Es war keine schicksalhafte Verkettung unglücklicher Umstände, keine Tragödie im eigentlichen Sinn, die in Barcelona die "tragische Woche" auslöste, sondern schlicht eine unpopuläre Maßnahme: Um im Protektorat Spanisch-Marokko die spanischen Bergwerksgesellschaften vor Angriffen der Rifkabylen zu schützen, machte die Regierung im Juli 1909 mobil. Seit fünf Jahren war Spanien in Nordafrika präsent und suchte dort Ausgleich für den Verlust seiner Überseekolonien. Doch das afrikanische Abenteuer geriet zunehmend zum militärischen Fiasko, das kaum Rückhalt in der Bevölkerung hatte. Wer konnte, kaufte sich für 6000 Reales vom Militärdienst frei. Die Mobilmachung für den Marokkokrieg betraf also vor allem Arbeiter und Angestellte. In ganz Spanien reagierten die Gewerkschaften mit Streikdrohungen. Die Historikerin Dolors Marin:
"Diese Männer nach Afrika zu schicken, bedeutete, dass ihre Familien ohne Einkommen blieben. Es waren vor allem die Mütter, Töchter und Schwestern dieser Reservisten, die von Fabrik zu Fabrik zogen, um für den Streik zu mobilisieren. Für die republikanischen Zeitungen war es kein 'normaler' Kolonialkrieg, sondern ein 'Bankerkrieg', bei dem es um die Interessen von vier, fünf reichen spanischen Familien ging."
Als Zeichen des Protests sollte nach dem Willen der Gewerkschaften ganz Spanien am 2. August die Arbeit niederlegen. Doch in Barcelona, wo die antikolonialistische Bewegung besonders stark war, preschte die Arbeiterorganisation "Solidaridad Obrera" vor - und rief bereits am 26. Juli 1909 den Generalstreik aus.
Bis auf kleinere Vorkommnisse blieb es zunächst friedlich. Doch am Folgetag traf die Nachricht von einer fehlgeschlagenen Operation in Marokko ein, bei der 200 Soldaten gefallen waren. Die Stimmung schlug um: Es kam zu Scharmützeln zwischen Obrigkeit und Protestierenden, Barrikaden wurden gebaut, Brandsätze gegen Kirchen und Klöster geschleudert. Die Regierung verhängte den Kriegszustand, an den Ramblas fielen erste Schüsse. Madrid schickte Truppen aus dem Rest des Landes, die den Aufstand nach fünf Tagen blutig niederschlugen. Mehr als hundert Zivilisten und acht Soldaten kamen ums Leben; knapp hundert Kirchen und Klöster wurden niedergebrannt. Im restlichen Spanien dagegen blieb es ruhig: Die Zentralregierung hatte die Kämpfe erfolgreich als Ausläufer einer "separatistischen Bewegung" dargestellt.
Dass der Aufstand in Barcelona von Anfang an antiklerikale Züge trug, war kein Zufall.
"Stürmt die Klöster und erhebt die Nonnen in den Stand von Müttern", "
hatte der Radikalrepublikaner Alejandro Lerroux polemisiert. Als sichtbarster Repräsentant der Macht war die Kirche Zielscheibe zorniger Propaganda - und berechtigter Kritik.
" "Spanien war ein sehr rückständiges Land. Im Unterschied zu Frankreich oder Großbritannien existierten hier noch feudale Strukturen. Die Kirche hatte fast ebenso viel Einfluss wie im 15., 16. Jahrhundert zur Zeit der Inquisition: Ihr unterstand das gesamte Schulwesen."
Nicht nur ein Klassenkonflikt wurde ausgetragen, sondern auch ein Kulturkampf. In den Augen der Kirche hatte das Gedankengut des Laizismus die "tragische Woche" erst möglich gemacht. Sie sah in den selbst verwalteten Arbeiterschulen mit ihren reformpädagogischen Ansätzen ihren Hauptfeind.
Die Repression nach den Julirevolten war beispiellos: Militärgerichte verurteilten 1725 Personen, Zeitungen wurden geschlossen, gegen den Verleger und Reformpädagogen Francesco Ferrer i Guardia, der bei den Unruhen nachweislich keine tragende Rolle gespielt hatte, verhängte man die Todesstrafe.
