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An einem Tisch

Die Wirtschaftskrise 1966 setzte dem Aufschwung in der jungen Bundesrepublik ein jähes Ende. Ein Umdenken setzte ein, die Politik bat Unternehmer und Gewerkschaften an einen Tisch, um das gemeinsame Handeln abzustimmen. Die Konzertierte Aktion wurde geboren und trat am 14. Februar 1967 das erste Mal zusammen.

Von Klaus P. Weinert | 14.02.2007
    Mit der Konzertierten Aktion hoffte der Wirtschaftsminister der Großen Koalition von 1967, Karl Schiller, einen Weg gefunden zu haben, um eine gemeinsame Wirtschaftspolitik mit den wichtigen autonomen Gruppen zu ermöglichen. Insbesondere die Gewerkschaften und Unternehmerverbände sollten sich auf Leitlinien ihrer Politik einigen. Die Konzertierte Aktion schien ein Meilenstein zu sein und notwendige Voraussetzung auf dem Weg zu einer effizienten Wirtschaftspolitik. Karl Schiller:

    "Wer ohne diese Gruppen Politik betreiben will, der scheitert in seiner Politik. Mit der Konzertierten Aktion haben wir eine flexible Methode gefunden, diesen autonomen Gruppen eine Mitwirkung an der Vorbereitung der Wirtschaftspolitik zu ermöglichen."

    In den 60er Jahren war der Glaube weit verbreitet, Wirtschaft lenken zu können. Die wissenschaftliche Grundlage bildete die weithin akzeptierte Wirtschaftstheorie des englischen Ökonomen John Maynard Keynes, oft missverstanden oder überinterpretiert, die dem Staat eine aktive Rolle im Wirtschaftsgeschehen zubilligte. Die Konzertierte Aktion, die noch durch Vertreter der Bundesbank und Wirtschaftsprofessoren ergänzt wurde, stützte diese Überzeugung.

    Schon in seiner Regierungserklärung 1965 betonte Kanzler Ludwig Erhard:

    "Um die Einsicht in die gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeiten und ein entsprechendes Verhalten zu fördern, wird die Bundesregierung mit den Repräsentanten aller wichtigen sozialen Gruppen einen regelmäßigeren, häufigeren und umfassenderen Dialog einleiten."

    Auch der zweite Kanzler der Bundesrepublik erkannte es als notwendig an, die Wirtschaftspolitik auf ein breiteres Fundament zu stellen. Besonders die Ökonomen erlangten eine hervorgehobene Stellung mit dem Sachverständigenrat, der 1963 seine Arbeit aufnahm und seine jährlichen Gutachten erstellte. Die Suche nach Sachverstand außerhalb der Ministerien setzte sich nach und nach durch. Die Wirtschaftskrise, die die Bundesrepublik 1966 erschütterte, beschleunigte die Einrichtung der so genannten Konzertierten Aktion. Am Jahresbeginn 1967 kletterte die Zahl der Arbeitslosen auf rund 330.000, was damals ein ungeheuerlicher Vorgang war. Konjunkturprogramme sollten die Wirtschaft beleben, die auch von den Wirtschaftswissenschaftlern Wolfgang Stützel und Herbert Giersch vom Sachverständigenrat unterstützt wurden.

    Nach einigen Querelen konnten schließlich die Gewerkschaften für die Mitarbeit in der Konzertieren Aktion gewonnen werden, die am 14. Februar erstmals zusammentrat. Doch die Vorstellung, eine gemeinsam abgestimmte Wirtschaftspolitik zu betreiben, war von Anfang an illusorisch, was bereits in den Worten von Karl Schiller im Oktober 1967 anklingt.

    "Erst mal darf ich sagen, die Konzertierte Aktion ist von einem aktuellen Arbeits- oder Tarifkampf völlig unberührt. Wir wollen das normale Geschehen auf dem Arbeitsmarkt, das Handeln um Tarife, das Kämpfen um Tariflöhne in keiner Weise beeinflussen: das ist das Erste. Und das Zweite: Zu diesem augenblicklichen Disput im Rahmen der Metallindustrie kann ich nur wiederholen, was ich am Anfang vor vielen Wochen gesagt habe: Ich stehe bereit, wenn es nötig ist und die Beteiligten es wollen, zu einem Gespräch mit beiden Seiten."

    Ein dreiviertel Jahr nach der ersten Sitzung der "Konzertierten Aktion" zeigte sich wieder die unterschiedliche Interessenlage der Tarifparteien. Die Gewerkschaften befürchteten von Anfang an, dass sie Vereinbarungen eingingen, die der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung nicht entsprechen könnten. Im Rezessionsjahr 1967 akzeptierten sie moderate Lohnerhöhungen. Ein Jahr später boomte die Wirtschaft überraschend, womit auch die Ökonomen nicht gerechnet hatten. Die Gewerkschaften fühlten sich geprellt.

    Einen Konsens zu finden wurde immer schwieriger. Schließlich zerbrach die Konzertierte Aktion 1977 - sie spielte schon längst keine Rolle mehr - an der Auseinandersetzung um die Mitbestimmung. Sie scheiterte von Beginn auch daran, dass es den Wirtschaftswissenschaftlern nie gelang, verlässliche Prognosen über die ökonomische Entwicklung vorzulegen, die ja die Grundlage sein sollten für einen gemeinsamen Kurs in der Konzertierten Aktion.