Donnerstag, 25. April 2024

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Angekündigter Rückzug der CDU-Chefin
"Die SPD sollte aus der Großen Koalition rausgehen"

Nach dem angekündigten Rückzug von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer rät der langjährige Bundestagsabgeordnete Rudolf Dreßler (SPD) seiner Partei, die Große Koalition zu verlassen. Beide Parteien seien so gespalten, dass sie die Kraft zu einer gemeinsamen Führung kaum noch aufbringen könnten.

Rudolf Dreßler im Gespräch mit Peter Sawicki | 10.02.2020
Der SPD-Politiker Rudolf Dreßler am 14.02.2018 im Berliner Studio der Sendung "Maischberger"
Der SPD-Politiker Rudolf Dreßler hat sich im Dlf für einen Ausstieg seiner Partei aus der Großen Koalition ausgesprochen (imago / Eibner / Uwe Koch)
Der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Rudolf Dreßler war unter anderem 1982 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium.
Peter Sawicki: Was sagen Sie zu dem Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer?
Rudolf Dreßler: Wenn in einer Partei, die nach wie vor Volkspartei sein will, ein solcher Vorgang passiert, indem die amtierende Parteivorsitzende ihren Rückzug mit der Begründung erklärt, sie stehe für eine CDU, die es für unvereinbar hält, mit einer AfD zusammenzuarbeiten, direkt oder indirekt, dann heißt das im Analogieschluss, dass dieses in der CDU nicht mehr unumstritten ist, und das ist das eigentliche Dilemma, in dem wir stehen.
Wenn eine solch große Volkspartei diesen Wert, diesen Richtungswert nicht mehr in sich selbst mehrheitlich verkörpert, dass eine Parteivorsitzende im Amt bleiben kann, dann ist Gefahr im Verzuge.
Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Bundesvorsitzende, steht in einem roten Blazer vor Journalisten an einem Rednerpult.
CDU in der Krise: Nach Kramp-Karrenbauers angekündigtem Rückzug droht Richtungsstreit
Der politische Tsunami nach dem Erdbeben von Erfurt hat die CDU überrollt. Die umstrittene Ministerpräsidentenwahl in Thüringen offenbarte, dass die Union tief gespalten ist – und dass der Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer die Autorität fehlt. Die hat nun die Konsequenzen gezogen.
Sawicki: Hat es die Noch-Vorsitzende nicht geschafft, das zu verhindern?
Dreßler: Sie hat es nicht nur nicht geschafft und sie hat vor allen Dingen nicht mehr gesehen, dass sie die Kraft aufbringt, es doch noch schaffen zu können. Und das heißt, dass das übertragen wird auf die amtierende Große Koalition. Die besteht aus einer SPD, die ihre sichtbare Schwäche darin sieht und darin findet, die Führungslosigkeit zu überwinden, in einem Umfragetief sich zu befinden, das existenziell ist. Und sie hat eine CDU, die einen Richtungskampf ausführt zwischen Werte-Union und der anderen CDU, die alles andere als zukunftsfroh in die Zukunft blicken lassen kann.
Sawicki: Also beide Parteien jetzt gespalten aus Ihrer Sicht?
Dreßler: Beide Parteien sind so gespalten, dass sie die Kraft zu einer gemeinsamen Führung in der Regierung kaum noch aufbringen können. Deshalb wäre es geboten, in einem Sinne von Neuwahlen in Thüringen sofort und unmittelbar den Weg freizumachen, und das wäre jetzt die demokratische Aufforderung an die Parteien im Parlament, jenseits der AfD in Thüringen, diesen Weg unter allen Umständen schnellstens zu gehen.
"Ich kann nur den Kopf schütteln über solch ein Verhalten"
Sawicki: Das ist jetzt der Blick auf Thüringen. Schauen wir dann noch auf den Bund. Thomas Oppermann, Ihr Parteifreund – er ist Bundestagsvizepräsident -, er hat relativ deutlich Armin Laschet aufgefordert, jetzt mehr oder weniger die Chance zu ergreifen, beziehungsweise den Anspruch auf den Parteivorsitz zu erheben. Sehen Sie das auch so?
Dreßler: Wissen Sie, ich stehe staunend und lausche, dass ein Vizepräsident des Deutschen Bundestages, der der SPD angehört, sich öffentlich anheischig macht, der anderen Partei ihren Vorsitzenden zu empfehlen. Ich kann nur den Kopf schütteln über so ein Verhalten.
Sawicki: Steht ihm das nicht zu?
Dreßler: Das steht ihm erstens nicht zu und zweitens macht es die Situation in der SPD noch lächerlicher, als sie sowieso schon ist.
Dreßler: Die SPD sollte aus der Großen Koalition herausgehen
Sawicki: Was sollte die SPD jetzt tun?
Dreßler: Die SPD sollte aus der Großen Koalition rausgehen und dort auch dafür zu sorgen, dass innerhalb der gesamten politischen Konstellation eine schnellste Neufindung der politischen Mehrheiten gewährleistet werden kann.
Sawicki: Ist die SPD überhaupt dafür innerlich aufgestellt? Sie haben ja schon angedeutet: Die Spaltung ist dort immer noch vorhanden.
Dreßler: Wenn das das Kriterium ist, dass eine CDU, die ihre Werte sucht, und eine SPD, die noch nicht führungsvoll ist, diesen lahmen Große-Koalition-Weg weitergehen soll, dann gefährden sie die Stabilität der deutschen Demokratie, und die ist wichtiger als die augenblickliche Schwäche der beiden großen Koalitionsparteien.
Sawicki: Aber das heißt, die SPD sollte jetzt raus, oder erst mal abwarten, wer den Vorsitz in der CDU demnächst übernimmt?
Dreßler: Wenn die SPD darauf wartet, kann es ja Weihnachten werden. Ich finde, sie müsste den Weg jetzt freimachen, dass der neue Weg gehen soll und das Volk über die Situation in unserer parlamentarischen Demokratie neu entscheidet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.