Freitag, 19. April 2024

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Analyse zu Informatik
Studiengang für Frauen oft nicht interessant genug

Gesellschaftlich würden Frauen noch immer in sozialen Berufen verortet, dabei seien sie sehr wohl in der Lage, Informatik zu studieren, sagte Isabel Roessler vom Zentrum für Hochschulentwicklung im Dlf. Neben fehlenden Vorbildern habe Informatik vor allem ein Darstellungsproblem.

Isabel Roessler im Gespräch mit Kate Maleike | 20.08.2018
    Hände tippen an einem Notebook.
    Frauen entscheiden sich selten für ein Informatik-Studium (dpa / Hans-Jürgen Wiedl)
    Kate Maleike: Vier von fünf Studierenden sind männlich – das ist die aktuelle Geschlechteraufteilung im Fach Informatik in Hochschuldeutschland. Die meisten Frauen findet man dabei in Berlin und Brandenburg und die wenigsten in Mecklenburg-Vorpommern.
    Diese Analyse hat jetzt das Zentrum für Hochschulentwicklung CHE vorgelegt und damit auch einen Finger in eine alte Wunde, sagen wir mal, gelegt, denn Frauen in der Informatik, die fehlen hierzulande chronisch. Zwar hat sich die Zahl der Studierenden insgesamt in der Informatik positiv entwickelt, aber der Frauenanteil eben nicht. Doktor Isabel Roessler hat die CHE-Analyse gemacht. Guten Tag!
    Isabel Roessler: Guten Tag, Frau Maleike!
    Maleike: Warum studieren denn so wenig Frauen Informatik?
    Roessler: Informatik wird immer noch so dargestellt, dass es ein Studienbereich ist, der gerade für junge Männer interessant ist. Das heißt, gerade der technische Bereich wird immer noch eher männlich betrachtet in der gesellschaftlichen Sicht, und Frauen werden oftmals nach wie vor in einen gesellschaftlichen, sozialen Bereich gedrängt durch ihre Historie, durch die Schulen auch ganz stark und auch durch die Gesellschaft insgesamt.
    Maleike: Das heißt also, das Potenzial, das die Frauen für die Informatik zum Beispiel hätten, wird bei uns nach wie vor nicht gehoben?
    Roessler: Richtig. Informatik muss so dargestellt werden und muss sich so darstellen, dass auch Frauen zum einen Informatik interessant finden und zum anderen auch sehen, dass sie sehr wohl dazu in der Lage sind, problemlos Informatik zu studieren.
    Initiativen sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein
    Maleike: Jetzt haben wir ja gerade in den letzten Jahren sehr viele Projekte und Initiativen rund um die MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, erlebt, und an den Schulen läuft auch viel. Warum wirkt sich das noch nicht aus?
    Roessler: Also es ist tatsächlich so, dass wir bislang kaum Veränderungen in dem Studierendenanteil sehen können, was die Informatik anbelangt. Seit Jahren stagniert der Frauenanteil in Erstsemestern um die 21, 22 Prozent, und Sie haben völlig recht, die Frage ist, woran liegt das. Ein Punkt ist sicherlich, dass zwar viele Initiativen da sind, das allerdings auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, denn Informatik gehört nach wie vor zum Beispiel nicht zu den Fächern in den Schulen, die flächendeckend angeboten werden oder sogar eventuell ein Pflichtbestandteil sind.
    Bindestrich-Informatik ist für Frauen interessanter
    Maleike: Also das wäre, hören wir da raus, eine erste Maßnahme, die Sie fordern, um den Zustand zu verändern. Sie haben ja in der Analyse die Informatik untersucht und haben eine Frauenquote von maximal über 21 Prozent ausgemacht, Sie haben aber auch festgestellt, dass es Unterformen der Informatik gibt, die bei den Frauen durchaus gewählt werden. Welche sind das denn?
