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Anfechtungen zur Aufweichung

Seit einigen Monaten arbeiten Finanzexperten aus Deutschland und Frankreich hinter den Kulissen an Modellen, mit denen der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt flexibilisiert, am Ende gar ausgehebelt werden könnte. Der EU-Gipfel vergangene Woche in Brüssel beschäftigte sich demonstrativ nicht mit dieser Frage, die aber auf europäischer Ebene längst in aller Munde ist.

Ursula Wissemann | 26.03.2003
    Die Bundesregierung beteuerte in der Vergangenheit zwar immer wieder, dass sie am Neuverschuldungslimit des Maastricht-Vertrages festhalten wolle, doch sinkende Einnahmen drücken den Finanzminister so sehr, dass er auch in diesem Jahr die 3 Prozent-Schallgrenze verfehlen wird. Eine Kursänderung käme der Bundesregierung entgegen, auch wenn der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung Mitte März ankündigte, am Pakt festhalten zu wollen:

    Dieser Pakt darf eben nicht statisch interpretiert werden. Er lässt Raum und muss auch Raum lassen für Reaktionen auf unvorhergesehen Ereignisse. Phasen wirtschaftlicher Schwäche - und wir sind in einer solchen Phase in Deutschland, in Europa - dürfen eben nicht durch prozyklische Politik ausgeglichen werden.

    Bedeutet das, der Stabilitäts- und Wachstumspakt wird soweit aufgeweicht, dass seine Stabilitätskriterien künftig nur noch die Durchsetzungskraft eines zahnlosen Tigers haben und lediglich als Empfehlungen zu verstehen sind? Klar ist, dass Frankreich nach Ende des Irak-Krieges Hand anlegen wird an die Vereinbarung, die eine gemeinsame Währung stabil machen soll. Die Begründungen sind zahlreich: Die Verwerfungen der Weltwirtschaft sind gewaltig, die Konjunktur in den großen Ländern der Eurozone dümpelt vor sich hin. Deutschland trifft es besonders hart: Private Haushalte üben sich in Kaufzurückhaltung, Unternehmer fürchten um ihre Aufträge, die Zahl der Arbeitslosen steigt von Monat zu Monat.

    Im vergangenen Jahr überschritt Deutschland das Verschuldungslimit des Maastricht-Vertrages mit 3,6 Prozent. Für das laufende Jahr hat Bundesfinanzminister Eichel Anfang März ein Defizit von 2,8 Prozent nach Brüssel gemeldet. Finanzexperten sind bei diesem Wert angesichts steigender Arbeitslosigkeit und wegbrechender Steuereinnahmen äußerst skeptisch, wie der CDU-Wirtschaftsfachmann Werner Langen, der für die EVP-Fraktion im Währungsausschuss des Europäischen Parlaments sitzt:

    Die Meldung von Herrn Eichel geht von einem Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent aus im Jahre 2003. Das wird nach allen bisher vorliegenden Daten auf keinen Falle erreicht werden können. Die wirtschaftliche Schwäche wird wahrscheinlich bis Ende des Jahres anhalten, sodass dieser Wert unrealistisch ist.

    Das ehrgeizige Ziel Eichels ist nur dann zu erreichen, wenn sein Steuervergünstigungsabbaugesetz und eine Arbeitsmarktreform umgesetzt werden. Ersteres wurde vor eineinhalb Wochen im Bundesrat abgelehnt, eine Arbeitsmarktreform müsste schnell und effektiv Wirkung entfalten. Wirtschaftsanalysten rechnen bisher nicht mit schnellen Reformen in Berlin. Aller Voraussicht nach wird Deutschland auch im laufenden Jahr zu den Haushaltssündern der Europäischen Union gehören, können aber mit Nachsicht rechnen, wenn das deutsche Wachstum unter einem Prozentpunkt bleibt. Wegen Überschreitung der Verschuldungsgrenze im vergangenen Jahr läuft in Brüssel bereits ein Strafverfahren.

    Die Väter des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der von den europäischen Staats- und Regierungschefs Ende 1996 in Dublin festgezurrt wurde, hatten bei der Ausarbeitung des Regelwerkes vor allem die Stabilität der Preise und der künftigen gemeinsamen Währung im Auge. Nach dem langen Ringen einer Nachtsitzung wurde in die Verträge geschrieben, dass das Budgetdefizit eines Landes nicht mehr als 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen darf und der Gesamtschuldenstand unter 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen müsse. Ein Pakt, geschlossen mit dem Ziel, die gemeinsame Währung Euro so stark zu machen wie die D-Mark, sodass sie es jederzeit mit Dollar und Yen aufnehmen kann.

