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Andauernde Konsequenzen

Umwelt. - Am 20. April 2010 explodierte die Bohrplattform Deepwater Horizon. Elf Arbeiter starben dabei. Das aus dem Macondo-Bohrloch ausströmende Öl löste eine riesige Ölpest im Golf von Mexiko aus. Seit dem 16. Juli 2010 ist der Ölausfluss mit einem temporären Verschluss gestoppt - und am 19. September 2010 erklärte der Sonderbeauftragte der US-Regierung Thad Allen die Quelle offiziell für "tot". Damit ist die Havarie für die Ökosysteme aber nicht vorbei. Wie sie auf die Ölpest reagieren, wird immer noch erforscht und beobachtet. Einen Überblick wird man wohl erst in einigen Jahren haben.

Von Dagmar Röhrlich | 15.12.2011
    Am 3. Juli 2010 erreichte das Öl der havarierten Deep-Water-Horizon die Point-aux-Pins-Halbinsel in Alabama. Wie ein schimmernder Film lag es auf dem Wasser, drang in die Marschen vor. Teer überzog das Gras, drang entlang der Wurzeln in den Untergrund ein. Schon bevor das Öl kam, hatte Melanie Beazley von der University of Alabama begonnen, in den Marschen Sedimentproben zu ziehen. Seitdem untersucht sie den Boden regelmäßig auf seine Ölkontamination hin:

    "Die Ölbelastung an dieser Küste war sehr unterschiedlich, an einigen Stellen war sie nicht nachweisbar, an anderen lag sie weit oberhalb des Grenzwertes von 100 Milligramm Kohlenwasserstoff pro Kilogramm Boden, die der Staat Alabama festgelegt hat."

    Seit Oktober 2010 lässt sich jedoch im Marschboden kein Öl mehr nachweisen. Analysen legen nahe, dass es von Mikroorganismen abgebaut worden ist. Beazley:

    "Wir fanden in unseren Proben aus dem Marschland mehr als 14.000 verschiedene Mikroorganismen. Zum Vergleich: Im Meer vor der Küste waren es lediglich 950. In den verölten Bodenproben gab es sehr viel mehr ölabbauende Mikroorganismen als in den sauberen. Wir haben außerdem untersucht, welche Gene in der Probe aktiv waren. Wir suchten dabei nach speziellen Sequenzen, die für den Ölabbau zuständig sind. In den verölten Bereichen fanden wir besonders viele dieser Gene."

    Melanie Beazley erklärt: Die Mikroorganismen hätten sehr schnell auf das Öl reagiert, weil sie wegen der vielen natürlichen Sickerstellen in der Region an Kohlenwasserstoffe gewöhnt seien. Nicht mit den Mikroorganismen, sondern mit den Tieren beschäftigt sich Peter Roopnarine von der California Academy of Sciences in San Francisco:

    "Wir untersuchen verschiedene Muschel- und Schneckenarten daraufhin, ob sie Stoffe aus dem Öl aufgenommen haben. Dabei konzentrieren wir uns derzeit auf die Amerikanischen Austern, weil diese Tiere seit langem sehr gut untersucht werden, da sie kommerziell von großem Interesse sind."

    Und so fand der Biologe Veränderungen in der Zellstruktur - und zwar in den Kiemen, die besonders empfindlich auf Chemikalien im Wasser reagieren:

    "Normalerweise besteht dieses Gewebe aus säulenförmigen Kiemenblättern, aber nach dem Kontakt mit dem Öl hat sich dieses Gewebe bei den Muscheln in Louisiana verändert und sieht wie geschichtet aus."

    Im Dezember 2010 zeigten in Florida gesammelte Austern die gleichen Veränderungen - wahrscheinlich durch die Havarie ausgelöst, vermutet Peter Roopnarine. Allerdings müsse man noch prüfen, wie häufig diese Veränderungen generell bei Muscheln sind, denn in Küstengewässer würden auch sonst viele Schadstoffe verklappt. Mit Blick auf die Deepwater Horizon untersuchten Roopnarine und seine Kollegen vor allem aber genauer, ob und welche Mengen an Spurenmetallen die Muscheln in ihre Schalen und Weichgewebe aufgenommen haben.

    "Bislang fanden wir heraus, dass sich in den Schalen drei Spurenmetalle aus dem Rohöl angereichert haben: Vanadium, Kobalt und Chrom."

    In den Muskeln und Kiemen der Austern sind es hingegen Vanadium, Kobalt und Blei. Warum Chrom nur in den Schalen und Blei nur in den Weichteilen vorkommt, ist unbekannt. Unbekannt ist auch, was mit den Metallen geschieht, nachdem sie den Eintritt in die Nahrungskette geschafft haben.

    "Die Konzentrationen, um die es hier geht, sind sehr, sehr gering, und stellen für die Muscheln keine Gefahr da. Die Frage ist jedoch, ob sich die Schadstoffe im Lauf der Nahrungskette anreichern, so dass sie schließlich zu einer Gesundheitsgefahr werden."

    Daran arbeite man gerade.