Dreizehn von ihnen kommen im Juni zu einer Schreibwerkstatt im Literarischen Colloquium Berlin zusammen. Ziel des lyrix-Projektes ist es, das kreative Schreiben und den Dialog zwischen Nachwuchstalenten zu fördern. Als Preis erwartet die Jahresgewinner ein gemeinsamer Berlinaufenthalt mit Schreibwerkstatt und Preisverleihung im Juni 2012. Die Preisverleihung findet am Freitag, 8. Juni 2012, auf der Jugendmesse YOU statt.
Mit zahlreichen bundesweiten Schreibwerkstätten hat sich lyrix nicht nur in Sachen Schreibförderung mittlerweile als bedeutsamer Literaturwettbewerb etabliert. Regelmäßig stellen die lyrix-Nachwuchsdichter bei Lesungen ihr Können unter Beweis. Auch in diesem Jahr haben lyrix-Preisträger auf der Leipziger Buchmesse gelesen.
Besonders bedanken möchten wir uns aber bei allen Teilnehmern, die uns Monat für Monat ihre Gedichte schicken. Eure Texte sind wirklich beeindruckend und es ist schön zu sehen, dass Lyrik Schülern Spaß macht. Weiter so! Denn auch im aktuellen Wettbewerbsjahr 2012 seid Ihr aufgerufen, uns Gedichte zu schicken. Zu gewinnen gibt es für die Jahresgewinner dann wieder eine Berlinreise mit Schreibwerkstatt!
Ein herzlicher Dank geht an die lyrix-Jury, die sich zusammensetzt aus:
den Lyrikern Uljana Wolf und Norbert Hummelt, dem Hauptabteilungsleiter Kultur des Deutschlandfunks, Dr. Matthias Sträßner, dem Verleger Manfred Metzner (Verlag Das Wunderhorn), dem Geschäftsleiter des Literarischen Colloquiums Berlin, Dr. Ulrich Janetzki, sowie Malte Blümke für den Deutschen Philologenverband.
In diesem Jahr haben besonders viele Gedichte die Jury nachhaltig beeindruckt. So kam es am Ende zu einem Punktegleichstand zwischen mehreren Texten. Aufgrund dieser gleichen Jurywertungen können wir daher abweichend dreizehn Preisträgern statt wie vorgesehenen zwölf gratulieren.
Wollen Sie auch gratulieren? Diskutieren Sie mit uns auf Facebook und auf Google+!
Die lyrix-Preisträger 2011 in alphabetischer Reihenfolge:
Saskia Balser aus Ranstadt
St. Lioba Schule, Jahrgangsstufe 11
"lyrix"-Monat: November/Dezember
Leitmotiv: im Schnee
Vorbei
Ein schmaler Pfad führt
durch die Dünen
nur Sand und Eis
Schnee und Meer
Tausend Edelsteine glitzern
unter meinen Füßen
und wie Glas zerbricht
das Eis, Kristalle zerspringen
Ich seh das Ende der Welt
fühle das Ende der Zeit
laufe soweit die Beine tragen
höre endlich auf zu warten
Vergesse mich, vergesse dich
und versinke im Grund
das Universum ist gebrochen
ich tus ihm gleich
Josefine Berkholz aus Berlin
Romain-Rolland-Oberschule, Jahrgangsstufe 12
"lyrix"-Monat: Juli/August
Leitmotiv: Lebensräume - Drinnen und Draußen
Hafengraffiti (Dual)
Da ist ein Hafen
Und da sind
Füße und Segel und Söge
Die ziehn mich und zögen noch ewig,
das weiß ich, wenn ich nicht –
halt.
Da ist ein Hafen
Da sind
Taue und Tauben und Teer.
Schlick ist und Luft und Geruch und
Blei.
Eintopf und Duft mit Graffiti und Straßenkreide
Ich bleibe hier ewig
Wenn ich nicht –
geh.
Renn. Das Wachs in den Venen wird kalt
Wir müssen hier weg, wir müssen doch –
Halt.
Da bin ich.
Was wär ich?
Wenn ich nicht –
Wehr' ich mich?
geh!
halt.
Gib halt.
Lauf weiter, veranker mich, geh.
renn los und bleib stehen.
