Donnerstag, 28. März 2024


Andrea K.* aus Lübeck, geboren 1990

Ich bin 1990 in Lübeck, Schleswig-Holstein, geboren und habe gerade mein Abitur gemacht.

06.09.2010
    20 Jahre Fall der Mauer. Ich habe dieses historische Ereignis nicht direkt mitbekommen, schließlich wurde ich erst ein Jahr später geboren. Doch zu dem besonderen Zeitpunkt war ich schon in Mamas Bauch. "Du bist ein Kind der Wiedervereinigung", sagte sie mir heute. Er gefällt mir, dieser Titel. Und ich darf ihn mit Tausenden anderen teilen, ob ihre Mütter vor 20 Jahren nun in Ost- oder Westdeutschland mit ihnen schwanger waren.

    Heute sind wir (fast) erwachsen, treffen wichtige - und nicht immer leichte - Entscheidungen für unser Leben, unsere Zukunft. Die Entscheidung über die Grenze zu fahren, ja zu rennen, fiel den Menschen aus der DDR wohl nicht so schwer. Es war ein Ansturm auf die Mauer, wie ich ihn mir gar nicht so richtig vorstellen kann. Doch immer wenn ich heute das Radio einschalte, höre ich Beiträge zum Jubiläum des Mauerfalls und nach und nach fügen sich immer mehr Eindrücke zu einem vollständigeren Bild zusammen. So unterschiedliche Stimmen höre ich heute, von Tränen, Freude und Sehnsucht. Von Eile, Überraschung und großer Freundlichkeit. Aber auch von Unterschieden, die zum Teil noch immer nicht beseitigt sind. Die reale Mauer aus Stein ist gefallen, was das Ende der DDR bedeutete und für viele auch das Ende des Kommunismus, doch in vielen Köpfen besteht sie noch immer. Auch das höre ich heute oft genug. Ich sehe keinen Unterschied zwischen Ost und West, für mich ist Deutschland eins.

    Denn egal wo jemand geboren und aufgewachsen ist, wir haben alle die gleichen menschlichen Wünsche und Probleme. Genau das haben die Nazis nicht erkannt. Denn hätte mich vor ein paar Wochen jemand gefragt, was am 9. November passiert ist, so wäre mir zuerst der 9. November 1938 eingefallen, als die Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht jüdische Geschäfte und Synagogen zerstörten. So ist dieser Tag auf der einen Seite ein Trauertag, auf der anderen aber auch ein Tag der Freude und des Neubeginns.

    Dass an einem 9. November zwei so bedeutende geschichtliche Ereignisse stattfanden, ist schon bemerkenswert. Den Zweiten hätte es ohne den Ersten nicht gegeben und dieser Mauerfall ist auch noch heute zu beobachten. Immer dann, wenn zwei Menschen sich mit Vorurteilen und daher mit Distanz begegnen und feststellen, dass dies vollkommen unnötig ist, dann fallen Mauern. Vielleicht gibt es dann in der Zukunft einen 9. November, an dem auch die letzte Mauer gefallen ist.
    * Wir haben die Autorin anonymisiert. Der Name der Autorin ist der Redaktion bekannt.