In der Tat – die Sorge war berechtigt. Immerhin war Adalbert von Chamissos romantische Geschichte von einem gewissen Peter Schlemihl, der den eigenen Schatten verkauft, bereits 1814 erschienen; Hans Christian Andersen war – so betrachtet- 33 Jahre zu spät dran, als 1847 "Der Schatten" veröffentlicht wurde. Und es half ja auch nicht viel, darauf hinzuweisen, dass Andersens "Schatten" zwar genau so (vom "Besitzer" getrennt) das eigene Leben zu führen beginnt, aber eben ganz anders als bei Chamisso – deutlicher ist Andersens Schatten-Riss eine Aufforderung, aufzubrechen ins unerforschte Jenseits der Seele, hinter Türen und Spiegel zu schauen und sich dem Nie-Gesehenen, dem Kaum-je-Geträumten zu nähern. Dies ist das Motiv von Stefan Puchers Hamburger Andersen-Trip, in Wort und auch in Ton.
Zwei junge Andersens schlingern da durch das erste Bild des Abends; und das ist wörtlich gemeint – denn die haushoch-weiße Bühnenwand fast ganz vorn an der Rampe hat Barbara Ehnes wie eine Art Biedermeier-Zimmer ganz aus Pudding, Schaum oder Eis geformt; große Mosaiksteine lassen sich daraus nach hinten weg in die Tiefe des Raumes ziehen. Und tatsächlich scheint alles aus Eis – einer der beiden kleinen Hans Christians glitscht minutenlang hinauf und hinab an einem Tisch entlang, der aus der Schaumwand heraus gewachsen zu sein scheint. Eispalast und Gummizelle – dieses grandiose Bild prägt den kurzen Abend; und das Spielmaterial hat mit der Zeit durchaus ein wenig Mühe, mit der anhaltenden Wirkung dieses Bildes mitzuhalten.
Ein Forscher "aus der kalten Welt", aus nordischem Eis also, hat irgendwo in der Fremde (wo es viel heißer ist) eines Abends (und vielleicht von der Hitze ein bisschen benebelt und benommen) vom Hotelzimmer aus den eigenen Schatten hinüber fantasiert in die Wohnung gegenüber, auf der anderen Straßenseite – weil so schöne Musik aus ihm heraus erklang. Nun ist er ihn los – und bald darauf tritt ihm nun dieser Schatten als feines, schmuck herausgeputztes Wesen gegenüber.
Karin Neuhäuser, eine der herausragenden Protagonistinnen des in dieser Spielzeit ja neu formierten Hamburger Thalia-Ensembles, gibt diesem Schatten (in Andersen-Maske) die zweite herausragende Wirkung des Abends; kaum jemand sonst auf deutschen Bühnen kann so kalt und klug Distanz schaffen zu allem Drumherum und noch in absurdesten Zusammenhängen damit das Eigene, das Ich behaupten. Sie muss das hier auch – denn die Story selber dünnt mit der Zeit beträchtlich aus; und auch Leihgaben etwa aus dem lyrischen Werk von Rolf-Dieter Brinkmann öffnen nur neue, weitere Räume, stärken aber nicht den dramatischen Sog. Wo der zu stärken wäre, gerade wenn es wirklich zum übersinnlichen "Trip" reichen sollte, überlässt Pucher den Abend aber lieber dem Musiker Carsten Meyer, unter dem etwas dämlichen Beinamen "Erobique" Teil der in Kennerkreisen geschätzten Band "International Pony"; Schlagzeug und Keyboards stopfen dann Andersens Schatten-Spiel voll und übervoll mit kühl konstruierten Pop-Songs der sehr modernen Sorte.
Und durchaus etwas angestrengt versucht das Ganze Projekt damit, "hip" zu sein – aber die schönste, poetischste Pointe zum Schluss ist dann eben doch uralt: Hildegard Knefs Song von der schlaflosen Einsamkeit: "Ich bin zu müde um schlafen zu gehen", singt jetzt in Hamburg Birte Schnöink, und in der Welt seien wir vielleicht ja immer und alle bloß "Schatten der Schatten".
Komisch. Ein Drei-Minuten-Song mit mindestens so viel Andersen- und Weltentrip-Potenzial wie der ganze Abend ... das ist dann vielleicht doch nicht das richtige Gleichgewicht für wirklich großes Theater.
Zwei junge Andersens schlingern da durch das erste Bild des Abends; und das ist wörtlich gemeint – denn die haushoch-weiße Bühnenwand fast ganz vorn an der Rampe hat Barbara Ehnes wie eine Art Biedermeier-Zimmer ganz aus Pudding, Schaum oder Eis geformt; große Mosaiksteine lassen sich daraus nach hinten weg in die Tiefe des Raumes ziehen. Und tatsächlich scheint alles aus Eis – einer der beiden kleinen Hans Christians glitscht minutenlang hinauf und hinab an einem Tisch entlang, der aus der Schaumwand heraus gewachsen zu sein scheint. Eispalast und Gummizelle – dieses grandiose Bild prägt den kurzen Abend; und das Spielmaterial hat mit der Zeit durchaus ein wenig Mühe, mit der anhaltenden Wirkung dieses Bildes mitzuhalten.
Ein Forscher "aus der kalten Welt", aus nordischem Eis also, hat irgendwo in der Fremde (wo es viel heißer ist) eines Abends (und vielleicht von der Hitze ein bisschen benebelt und benommen) vom Hotelzimmer aus den eigenen Schatten hinüber fantasiert in die Wohnung gegenüber, auf der anderen Straßenseite – weil so schöne Musik aus ihm heraus erklang. Nun ist er ihn los – und bald darauf tritt ihm nun dieser Schatten als feines, schmuck herausgeputztes Wesen gegenüber.
Karin Neuhäuser, eine der herausragenden Protagonistinnen des in dieser Spielzeit ja neu formierten Hamburger Thalia-Ensembles, gibt diesem Schatten (in Andersen-Maske) die zweite herausragende Wirkung des Abends; kaum jemand sonst auf deutschen Bühnen kann so kalt und klug Distanz schaffen zu allem Drumherum und noch in absurdesten Zusammenhängen damit das Eigene, das Ich behaupten. Sie muss das hier auch – denn die Story selber dünnt mit der Zeit beträchtlich aus; und auch Leihgaben etwa aus dem lyrischen Werk von Rolf-Dieter Brinkmann öffnen nur neue, weitere Räume, stärken aber nicht den dramatischen Sog. Wo der zu stärken wäre, gerade wenn es wirklich zum übersinnlichen "Trip" reichen sollte, überlässt Pucher den Abend aber lieber dem Musiker Carsten Meyer, unter dem etwas dämlichen Beinamen "Erobique" Teil der in Kennerkreisen geschätzten Band "International Pony"; Schlagzeug und Keyboards stopfen dann Andersens Schatten-Spiel voll und übervoll mit kühl konstruierten Pop-Songs der sehr modernen Sorte.
Und durchaus etwas angestrengt versucht das Ganze Projekt damit, "hip" zu sein – aber die schönste, poetischste Pointe zum Schluss ist dann eben doch uralt: Hildegard Knefs Song von der schlaflosen Einsamkeit: "Ich bin zu müde um schlafen zu gehen", singt jetzt in Hamburg Birte Schnöink, und in der Welt seien wir vielleicht ja immer und alle bloß "Schatten der Schatten".
Komisch. Ein Drei-Minuten-Song mit mindestens so viel Andersen- und Weltentrip-Potenzial wie der ganze Abend ... das ist dann vielleicht doch nicht das richtige Gleichgewicht für wirklich großes Theater.