Davon gibt es mehr als genug. Die Gemeinschaft der Putzenden, stellt die reflektierte Reinlichkeitsexpertin fest, ist mit einer Überfülle an Informationen konfrontiert, und eine Spezialistin für "Faulis" - Leichen im nicht mehr ganz appetitlichen Zustand - fügt an: "Es ist ein respektloser Beruf." Wahrscheinlich macht sich niemand so recht klar, welche Rückschlüsse seine Putzfrau aus den Indizien entlang ihres Weges ziehen kann, und was sie über die Bewohner eines Hauses weiß: schlichtweg alles. Da Putzen keiner großen geistigen Anstrengung bedarf, beginnt der Kopf, die Batterie an leeren Flaschen, die vertrockneten Kondome unterm Bett und die verschiedenfarbigen Haare am Badewannenrand zu einem komplexen Bild zusammenzusetzen. Man kann ziemlich sicher sein, daß es dem Auftraggeber nicht schmeichelt. Wo Luise Rafkin am Werk ist, wird so der simple Putzvorgang zu einem semiotischen Abenteuer. Weh dem, der dieser Wölfin im Schafspelz die Tür geöffnet hat - nun kann er schwarz auf weiß lesen, was er nicht mal seinen engsten Freunden preisgeben würde.
Das zumindest wollen wir der Autorin glauben, denn bis zuletzt bleibt der vage Verdacht bestehen, daß ihre essayistische Reportage auf einer literarischen Konstruktion beruht - am Schreibtisch ausgedacht, in den Semesterferien mit Interviews untermauert. Doch hier entlarvt sich der Rezensent als Unkundiger: Er putzt nicht. Er hat auch keine Putzfrau. Er lebt einfach in seinem Augiasstall vor sich hin und fühlt sich dabei pudel-, um nicht zu sagen: sauwohl. Daher kann er schwer abschätzen, ob die von der Autorin geschilderten Fleckentfernungstechniken auf Empirie beruhen. Man müßte das im Einzelfall nachprüfen, doch das ist nicht Aufgabe der Literaturkritik, sondern der "Stiftung Warentest".
Literarisch läßt sich feststellen, daß Louise Rafkins Streifzug durch amerikanische Oberklassevillen, ihr Blick auf die Hygieneobsessionen ihrer Bewohner beim Leser einen Anflug intellektueller Überheblichkeit hervorrufen. Die Welt durch die Augen der Putzenden zu betrachten, läßt den Glanz der High Society rasch abstumpfen. Leben ist Dreckerzeugung - wer übermäßigen Wert darauf legt, keinen Dreck zu hinterlassen, lebt auch nicht. Fremder, meide blitzblanke Haushalte!