"Durch das Todesurteil gegen Ferrer i Guardia glaubte man, die Ideen der Modernen Schule und das kritische Denken ausmerzen zu können. Das Gegenteil trat ein: Im In- und Ausland kam es zu massiven Protesten, die mittelfristig Ministerpräsident Antonio Maura zum Rücktritt zwangen."
Die Fronten, die die "tragische Woche" aufgezeigt hatte - die Konflikte zwischen Kirche und Reformern, zwischen radikalen Denkern und Reaktion - sollten weniger als drei Jahrzehnte später beim Spanischen Bürgerkrieg wieder aufbrechen.
"Diese Männer nach Afrika zu schicken, bedeutete, dass ihre Familien ohne Einkommen blieben. Es waren vor allem die Mütter, Töchter und Schwestern dieser Reservisten, die von Fabrik zu Fabrik zogen, um für den Streik zu mobilisieren. Für die republikanischen Zeitungen war es kein 'normaler' Kolonialkrieg, sondern ein 'Bankerkrieg', bei dem es um die Interessen von vier, fünf reichen spanischen Familien ging."
Als Zeichen des Protests sollte nach dem Willen der Gewerkschaften ganz Spanien am 2. August die Arbeit niederlegen. Doch in Barcelona, wo die antikolonialistische Bewegung besonders stark war, preschte die Arbeiterorganisation "Solidaridad Obrera" vor - und rief bereits am 26. Juli 1909 den Generalstreik aus.
Bis auf kleinere Vorkommnisse blieb es zunächst friedlich. Doch am Folgetag traf die Nachricht von einer fehlgeschlagenen Operation in Marokko ein, bei der 200 Soldaten gefallen waren. Die Stimmung schlug um: Es kam zu Scharmützeln zwischen Obrigkeit und Protestierenden, Barrikaden wurden gebaut, Brandsätze gegen Kirchen und Klöster geschleudert. Die Regierung verhängte den Kriegszustand, an den Ramblas fielen erste Schüsse. Madrid schickte Truppen aus dem Rest des Landes, die den Aufstand nach fünf Tagen blutig niederschlugen. Mehr als hundert Zivilisten und acht Soldaten kamen ums Leben; knapp hundert Kirchen und Klöster wurden niedergebrannt. Im restlichen Spanien dagegen blieb es ruhig: Die Zentralregierung hatte die Kämpfe erfolgreich als Ausläufer einer "separatistischen Bewegung" dargestellt.
Dass der Aufstand in Barcelona von Anfang an antiklerikale Züge trug, war kein Zufall.
"Stürmt die Klöster und erhebt die Nonnen in den Stand von Müttern", "
hatte der Radikalrepublikaner Alejandro Lerroux polemisiert. Als sichtbarster Repräsentant der Macht war die Kirche Zielscheibe zorniger Propaganda - und berechtigter Kritik.
" "Spanien war ein sehr rückständiges Land. Im Unterschied zu Frankreich oder Großbritannien existierten hier noch feudale Strukturen. Die Kirche hatte fast ebenso viel Einfluss wie im 15., 16. Jahrhundert zur Zeit der Inquisition: Ihr unterstand das gesamte Schulwesen."
Nicht nur ein Klassenkonflikt wurde ausgetragen, sondern auch ein Kulturkampf. In den Augen der Kirche hatte das Gedankengut des Laizismus die "tragische Woche" erst möglich gemacht. Sie sah in den selbst verwalteten Arbeiterschulen mit ihren reformpädagogischen Ansätzen ihren Hauptfeind.
Die Repression nach den Julirevolten war beispiellos: Militärgerichte verurteilten 1725 Personen, Zeitungen wurden geschlossen, gegen den Verleger und Reformpädagogen Francesco Ferrer i Guardia, der bei den Unruhen nachweislich keine tragende Rolle gespielt hatte, verhängte man die Todesstrafe.
"Durch das Todesurteil gegen Ferrer i Guardia glaubte man, die Ideen der Modernen Schule und das kritische Denken ausmerzen zu können. Das Gegenteil trat ein: Im In- und Ausland kam es zu massiven Protesten, die mittelfristig Ministerpräsident Antonio Maura zum Rücktritt zwangen."
Die Fronten, die die "tragische Woche" aufgezeigt hatte - die Konflikte zwischen Kirche und Reformern, zwischen radikalen Denkern und Reaktion - sollten weniger als drei Jahrzehnte später beim Spanischen Bürgerkrieg wieder aufbrechen.