    Nicht vorstellen konnten sich die Unterhändler damals die heutige Situation: Der Euro avancierte in den vergangenen Monaten im Angesicht des drohenden Irak-Kriegs zur Krisenwährung und zeigt sich mit Werten bis zu 1,10 Dollar stark, obwohl ausgerechnet die größten Länder der Eurozone die Defizitgrenze nicht nur geringfügig überschreiten.

    Christa Randzio-Plath, Sozialdemokratin und Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament, hält grundsätzlich an den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes fest. Allerdings sei es zulässig, zu prüfen, ob die Regeln für die Bewältigung von Kriegsfolgen eine flexiblere Auslegung zulassen:

    Die außergewöhnlichen Umstände, die also der Text durchaus erwähnt, sind natürlich interpretierbar. Ich denke nicht, dass damals an Kriege gedacht worden ist. Es ist sicherlich eher an Naturkatastrophen, an Erdbeben, an Überschwemmungen und Stürme gedacht worden als eben an eine Kriegssituation oder eine Vorkriegssituation. Aber wenn eben diese Formulierung enthalten ist, muss sie mit Sicherheit auch auf einen Krieg angewandt werden. Ich meine, sogar noch viel eher sogar auf die Vorkriegszeit, die Zurückhaltung – sowohl bei Investitionen wie auch eben beim Kaufverhalten der Bürger und Bürgerinnen sich gerade jetzt in der Zeit der großen Unsicherheit Fragezeichen zeigen und negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung wirken.

    Damit alle Euro-Länder eine solide Haushaltspolitik verfolgen, haben die EU-Finanzminister im Stabilitätspakt ein Frühwarnsystem und - auf besonderes Drängen des damaligen deutschen Finanzministers Theo Waigel – auch Sanktionsmechanismen eingezogen, an denen übrigens auch Frankreich tatkräftig mitgewirkt hat.

    Das Regelwerk soll für eine genaue Schuldenüberwachung sorgen. Wer das zulässige Limit zu überschreiten droht und sein Haushaltsdefizit nicht senkt, bekommt erst einmal eine Abmahnung in Form eines blauen Briefs von der EU-Kommission. Es folgt die Eröffnung eines Verfahrens, wenn der Haushaltssünder die 3 Prozent-Latte reißt. In einigen Fällen spricht die Kommission Empfehlungen aus, damit es dem Mitgliedsland wieder gelingt, die Richtwerte zu erreichen. Bringt der Haushaltssünder seinen Etat immer noch nicht in Ordnung, muss er zinslos einen Milliardenbetrag bei der Europäischen Zentralbank hinterlegen.

    Diese Kaution kann nach zwei Jahren der Untätigkeit in eine Geldstrafe umgewandelt werden. Für Länder, die unter einer besonderen – das heißt nicht hausgemachten - Konjunkturschwäche leiden, werden Rabatte gewährt. Nur bei einer schweren Rezession kann ein Staat auch straffrei bleiben. Der Wirtschaftsexperte Wilhelm Hankel hält dieses Paragraphenwerk handwerklich für unausgereift:

    Was den Stabilitätspakt betrifft, so zeigt sich jetzt klar, dass der von der ersten Minute an leider eine Fehlkonstruktion war. Denn man hat rein wirtschaftlich gesehen eines nie bedacht: Dass es in Europa unterschiedliche Konjunkturen gibt. Zur Zeit haben die einen Boom und Inflation, die anderen haben Rezession und Arbeitslosigkeit. Und da entfaltet der Stabilitätspakt eine geradezu kontraproduktive, um nicht zu sagen, perverse Wirkung. Die Inflationsländer, vor denen er schützen sollte, die haben nämlich keine Haushaltsprobleme, die haben inflationsbedingt dicke Steuereinnahmen und erfüllen den Pakt. Und die Rezessionsländer, zu denen leider vor allen Dingen Deutschland gehört, haben überhaupt keine Inflation. Aber wir haben Massenarbeitslosigkeit, infolge dessen können wir den Stabilitätspakt gar nicht erfüllen, obwohl wir in punkto Inflation Musterknaben sind. Und das zeigt, Präsident Prodi hatte völlig recht, als er diesen Pakt für "dumm" bezeichnete.

