, was sie kann als Wachhund. "Halt die Klappe!", fährt Jugo sie liebevoll an.
" Ja, Papa mag dich sehr, Rebecca (lacht), Küsschen! Kuchen mag sie gern, hyperintelligent und treu ist sie. Niemand kommt mir mit dir zu nahe, na, was hat sie denn, spricht sie? Na?"
Rebecca trollt sich in den Wohnwagen, "Papa" hinterher, hier drinnen ist der unerbittliche Verkehrslärm, 24 Stunden am Tag, kaum noch zu hören.
"Hören Sie, hier ist es nicht mehr so laut. Alles Gewöhnungssache. Da hab ich isoliert, vorher war das nicht so, da war nur ne Folie. Und wenn dann die Laster vorbeifuhren … brrrrrrrrr … so. Ich hab da 2 Meter 50-Platten hingenagelt, hab alles abgedichtet. Wollte noch weitermachen. Aber die anderen tun nichts! Und ich mach nicht alles allein!"
Stari heißt alt auf serbo-kroatisch, der Name passt. 42 ist er und sieht aus wie 50, mit seiner sehnigen Figur, dem kantigen Gesicht und dem Stoppelhaar. Chemiker hat er gelernt, war Fremdenlegionär im ersten Irakkrieg, hat sich als Musiker durchgeschlagen. Haus und Grund hat er gehabt, früher in der Heimat. Seit 16 Jahren ist er nun in Frankreich, hatte Reißaus genommen von zu Hause, wo er plötzlich kein Jugoslawe mehr sein durfte, sondern Serbe sein musste.
"Ich bin in Serbien geboren, fünf Kilometer von der bulgarischen Grenze - bin nicht serbisch , nicht kroatisch, noch albanisch oder mazedonisch. Nein, ich bin ein echter Jugo! Und werde es immer bleiben! (… ) Nach Marschall Tito hat das angefangen, Sie wissen ja, der Krieg, der Nationalismus, das war nicht gut."
In Jugos aufgebocktem Wohnwagen, eine Spende des Hilfsvereins "Emmaüs", liegt alles säuberlich an seinem Platz : Das Bett ist zugedeckt, darunter der Schlafplatz für den Hund, unter der Decke Regale mit Handtüchern und Wäsche ; ein Tischchen mit Kerzen, ein Hocker, die Wände mit Fotos beklebt, Wasser- Limo- und Gasflaschen für Licht und Kocher, Hundefutter - reinlich geht es zu bei Jugo, so wird man nicht krank, sagt er und setzt sich an seinen strategischen Platz auf dem Bett, wo er übersehen kann, was am Uferweg passiert.
In seinen Wohnwagen nimmt er nicht viele Leute mit, sagt Jugo. Denn wenn die anfingen zu trinken, dann gäb’s Theater. Dass die Kumpane nebenan weiter die Flasche kreisen lassen, stört ihn nicht. Bloß setzt er sich nicht dazu. Er ist sowieso am liebsten allein, mit dem Hund, den er vom Kumpel Jean-André geerbt hat. Auch den hat der Suff dahingerafft, sagt Jugo, der nun mit möglichst süßer Limo aus dem "Aldi" auf der anderen Seite der Autobahn und vielen Zigaretten auskommt.
Überhaupt "Aldi": Nudeln, Reis, Käse, Würstchen, Bohneneintopf - alles kauft er da. Der Fisch allerdings ist selbst gefangen, aus der Seine. Fette Aale gebe es da. Oder Zander. Kumpel Pascal angelt gerade das Abendessen für alle.
"Ich bin nicht krank geworden davon. Wenn man mit Knoblauch würzt, ist das wie ein Antibiotikum. Vorher muss man den Fisch waschen, in Essig legen, um den Geruch wegzukriegen, denn manchmal ist die Seine sauber, manchmal nicht. Bei all dem, was da rein geschmissen wird! (lacht) Und man weiß ja auch nicht, was die Fische fressen. Die fressen Scheiße, oder was weiß ich. Nein, nein, der Fisch ist schon gut!"
Kaum ist die Sonne weg, kommt schneidender Wind auf. Die Zeit der Ratten bricht an. Jugo hat Fallen ausgelegt, aber das stört die Ratten nicht weiter. Gewöhnungssache. Für die Ratten und für Jugo. Ewig will er nicht hier zwischen Autobahn und Seine leben. Aber eine Wohnung? Das ist nichts für Rebecca, ein Hund braucht Auslauf! Also bleibt er. Heute Nacht. Und wohl auch morgen.