Vergeh nicht.
Bleib ewig.
Verweh mich.
Ich sehne mich
Sehe mich
Und da ist ein Hafen.
Was werde ich?
Bettina Diller aus Kranzberg
Berufsschule für Informationstechnik München, Jahrgangsstufe 10
"lyrix"-Monat: Jului/August
Leitmotiv: Lebensräume - Drinnen und Draußen
Das Glasfenster
oh wie trügerisch
der Anblick in die weite Ferne
grüne Bäume, hohe Felsen
du über ihnen
stehend auf Glas
rundherum Glas
unter dir, in die Tiefe
etliche Schichten von glasklarem
Glas
aber kein Grashalm ist mehr zu sehen
keine Bewegung -
sonst machst du was kaputt
keine Berührung -
sonst machst du etwas dreckig
kannst du es nicht genießen? den schönen Ausblick,
das unbeschwerte Atmen - nirgendwo ist ja ein
Windhauch
die Ruhe wegen der Stille
und die Aufmerksamkeit von allen, weil sie
darauf warten, was du machst
es sind die, die noch Farbe haben
und deswegen nicht zu Glas wurden
sie spielen dir den Ball zu
ein echter Ball
schwarz und weiß
aus echtem Leder
schön zu spielen, hart im Schuss
annehmen kannst du ihn
schieße ihn, zerbreche das Glas
laufe dem Ball hinterher
lasse dich fallen
vielleicht fängt der Baum dich auf.
Johanna Fugmann aus Memmelsdorf
Dientzenhofer-Gymnasium Bamberg, Jahrgangsstufe 9
"lyrix"-Monat: März/April
Leitmotiv: Es ist alles eitel
Entrostungsmittel und Ordnung
Der rostige Wasserhahn im Garten.
er war perfekt.
eigen und störrisch und unzuverlässig.
aber perfekt.
perfekt und liebenswert.
Wir wuschen unsere matschigen Räuberhände unter ihm
und ließen feuchte Erde als Souvenir.
machten rot zu braun
und ließen ihn Wasser und Lachen husten.
Der alte Spermüllhaufen hinterm Haus.
er war perfekt.
chaotisch und kantig und aggressiv.
aber perfekt.
perfekt und liebenswert.
Wir ließen ihn Kulisse für Ritterspiele sein
und formten ihn zu Höhlen und Schlössern.
spannten Decken zwischen ihn und den Himmel
und ließen ihn Zeuge von Mord- und Liebesszenen werden.
Und dann kam jemand mit Entrostungsmittel und Ordnung
lies unser Lachen recyclen und verschenkte unsere Geschichten.
zuverlässigkeit statt Dreck und Platz statt Kreativität.
Er nahm uns das Leuchten weg an das wir uns klammerten.
Und das Lachen.
Und das Strahlen in den Augen.
tauschte unsere Kindheit gegen Sauberkeit
Sophie Garbe aus Tübingen
Uhland-Gymnasium, Jahrgangsstufe 12
"lyrix"-Monat: Mai/Juni
Leitmotiv: Natur gestern und heute
Stadtparksommer
in den stamm der alten eiche ritzten wir lügen und verankerten sie tief im wurzelwerk als der sommer sich in in unsere lider brannte seine grünen tage ins straßennetz schickte
wir leckten die strahlen von einander ab bis wir ausgehöhlt in den windmeeren trieben ließen uns von grasgrillenmelodien tragen die selbst das alltagsrauschen ausblendeten
schattenspiele sprenkelten deine helle haut jagten ihre muster von deinem mundwinkel bis zu meinen prickelnden fingerkuppen und gruben sich tief in meine fersenwege hinein
die stunden in diesem hibiskusrausch
ließen uns wohl glauben wir wären
winterlos
Christiane Heidrich aus Vaihingen/Enz
Friedrich-Abel-Gymnasium, Jahrgangsstufe 11
"lyrix"-Monat: September/Oktober
Leitmotiv: Unsterbliche Liebe
pathos
wir lassen melodieballons in die finsternis steigen
sitzen singend am abgrund und riechen das ende
wir waren nie furchtloser und schöner als jetzt
denn du siehst in meinen augen zwei welten
und in meiner pupille den nächsten kontinent
auf den wir entkommen wenn alles verglimmt
unsere figuren sind nur alternde hülsen die
in überhitzten städten und auf leblosen fernstraßen
liebe suchen : um sich unsterblich zu machen
um nicht wie klang im lärm zu zerplatzen
nimmst du mich an der hand und wir laufen
gegen den fluchtstrom direkt ins inferno
wo wir endlich zusammenschmelzen
und uns jede ewigkeit lebendiger macht
Larissa Hieber aus Schwäbisch Gmünd
Hans-Baldung-Gymnasium, Jahrgangsstufe 12
"lyrix"-Monat: Mai/Juni
Leitmotiv: Natur gestern und heute
Erste Liebe
Mohnfelder im Gegenlicht.
