Mitten in der riesigen Altstadt Sevillas verbergen sich die Konvente hinter hohen Mauern. Vor der Klostertür brausen Autos und Motorroller in den engen Gassen vorbei, Flaschen landen im Container, Kinder spielen miteinander, auf den Plätzen plaudern die Älteren unter den Orangenbäumen, die überall in der Stadt blühen und duften.
In der Bar La Candelaria im Zentrum der Altstadt, gleich neben dem Kloster Madre de Dios, trinken Miguel und Daniele Café con Leche – Kaffee mit Milch. Ob sie im Kloster nebenan schon mal etwas Süßes gekauft haben?
"Hier? Pastas de Almendras, Gebäck aus Mandeln. Weil es die Besten sind. Ich habe viele Dinge probiert und gekauft. Aber ich komme nicht her, um andere Dinge zu kaufen, ich komme her, um Pastas de Almendras zu kaufen. Die Dulces der Nonnen sind wie früher gemacht, das heißt sie enthalten keine Konservierungsstoffe, sie enthalten keine Farbstoffe. Deshalb sind sie natürlich sehr gut."
Naranjitos Sevillanos und Tortas de Azeite
Ob Mandelgebäck, Orangenplätzchen, in Honig getränktes Weißbrot, "Himmelsspeck", ein Konfekt aus Eigelb und Sirup oder Marzipan, die meisten der 17 Konvente in Sevilla haben ihre eigene Spezialität. Die Mönche vom San Leadro ein paar Straßen weiter sind zum Beispiel für ihre Yemas berühmt, eine Art Konfekt aus Eigelb und Zucker. Und die Nonnen von Santa Paula im Stadtteil La Macarena stellen ausschließlich Marmeladen her, 19 verschiedene Sorten.
Von der Bar aus sind es nur ein paar Schritte nach rechts, dort befindet sich der Eingang zum Konvent Madre de Dios der Dominikanerinnen, das aus dem 15. Jahrhundert stammt. Montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr verkaufen die Nonnen hier ihre selbst hergestellten Dulces.
"Quanto es?" Durch Gitterstäbe werden die Dulces nach draußen gereicht. In dem neonbeleuchteten Lagerraum sind die Regale voll mit Gebäck, wie Naranjitos Sevillanos, Mandelgebäck mit Orangenglasur, Tortas de Azeite aus Oliven oder die Magdalenas, eine Art Muffin. Vier Nonnen von den insgesamt zehn, die hier im Kloster leben, stellen in der kleinen Backstube hinter dem Lager die süßen Dinge her, erzählt die Madre Superiora, die stellvertretende Priorin des Klosters. Bis vor ein paar Jahren wurde noch alles per Hand zubereitet:
"Das Ei mit der Hand schlagen, mit der Hand kneten, alles mit der Hand machen. Gut, und schließlich hat sich dann alles ein bisschen geändert, weil wir ein Rührgerät und einen Mixer kaufen konnten und dann einen Ofen, um zu backen. Wir haben keine Maschine, um die Sachen zu schneiden, das machen wir schon mit der Hand. Aber wir machen das Eierschlagen, Eiweiß zu Eischnee schlagen, alle diese Sachen mithilfe einer Maschine. Wie haben einen Mixer und einen Ofen."
Nonnen sind auf den Verkauf der Dulces angewiesen
Die uralten Rezepte stammen noch aus der Zeit, in der die weißen Hauben der Nonnen mit Eiweiß gestärkt wurden. Aus dem Eigelb wurden dann die Dulces gemacht, zusammen mit dem, was Sevilla ausmacht: Orangen, Zitronen, Mandeln, Oliven. Auch die arabischen Einflüsse sind zu schmecken.
Dass die Kunden die Nonnen von Madre de Dios beim Einkauf überhaupt sehen können, ist eine Ausnahme in Sevilla. In den meisten anderen Klöstern trennt eine Art hölzerner Drehteller in der Wand die Welt draußen und drinnen. Denn die Nonnen und Mönche leben in Klausur, zurückgezogen von der Außenwelt – ora et labora, bete und arbeite.
Doch die Nonnen von Madre de Dios sind auf den Verkauf der die süßen Dinge angewiesen, deswegen kam irgendwann dieser Gedanke, erzählte die Madre Superiora:
"Warum öffnen wir uns nicht und gehen in Kontakt mit den Leuten? Für mich gibt es zwei Gewinne. Ein Gewinn ist der mit den Süßigkeiten. Die musst du essen und du musst sehen, wie man sie macht. Und der andere, und für mich der große, vielleicht wichtigere, ist der Kontakt zu den Leuten."
Die deutsche Kunsthistorikerin Simone Heller lebt seit zwanzig Jahren in Sevilla und führt Besucher durch die Stadt und zu den versteckten Orten, auch zu den Klöstern.
"Also ich glaube, die Nonnen sind auch nach Außen hin aktiv, weil sie sind auch auf Hilfe von Außen angewiesen. Und auch hier gehen die Berufungen zurück. Wenn jetzt hier dieses Kloster Madre de Dios gerade noch zehn Nonnen hat, das ist ja recht wenig."
"Aus Zuneigung und Verehrung zu den Nonnen"
Und durch die Öffnung des Konvents können die Kunden auch einen Blick ins Innere des Klosters erheischen – natürlich nur durch ein vergittertes Tor hindurch. Die Sonne scheint in den Kreuzgang, Orangenbäume blühen in der Mitte, saftig grüne Pflanzen wachsen überall. Die Konvente mit den Dulces und Sevilla gehören einfach zusammen, erzählt die Kunsthistorikerin:
"Die Sevillaner selber sind eben noch sehr traditionell. Sie sind sehr gläubig, sie gehen in die Konvente, kaufen die Dulces, nehmen auch noch an den Messen teil, einfach auch, um die Nonnen in ihrer Andacht zu begleiten, das machen sie schon."
Auch die Madre Superiora ist von der Verbindung der Sevillaner zu ihren Konventen überzeugt:
"Sevilla, ich bin Sevilla sehr dankbar. Ich komme aus Sevilla. Denn ich glaube, sie mögen ihre Nonnen sehr. Und sie wissen, dass sie uns auf diese Weise helfen, sie sagen, wisst ihr, eure Sachen sind gut, die sind echt. Und ich bin hundert Prozent überzeugt, dass sie das machen, um uns zu helfen. Aus Zuneigung und Verehrung zu den Nonnen."
Ein Rundgang zu den Konventen ist gleichzeitig ein schöner Spaziergang durch die Altstadt von Sevilla, von Kloster zu Kloster, von Marmelade zu Mandelgebäck – und dabei einfach mal alles probieren können. So wie die ältere Señora, die gerade ins Konvent Madre de Dios gekommen ist, weil sie den süßen, verlockenden Duft aus der Backstube gerochen hat, und nun Pastas de Almendras gekauft hat, das berühmte Mandelgebäck:
"Ich bin hierher gekommen, weil ich ab und zu Lust auf etwas Süßes habe, aber ich hab ein bisschen hohe Cholesterinwerte. Süßes ist nicht gut für mich, aber heut mach ich mal eine Ausnahme. Und probiere sie. Ich sage dir, die machen gute Süßigkeiten! Alles, was sie machen ist gut!"