    Die Kritiker des Vertrages werden zahlreicher. Vor allem den Franzosen ist der Vertrag seit langem ein Dorn im Auge, obwohl sie ihn 1996 mit trugen. Inzwischen vertritt Paris die Ansicht, dass der Pakt gerade in Krisenzeiten die Probleme verschärfe, weil er die Regierungen zum Sparen in der Krise verpflichte. Zudem hat man in Paris nicht vergessen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt den EU-Mitgliedsstaaten von deutscher Seite - damals noch von Bundeskanzler Kohl und seinem Finanzminister Waigel – aufgezwungen wurde.

    Für 2002 meldete Paris Anfang des Monats ein Etatdefizit von drei Komma Null Prozent nach Brüssel. Gleichzeitig stellte der französische Finanzminister Francis Mer fest, dass die EU-Kommission kein Recht habe, deswegen ein Strafverfahren wegen eines exzessiven Defizits gegen Frankreich einzuleiten: Eine Neuverschuldung von drei Komma null liege noch im Toleranzbereich des Maastricht-Kriteriums. Die EU-Kommission dürfte diese Äußerung als Provokation empfunden haben. Paris aber spielte auf Zeit.

    Die Statistiker rechneten nach. Doch seit Anfang letzter Woche ist klar: Frankreichs Defizit betrug im vergangenen Jahr 3,13 Prozent. Damit ist der Grenzwert überschritten. Die EU-Kommission wird ein Strafverfahren gegen Frankreich einleiten, an dessen Ende milliardenschwere Geldbußen verhängt werden können. Damit befindet sich Frankreich in der Gesellschaft von Deutschland und Portugal, gegen die bereits formelle Verfahren laufen.

    Für 2003 wird das französische Defizit ebenfalls über dem Referenzwert liegen: Noch rechnet Paris mit 3,4 Prozent. Die aber nur dann eingehalten werden, wenn es dem französischen Finanzminister gelingt, im laufenden Haushaltsjahr noch sieben Milliarden Euro einzusparen. Frankreich kann – wie übrigens auch Deutschland – Konsequenzen in Form von hohen Bußgeldern nur noch dann abwenden, wenn die Neuverschuldung 2004 wieder unter die Drei-Prozent-Marke fällt.

    Vor allem die kleinen Mitgliedstaaten der Europäischen Union kritisieren das Verhalten der französischen Regierung. Ihnen missfällt, dass das Land keinerlei Anstalten macht, die Stabilitäts-Kriterien zu erfüllen und nicht einmal die Verschuldung um 0,5 Prozent zurückzuführen, wie von der EU-Kommission gefordert. Sollte sich Frankreich auch künftig weigern, die Vorgaben des Paktes einzuhalten, könnte dies der Härtetest für den Stabilitätspakt werden.

    Drastische Sparmaßnahmen lehnt Paris ab, die könnten die ohnehin flaue Konjunktur völlig abwürgen. Aus diesem Grund hält die Regierung an der Seine auch an den Steuersenkungen fest, die mit einigen Milliarden Euro Mindereinnahmen ein tiefes Loch in den Haushalt von Finanzminister Francis Mer reißen. Finanzfachleute rechnen damit, dass Frankreich – allein oder mit Gleichgesinnten – versuchen wird, den Stabilitätspakt abzuschaffen. Für die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Europäischen Parlament Randzio-Plath ist das nicht akzeptabel:

    Ich halte überhaupt nichts von nationalen Alleingängen. Das gibt auch wirklich der Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht her. Es kann nicht einfach ein Land für sich entscheiden, dass es Kriterien nicht einhält. Von daher meine ich eben auch, dass jede Revision von Stabilitätsprogrammen und auch Konvergenzprogrammen in den Finanzministerrat gehört und dort muss darüber beraten werden, wie ein Land und auch welche Weise es abweichen kann und welcher Zeitrahmen und welche Schritte dabei zusätzlich vorgeschlagen werden.