Chromatik der Dämmerung.
Zitternde Wörter
im Sommerwind.
Pusteblumensamen
zwischen den Zähnen.
Ab und zu
synchroner Sternensturz
am Firmament.
Einen Herzschlag lang, Zögern.
Die Lippen finden sich
im Lichterdecrescendo.
Lena Marie Hinrichs aus Wentorf bei Hamburg
Hansa-Gymnasium Hamburg-Bergedorf, Jahrgangsstufe 6
"lyrix"-Monat: November/Dezember
Leitmotiv: im Schnee
Verlockender Schnee
Ziehe mir meine Stiefel an
Streife mir meine Winterjacke über
Und gehe hinaus
Vor mir
Liegt eine weiße Welt
Jetzt kommt die Sonne durch die Bäume hindurch
Erwärmt die weiße Welt
Jetzt glitzert der Schnee
Ich gehe einen Schritt vorwärts
Und sehe meinen glitzernden Fußabdruck
Nun da alles mit Schnee bedeckt ist
Sind die Bäume
Nur noch wenig braun
Die Blätter sind schon abgefallen
Und jetzt stehe ich unter einem weißen Geäst
Ich lege mich in den Schnee
Und versinke in dem weißen, weichen Puder
Der Schneeengel den ich gemacht habe
Wird wieder von neuem Schnee verdeckt
Ich will die weiße Welt nicht verlassen
Doch ich gehe nach Hause
Ziehe mir meine Stiefel aus
Streife mir meine Winterjacke ab
Und versinke in den weichen Kissen meines Bettes
Roberta Huldisch aus Berlin
Schiller-Gymnasium Berlin, Jahrgangsstufe 12
"lyrix"-Monat: September/Oktober
Leitmotiv: Unsterbliche Liebe
Fossil
Es ist kalt hier
und zwischen uns
rostet die Luft
von Lunge zu
Lungenflügel schlagen
im Endlos-
takt der Tropfsteinhöhle.
Sperr das Licht aus die
Sonne zersetzt uns
nur das versteinerte
für immer
wird von unseren Zähnen fallen
wie Staub.
Jonas Kohnen aus Ludwigshafen
Heinrich-Böll-Gymnasium Ludwigshafen, Jahrgangsstufe 13
"lyrix"-Monat: Mai/Juni
Leimotiv: Natur gestern und heute
die natur des menschen
die lunge der welt wird höchstbietend versteigert das kettensägenrasseln nicht ernst genommen
solange die tulpen noch puls haben
und duften und leuchten
will ich strahlen
manchmal erfasse
ich flakongeruch zwischen ihnen
solange sich noch regenbögen
zwischen den verrußten schloten spannen
will ich staunen
manchmal habe
ich angst sie zerbrechen einfach
solange die evolution
nicht ihr ganzes buntes federkleid verliert will ich hoffen manchmal sehe ich uns schon als nackte vögel
und der himmel in den wir fliegen
flammt auf
Anna Neocleous aus Rietberg
Gymnasium Nepomucenum Rietberg, Jahrgangsstufe 13
"lyrix"-Monat: Januar/Februar
Leitmotiv: Alles über den Künstler
An der Straßenecke
Der Mann an der Straßenecke.
Du hast ihm einen Mitleidseuro
In sein Leben geschmissen
Und nicht verstanden,
Dass er dich
Angelächelt hat.
Der Alte an der Straßenecke.