    Roessler: Das sind insbesondere die Medizininformatik und die Bioinformatik, und hier schlägt sich ein ganz interessanter Aspekt nieder, das sind nämlich Kombinationen von Fächern, die per se einen sehr hohen Frauenanteil haben. In der Medizin und auch in der Biologie studieren insgesamt mehr Frauen als Männer, und hier scheint sich niederzuschlagen, dass eine sogenannte Bindestrich-Informatik dazu geeignet ist, das Interesse von Frauen gezielter anzusprechen, und vielleicht trauen sich die Frauen auch diese Bindestrich-Informatiken etwas eher zu, da es zwei Teilaspekte abdeckt, die für sie sehr interessant sind und die sie sich auch zutrauen.
    Es fehlen die Vorbilder
    Maleike: Wir haben auch noch relativ wenig Professorinnen in diesen Fachbereichen. Spielt das auch eine große Rolle?
    Roessler: Vorbilder fehlen in der Informatik. Es gibt kaum Professorinnen – das haben Sie gerade schon gesagt –, es wird teilweise versucht, mit Absolventinnen zu werben für einen Studiengang, beispielsweise in dem eine Absolventin berichtet, in welch einer Branche sie nun tätig ist, wo sie arbeitet, aber das ist natürlich etwas, was erst gefunden wird, wenn man sich schon für den Studiengang interessiert, also schon auf die Webseite geht oder bei YouTube gezielt danach sucht.
    Auch die großen Informatikerinnen der Geschichte sind kaum bekannt, weil auch diese Vorbildfunktion nicht genutzt wird, um für Informatik adäquat zu werben. Da gibt es ein Beispiel von der Gesellschaft für Informatik, die zum Beispiel große Posteraktionen durchgeführt haben, vor allen Dingen Zeit, in der die berühmten Informatikerinnen der Vergangenheit dargestellt wurden, und wir haben etwas nachgeforscht oder nachgefragt bei dem einen oder anderen Praktiker aus den Hochschulen, und die haben gesagt, ja, die Poster hingen bei uns in unserer Fachbereichsseite, also auf dem Flur des Fachbereichs, und das ist dann natürlich wieder etwas, was nicht neue Mädchen erreicht, sondern nur die, die schon da sind.
    Zeigen, wofür es sich lohnt, Informatik zu studieren
    Maleike: Jetzt braucht der Arbeitsmarkt, nicht nur in Deutschland, fähige ITlerinnen. Wie verrückt, kann man sagen! Das heißt, es muss sich dringend was verändern. Was ist denn Ihr Maßnahmenkatalog, was sind Ihre Vorschläge, um die Situation endlich zu verbessern, denn dieses Problem haben wir ja seit vielen Jahren?
    Roessler: Die Studiengänge müssen sich selber einmal vor Augen führen, mit was sie auf sich aufmerksam machen und was sie eigentlich vermitteln möchten. Das eine ist der Frauenanteil. Da haben Sie vorhin schon zu Recht gesagt, dass gerade in den Bindestrich-Informatiken Medizininformatik und Bioinformatik sehr viele Frauen im Anteil an allen Studierenden studieren. Insgesamt betrachtet sind die meisten, also die Anzahl der Frauen in der Allgemeinen Informatik am höchsten. Das muss man auch noch einmal berücksichtigen. Die Studiengänge sollten verschiedene Aspekte auf jeden Fall herausstellen. Dazu gehört einerseits der Praxisbezug. Sie müssen zeigen, wofür es sich lohnt, Informatik zu studieren, was die Möglichkeiten sind, die sich mit Informatik verbinden lassen, auch in Zukunft. Die Unternehmen müssen auch darstellen, was der Mehrwert und der Zugewinn ist, wenn auch Frauen Informatik studieren, und auch die Darstellung der Studiengänge auf den Öffentlichkeitsmaterialien, angefangen beim Flyer, über die Website, bis zu Alumni, die zitiert werden, ist etwas, das ganz, ganz wichtig für die Rekrutierung von Frauen ist, nämlich dass zum Beispiel, ganz einfach, Frauen in den Bildern dargestellt werden, mit denen für den Studiengang geworben wird. Das ist das Einfachste. Aber wie gesagt, die inhaltliche Gestaltung spielt auch eine ganz, ganz große Rolle.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.