    Hauptargument für diejenigen, die den Pakt aufweichen wollen, ist der Irak-Krieg. Auf diese Krise beruft sich auch der deutsche Bundeskanzler, wenn er eine Offensive zur flexibleren Auslegung des Regelwerkes ankündigt. Für solche extremen Fälle biete der Pakt aus Sicht seiner Kritiker nicht genügend Spielraum, vor allem dann nicht, wenn der Ölpreis ins Unermessliche steige. Wirtschaftsprofessor Wilhelm Hankel zeigt Verständnis für die Argumente derer, die die Stabilitätskriterien in Kriegszeiten lockern wollen:

    Der Krieg - ich weiß nicht, wie lange er dauern wird, aber er wird nicht ewig dauern, deswegen sollte man diesem Argument nicht allzu viel Gewicht beimessen. Man könnte natürlich darüber nachdenken, in Kriegszeiten, solange der Krieg dauert - den Pakt schlicht auszusetzen.

    Anders der Bundesverband deutscher Banken, der einen eindringlichen Appell an die Politiker der Euroländer richtete, den Irak-Krieg nicht als "Ausrede" zu nutzen, um sich einer soliden Haushaltsführung zu entziehen. Ebenso sieht das der Präsident der Europäischen Zentralbank Wim Duisenberg:

    Man darf niemals vergessen, der Stabilitätspakt ist geschlossen worden von zwölf Ländern, die den Euro haben. Und acht von diesen zwölf Ländern haben schon heute die Ziele, die im Stabilitätspakt geschrieben sind, erreicht. Nur wenn es knapp wird, dann die Regel zu ändern, das macht man nicht in der Mitte des Spieles.

    Eher vorsichtig drückt Duisenberg aus, was von der EU-Kommission schärfer kritisiert wurde: Die übrigen Länder haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Die 3 Prozent-Grenze im EU-Vertrag ist nicht als anzustrebende Obergrenze gedacht, bis zu der sich ein Land regelmäßig neu verschulden darf. Sie ist gedacht als allerhöchster Wert des Haushaltsdefizits, der nur ausnahmsweise in wirtschaftlich schwierigen Jahren erreicht werden sollte. Ansonsten gilt es, ausgeglichene Etats auszuweisen.

    Das aber ist den vier europäischen Sorgenkindern Deutschland, Frankreich, Italien und Portugal noch nicht gelungen. Selbst 1997, dem Referenzjahr für die Teilnahme am Euro, lag die Verschuldensgrenze aller vier Länder über 2,5 Prozent, Frankreich landete glatt auf der 3 Prozent-Marke. Auch der damalige Finanzminister Theo Waigel, der eigentliche Vater des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der im Jahr zuvor noch Nachhaltigkeit der Haushaltspolitik gepredigt hatte, zeigte sich bei der Bekanntgabe der Zahlen ohne Schuldbewusstsein:

    Ich habe immer gesagt: Drei ist drei, was bedeutet, drei ist auch 3,0. Damals ist mir gesagt worden, ehrliche 3,2 seien besser als unehrliche 2,7, seien besser als unehrliche 3 Null. Ich kann heute nur sagen: Ehrliche 2,7 sind besser als ehrliche 3,2, und zwar um etwa einen halben Prozentpunkt besser.

    Die EU-Kommission zeigte Nachsicht mit den Sündern und verlängerte die Frist, zu der die vier Länder ausgeglichene Haushalte vorlegen müssen, bis zum Jahr 2006. Ein Ärgernis für all die Länder, die ihre Hausaufgaben gemacht hatten. Finanzanalysten erinnern daran, dass eine stetig steigende Staatsverschuldung auch immer bedeutet, dass immer mehr Mittel für Zinsen aufgewendet werden müssen. Gerade in Krisenzeiten schränkt das die politische Handlungsfähigkeit eines Staates weiter ein. Doch die Probleme der Länder, die das Schulden-Limit überschritten, liegen nicht nur in den Etats, sondern wie – EU-Währungskommissar Solbes anmahnt – auch in der Nichtumsetzung notwendiger Reformen:

    Die Mitgliedstaaten werden sich nicht hinter dem Pakt verstecken können, um auf unbestimmte Zeit dringend erforderliche Strukturreformen und wichtige Investitionen nicht vorzunehmen, und das bei steigendem europäischen Wachstumspotential.