Du hast im Vorbeigehen
Den Kopf geschüttelt
Und nicht verstanden,
Dass er sich von da unten
Die Schönheit der Welt ansieht.
Der Penner an der Straßenecke.
Du hast sein Fleckchen Welt
Mit Blicken beschmiert
Und nicht verstanden,
Dass er dort
Alltagswunder aufbewahrt.
Der Künstler an der Straßenecke.
Du hast ihn mit Gedanken
Bespuckt
Und nichts verstanden.
Maren Ochs aus Öhringen
Hohenlohe-Gymnasium Öhringen, Jahrgangsstufe 13
"lyrix"-Monat: März/April
Leitmotiv: Es ist alles eitel
Dorfdisko
Schwer liegt um uns die unsichtbare Schlinge
des leeren Lärms. Mein Brustbein pocht im Takt.
Du lachst, ich schaue weg. Drei Silberringe
durchbohren weißes Fleisch. Du trägst es nackt.
Die Nacht will deine Engelsflügel spreiten,
doch stolperst du und fällst. Dein Blick bleibt starr.
Mein Ich verhandelt sorgsam Eitelkeiten
und Schatten stellen Schreckfiguren dar.
Ich spreche zynisch, doch meist unverständlich,
erweise mich als müder Misanthrop,
der lieben will. Noch scheint die Zeit unendlich.
Durch dumpfes Schwarz blitzt scharf ein Stroboskop.
Du beugst dich vor und beugst dich immer weiter
zu mir. Flüchtiger Kuss: entschämtes Glück
der Zweisamkeit. Auf meinen Lippen bleibt der
Geschmack von Salz und Alkohol zurück.
Benita Salomon aus Schriesheim
Kurpfalzgymnasium Schriesheim, Jahrgangsstufe 12
"lyrix"-Monat: November/Dezember
Leitmotiv: im Schnee
Wintersucht
ich greife immer wieder nach
schneeengelzeichen wenn die
luft schweigsam eingehüllt ihr winter-
lied summt und kälte in groß-
buchstaben an die berge
projiziert und mir sanft lebkuchen-
duft auf die lippen küsst
sei mein zimtsternwintertee
wenn schneespurengeflüster
verführerisch an die fenster klopft
aber du fehlst du fällst du
wickelst mich in eine decke
aus schnee wiegst meine fantasie
in sonnenstaub nur kurz
noch kurz bis ich glasstarr
und eisklar meine arme
um schneeengel werfe
Mit zahlreichen bundesweiten Schreibwerkstätten hat sich lyrix nicht nur in Sachen Schreibförderung mittlerweile als bedeutsamer Literaturwettbewerb etabliert. Regelmäßig stellen die lyrix-Nachwuchsdichter bei Lesungen ihr Können unter Beweis. Auch in diesem Jahr haben lyrix-Preisträger auf der Leipziger Buchmesse gelesen.
Besonders bedanken möchten wir uns aber bei allen Teilnehmern, die uns Monat für Monat ihre Gedichte schicken. Eure Texte sind wirklich beeindruckend und es ist schön zu sehen, dass Lyrik Schülern Spaß macht. Weiter so! Denn auch im aktuellen Wettbewerbsjahr 2012 seid Ihr aufgerufen, uns Gedichte zu schicken. Zu gewinnen gibt es für die Jahresgewinner dann wieder eine Berlinreise mit Schreibwerkstatt!
Ein herzlicher Dank geht an die lyrix-Jury, die sich zusammensetzt aus:
den Lyrikern Uljana Wolf und Norbert Hummelt, dem Hauptabteilungsleiter Kultur des Deutschlandfunks, Dr. Matthias Sträßner, dem Verleger Manfred Metzner (Verlag Das Wunderhorn), dem Geschäftsleiter des Literarischen Colloquiums Berlin, Dr. Ulrich Janetzki, sowie Malte Blümke für den Deutschen Philologenverband.
In diesem Jahr haben besonders viele Gedichte die Jury nachhaltig beeindruckt. So kam es am Ende zu einem Punktegleichstand zwischen mehreren Texten. Aufgrund dieser gleichen Jurywertungen können wir daher abweichend dreizehn Preisträgern statt wie vorgesehenen zwölf gratulieren.
