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Andere Sorgen als Kulturhauptstadt-Fragen

Bei der Wahl zur europäischen Kulturhaupt soll nicht mehr so sehr das Medienecho oder die zusätzlichen Einnahmen im Vordergrund verstehen, vielmehr die Aufmerksamkeit auf die Einwohner selbst gerichtet werden. Diejenigen von Maribor beschäftigt allerdings weniger die Kultur, als die Sorge um einen Job.

Von Andreas Meyer-Feist | 09.04.2012
    Wer wissen will, was in Maribor läuft - und ob es gut läuft, hört City Radio. Am Morgen legen Tincek und Zalsa los. Sie haben eine spezielle Vorstellung vom Kulturhauptstadtjahr in Maribor.

    "Also unsere Vorstellung, na ja - im Grunde gehts nicht um eine Vorstellung, sondern um eine Tanz-Performance. Ich bin mit dem Bürgermeister verabredet."

    "Um was geht es denn?"

    "Ich will mit ihm ums Geld tanzen. Bescheidene 380."

    "380 Euro?"

    "380.000 Euro!"

    "Was 380.000? Bist du irre? Was für ein Krampf!"

    "Was hier geht, ist auch für uns Journalisten ein Geheimnis. Was wir wissen: dass es kein Geld gibt. Das ist offensichtlich in diesen Zeiten. Uns ist jetzt schon klar, dass das kein großer Erfolg wird","

    glaubt Bor Greiner. Und viele wüsste ja nicht mal, wo Slowenien liegt.

    ""Slowenien? Ist das in der europäischen Union jetzt, oder was? Sagen wir: ok, wir wissen, dass wir klein sind. Aber wir spielen jetzt auch eine Hauptrolle in der Zeiten der Krise. Weil: wir sind die nächsten."

    Vor allem die Jungen haben andere Sorgen als Kulturhauptstadt-Fragen.

    "Ich weiß nicht. Ich brauche erstmal einen Job. Ob ich dann mit der Kulturhauptstadt was anfangen kann, muss ich mir noch überlegen."

    "Kein Thema!"

    Für die Älteren schon, aber wohl anders als es sich die Organisatoren denken.

    Wer ein bisschen Geld übrig hat und Zeit, der geht in die Vinothek an der Drau zu Tina Heinric. Wein ist ein wichtiges Geschäft - und das soll noch besser laufen im Kulturhauptstadtjahr:

    "Das ist jetzt der halbtrockene Rheinriesling, und zwar ist das Jahrgang 2009. Wie gesagt, halbtrocken."

    Ein Rheinriesling von slowenischen Hängen - da lohnt sich ein Vergleich. Am Haus wächst eine mehr als 400 Jahre alte Weinrebe. Ein knorriges Etwas, das alle Stürme überlebt hat. Die Sorte heißt "Roter Kölner". Jedes Jahr gibt es nur eine winzige Ernte und nur wenige, winzige Flaschen:

    "Weil es so heiß war, waren die Trauben im September teilweise schon sehr trocken, teilweise schon Rosinen. Und deshalb wurde es heuer zum ersten Mal eine Beerenauslese. Süß. und insgesamt nur acht Liter Wein!"

    Hier trifft man auch Alfi Nipic. 67 ist er und einer der erfolgreichsten Mariborer. Bis Anfang der 90er-Jahre war er Sänger bei Slavko Avsenik und den "Original Oberkrainern". Danach machte er sich selbstständig und tourt heute durch die ganze Welt, aber in der Altstadt von Maribor ist er am Liebsten.

    "Diese Musik kommt aus Slowenien, und hier ist das Herz von Slowenien."

    Die Kultur-Hauptstadt-Organisatoren haben ihn bis heute nicht eingeladen. Ihnen ist Alfi Nipic wohl ein bisschen zu volkstümlich und vielleicht auch zu Deutsch.