    Auch Europaparlamentarier wie Werner Langen richten diese Mahnung an die Adresse der Länder, die es bisher versäumt haben, ihre Sozial-, Steuer- und Rentensysteme den veränderten Bedingungen anzupassen und in Phasen wirtschaftlichen Booms zuwenig gespart haben:

    Wenn man diese 3 Prozent-Grenze sang- und klanglos fallen lässt, weil die größten Länder die wichtigsten Sünder sind, wie soll man dann überhaupt noch die im Art. Stabilität der gemeinsamen, europäischen Währung auf Dauer sichern? Dass der Euro Strukturreformen erfordert, dass er den Wettbewerb erhöht, das war gewollt. Hier hat man nur an den Symptomen kuriert und in den letzten Monaten fast den Eindruck gewonnen, als ob man sein Heil nicht in einem freien Binnenmarkt suchen will, sondern in einem stärkeren Engagement des Staates.

    Schon im Jahr 2000, ein Jahr mit der höchsten Wachstumsrate seit Jahren, hatten weder Deutschland, Frankreich oder Italien einen ausgeglichenen Etat vorgelegt. Die Wirtschaftexperten der Kommission folgerten aus den vorgelegten Daten, dass die Regierungen durch gutes Wachstum zusätzlich in den Haushalt geflossenen Einnahmen nicht für den Schuldenabbau, sondern für neue Ausgaben verwandt haben. Solches Handeln aber verstößt gegen die Selbstverpflichtung des Stabilitätspaktes.

    Und auch hier liegen die Ursachen für den Wunsch einiger Haushaltssünder, den Pakt abzuschaffen. Im Gegensatz zu anderen Experten sieht Finanzwissenschaftler Wilhelm Hankel bei dieser Absicht keine Gefahren für den Euro:

    Der Pakt ist ein Accessoire sozusagen zur Gemeinschaftswährung. Und er sollte die Gemeinschaftswährung schützen und das ebenfalls nicht vorausgesehene Irrtum ist ja, dass wir, trotz lahmender Konjunktur und trotz nicht erfüllten Stabilitätspaktes einen Euro haben, der so stabil ist wie eigentlich fast bei seiner Einführung. Das heißt also zwischen Stabilitätspakt und Währung besteht überhaupt nicht der lineare Zusammenhang, den man ihm im Vertragswerk von Maastricht gegeben hat.

    Die Zeit ist günstig, das Unterfangen anzugehen, denn momentan behauptet sich der Euro als starke Währung. Die Finanzmärkte haben bislang nicht auf die Defizitmeldungen reagiert – vielleicht auch nur noch nicht. Der Irak-Krieg und die Bewältigung der Folgen liefern die nötigen Argumente.

    Keine Zeit verlor die französische Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie: Einen Tag nach der Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Djindjic forderte sie die Europäer auf, nicht nachzulassen im Kampf gegen den Terrorismus und deshalb mehr Geld für die Verteidigung aufzuwenden. 'Das Leben der Menschen wiege mehr' , so Alliot-Marie, 'als die Meinung der Kassenwarte'. Ein weiteres Argument für die Regierung an der Seine, sich des ungeliebten Defizitlimits zu entledigen.

    Mitstreiter sind auch zur Stelle: Die italienische Regierung drängt schon einige Zeit auf eine flexiblerer Handhabung des Vertragstextes, auch wenn die Volkwirte die Glaubwürdigkeit der europäischen Finanzpolitik beschädigt sehen, sollte der Pakt fallen.

    Beobachter in Brüssel glauben inzwischen, den Grund für die überraschende Anti-Kriegs-Koalition zwischen Frankreich und Deutschland in der Irak-Frage zu kennen: Nach Ende des Krieges gegen den Irak könnte Frankreich die Initiative ergreifen, um den in Paris verhassten Stabilitäts- und Wachstumspakt zu Fall zu bringen. Deutschland würde sich dankbar an die Seite Frankreichs stellen. Schließlich war es Jacques Chirac, der Bundeskanzler Schröder mit einem klugen Schachzug beisprang, als dieser sich mit seiner Irak-Politik beinahe völlig isoliert hatte. Vom deutschen Kanzler bei anderer Gelegenheit Entgegenkommen zu erwarten, das wäre aus französischer Sicht nur fair. Mit den Deutschen im Boot wären auch die kleinen Länder leichter zu überzeugen, denn der Pakt lässt sich nur einstimmig ändern.