Wollen Sie auch gratulieren? Diskutieren Sie mit uns auf Facebook und auf Google+!
Die lyrix-Preisträger 2011 in alphabetischer Reihenfolge:
Saskia Balser aus Ranstadt
St. Lioba Schule, Jahrgangsstufe 11
"lyrix"-Monat: November/Dezember
Leitmotiv: im Schnee
Vorbei
Ein schmaler Pfad führt
durch die Dünen
nur Sand und Eis
Schnee und Meer
Tausend Edelsteine glitzern
unter meinen Füßen
und wie Glas zerbricht
das Eis, Kristalle zerspringen
Ich seh das Ende der Welt
fühle das Ende der Zeit
laufe soweit die Beine tragen
höre endlich auf zu warten
Vergesse mich, vergesse dich
und versinke im Grund
das Universum ist gebrochen
ich tus ihm gleich
Josefine Berkholz aus Berlin
Romain-Rolland-Oberschule, Jahrgangsstufe 12
"lyrix"-Monat: Juli/August
Leitmotiv: Lebensräume - Drinnen und Draußen
Hafengraffiti (Dual)
Da ist ein Hafen
Und da sind
Füße und Segel und Söge
Die ziehn mich und zögen noch ewig,
das weiß ich, wenn ich nicht –
halt.
Da ist ein Hafen
Da sind
Taue und Tauben und Teer.
Schlick ist und Luft und Geruch und
Blei.
Eintopf und Duft mit Graffiti und Straßenkreide
Ich bleibe hier ewig
Wenn ich nicht –
geh.
Renn. Das Wachs in den Venen wird kalt
Wir müssen hier weg, wir müssen doch –
Halt.
Da bin ich.
Was wär ich?
Wenn ich nicht –
Wehr' ich mich?
geh!
halt.
Gib halt.
Lauf weiter, veranker mich, geh.
renn los und bleib stehen.
Vergeh nicht.
Bleib ewig.
Verweh mich.
Ich sehne mich
Sehe mich
Und da ist ein Hafen.
Was werde ich?
Bettina Diller aus Kranzberg
Berufsschule für Informationstechnik München, Jahrgangsstufe 10
"lyrix"-Monat: Jului/August
Leitmotiv: Lebensräume - Drinnen und Draußen
Das Glasfenster
oh wie trügerisch
der Anblick in die weite Ferne
grüne Bäume, hohe Felsen
du über ihnen
stehend auf Glas
rundherum Glas
unter dir, in die Tiefe
etliche Schichten von glasklarem
Glas
aber kein Grashalm ist mehr zu sehen
keine Bewegung -
sonst machst du was kaputt
keine Berührung -
sonst machst du etwas dreckig
kannst du es nicht genießen? den schönen Ausblick,
das unbeschwerte Atmen - nirgendwo ist ja ein
Windhauch
die Ruhe wegen der Stille
und die Aufmerksamkeit von allen, weil sie
darauf warten, was du machst
es sind die, die noch Farbe haben
und deswegen nicht zu Glas wurden
sie spielen dir den Ball zu
ein echter Ball
schwarz und weiß
aus echtem Leder
schön zu spielen, hart im Schuss
annehmen kannst du ihn
schieße ihn, zerbreche das Glas
laufe dem Ball hinterher
lasse dich fallen
vielleicht fängt der Baum dich auf.
Johanna Fugmann aus Memmelsdorf
Dientzenhofer-Gymnasium Bamberg, Jahrgangsstufe 9
"lyrix"-Monat: März/April
Leitmotiv: Es ist alles eitel
Entrostungsmittel und Ordnung
Der rostige Wasserhahn im Garten.
er war perfekt.
eigen und störrisch und unzuverlässig.
aber perfekt.
perfekt und liebenswert.
Wir wuschen unsere matschigen Räuberhände unter ihm
und ließen feuchte Erde als Souvenir.
machten rot zu braun
und ließen ihn Wasser und Lachen husten.
Der alte Spermüllhaufen hinterm Haus.
er war perfekt.
chaotisch und kantig und aggressiv.
aber perfekt.
perfekt und liebenswert.
Wir ließen ihn Kulisse für Ritterspiele sein
und formten ihn zu Höhlen und Schlössern.
spannten Decken zwischen ihn und den Himmel
und ließen ihn Zeuge von Mord- und Liebesszenen werden.
Und dann kam jemand mit Entrostungsmittel und Ordnung
lies unser Lachen recyclen und verschenkte unsere Geschichten.
zuverlässigkeit statt Dreck und Platz statt Kreativität.
Er nahm uns das Leuchten weg an das wir uns klammerten.
Und das Lachen.
Und das Strahlen in den Augen.
tauschte unsere Kindheit gegen Sauberkeit
Sophie Garbe aus Tübingen
Uhland-Gymnasium, Jahrgangsstufe 12
"lyrix"-Monat: Mai/Juni
Leitmotiv: Natur gestern und heute
Stadtparksommer
in den stamm der alten eiche ritzten wir lügen und verankerten sie tief im wurzelwerk als der sommer sich in in unsere lider brannte seine grünen tage ins straßennetz schickte
wir leckten die strahlen von einander ab bis wir ausgehöhlt in den windmeeren trieben ließen uns von grasgrillenmelodien tragen die selbst das alltagsrauschen ausblendeten
schattenspiele sprenkelten deine helle haut jagten ihre muster von deinem mundwinkel bis zu meinen prickelnden fingerkuppen und gruben sich tief in meine fersenwege hinein
die stunden in diesem hibiskusrausch
ließen uns wohl glauben wir wären
winterlos
Christiane Heidrich aus Vaihingen/Enz
Friedrich-Abel-Gymnasium, Jahrgangsstufe 11
"lyrix"-Monat: September/Oktober
Leitmotiv: Unsterbliche Liebe
pathos
wir lassen melodieballons in die finsternis steigen
sitzen singend am abgrund und riechen das ende
wir waren nie furchtloser und schöner als jetzt
denn du siehst in meinen augen zwei welten
und in meiner pupille den nächsten kontinent
auf den wir entkommen wenn alles verglimmt
unsere figuren sind nur alternde hülsen die
in überhitzten städten und auf leblosen fernstraßen
liebe suchen : um sich unsterblich zu machen
um nicht wie klang im lärm zu zerplatzen
nimmst du mich an der hand und wir laufen
gegen den fluchtstrom direkt ins inferno
wo wir endlich zusammenschmelzen
und uns jede ewigkeit lebendiger macht
Larissa Hieber aus Schwäbisch Gmünd
Hans-Baldung-Gymnasium, Jahrgangsstufe 12
"lyrix"-Monat: Mai/Juni
Leitmotiv: Natur gestern und heute
Erste Liebe
Mohnfelder im Gegenlicht.
Chromatik der Dämmerung.
Zitternde Wörter
im Sommerwind.
Pusteblumensamen
zwischen den Zähnen.
Ab und zu
synchroner Sternensturz
am Firmament.
Einen Herzschlag lang, Zögern.
Die Lippen finden sich
im Lichterdecrescendo.
Lena Marie Hinrichs aus Wentorf bei Hamburg
Hansa-Gymnasium Hamburg-Bergedorf, Jahrgangsstufe 6
"lyrix"-Monat: November/Dezember
Leitmotiv: im Schnee
Verlockender Schnee
Ziehe mir meine Stiefel an
Streife mir meine Winterjacke über
Und gehe hinaus
Vor mir
Liegt eine weiße Welt
Jetzt kommt die Sonne durch die Bäume hindurch
Erwärmt die weiße Welt
Jetzt glitzert der Schnee
Ich gehe einen Schritt vorwärts
Und sehe meinen glitzernden Fußabdruck
Nun da alles mit Schnee bedeckt ist
Sind die Bäume
Nur noch wenig braun
Die Blätter sind schon abgefallen
Und jetzt stehe ich unter einem weißen Geäst
Ich lege mich in den Schnee
Und versinke in dem weißen, weichen Puder
Der Schneeengel den ich gemacht habe
Wird wieder von neuem Schnee verdeckt
Ich will die weiße Welt nicht verlassen
Doch ich gehe nach Hause
Ziehe mir meine Stiefel aus
Streife mir meine Winterjacke ab
Und versinke in den weichen Kissen meines Bettes
Roberta Huldisch aus Berlin
Schiller-Gymnasium Berlin, Jahrgangsstufe 12
"lyrix"-Monat: September/Oktober
Leitmotiv: Unsterbliche Liebe
Fossil
Es ist kalt hier
und zwischen uns
rostet die Luft
von Lunge zu
Lungenflügel schlagen
im Endlos-
takt der Tropfsteinhöhle.
Sperr das Licht aus die
Sonne zersetzt uns
nur das versteinerte
für immer
wird von unseren Zähnen fallen
wie Staub.
Jonas Kohnen aus Ludwigshafen
Heinrich-Böll-Gymnasium Ludwigshafen, Jahrgangsstufe 13
"lyrix"-Monat: Mai/Juni
Leimotiv: Natur gestern und heute
die natur des menschen
die lunge der welt wird höchstbietend versteigert das kettensägenrasseln nicht ernst genommen
solange die tulpen noch puls haben
und duften und leuchten
will ich strahlen
manchmal erfasse
ich flakongeruch zwischen ihnen
solange sich noch regenbögen
zwischen den verrußten schloten spannen
will ich staunen
manchmal habe
ich angst sie zerbrechen einfach
solange die evolution
nicht ihr ganzes buntes federkleid verliert will ich hoffen manchmal sehe ich uns schon als nackte vögel
und der himmel in den wir fliegen
flammt auf
Anna Neocleous aus Rietberg
Gymnasium Nepomucenum Rietberg, Jahrgangsstufe 13
"lyrix"-Monat: Januar/Februar
Leitmotiv: Alles über den Künstler
An der Straßenecke
Der Mann an der Straßenecke.
Du hast ihm einen Mitleidseuro
In sein Leben geschmissen
Und nicht verstanden,
Dass er dich
Angelächelt hat.
Der Alte an der Straßenecke.
Du hast im Vorbeigehen
Den Kopf geschüttelt
Und nicht verstanden,
Dass er sich von da unten
Die Schönheit der Welt ansieht.
Der Penner an der Straßenecke.
Du hast sein Fleckchen Welt
Mit Blicken beschmiert
Und nicht verstanden,
Dass er dort
Alltagswunder aufbewahrt.
Der Künstler an der Straßenecke.
Du hast ihn mit Gedanken
Bespuckt
Und nichts verstanden.
Maren Ochs aus Öhringen
Hohenlohe-Gymnasium Öhringen, Jahrgangsstufe 13
"lyrix"-Monat: März/April
Leitmotiv: Es ist alles eitel
Dorfdisko
Schwer liegt um uns die unsichtbare Schlinge
des leeren Lärms. Mein Brustbein pocht im Takt.
Du lachst, ich schaue weg. Drei Silberringe
durchbohren weißes Fleisch. Du trägst es nackt.
Die Nacht will deine Engelsflügel spreiten,
doch stolperst du und fällst. Dein Blick bleibt starr.
Mein Ich verhandelt sorgsam Eitelkeiten
und Schatten stellen Schreckfiguren dar.
Ich spreche zynisch, doch meist unverständlich,
erweise mich als müder Misanthrop,
der lieben will. Noch scheint die Zeit unendlich.
Durch dumpfes Schwarz blitzt scharf ein Stroboskop.
Du beugst dich vor und beugst dich immer weiter
zu mir. Flüchtiger Kuss: entschämtes Glück
der Zweisamkeit. Auf meinen Lippen bleibt der
Geschmack von Salz und Alkohol zurück.
Benita Salomon aus Schriesheim
Kurpfalzgymnasium Schriesheim, Jahrgangsstufe 12
"lyrix"-Monat: November/Dezember
Leitmotiv: im Schnee
Wintersucht
ich greife immer wieder nach
schneeengelzeichen wenn die
luft schweigsam eingehüllt ihr winter-
lied summt und kälte in groß-
buchstaben an die berge
projiziert und mir sanft lebkuchen-
duft auf die lippen küsst
sei mein zimtsternwintertee
wenn schneespurengeflüster
verführerisch an die fenster klopft
aber du fehlst du fällst du
wickelst mich in eine decke
aus schnee wiegst meine fantasie
in sonnenstaub nur kurz
noch kurz bis ich glasstarr
und eisklar meine arme
um schneeengel werfe