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Angela Merkel bei der Basis

Die Bundeskanzlerin beschäftigte sich beim Bremer CDU-Neujahrempfang eher oberflächlich mit Grundwerten wie gerechter Entlohnung. Vertiefungen bestimmter Themen vermied sie. Auch mit Kritik am Koalitionspartner FDP hielt sich Angela Merkel zurück.

Von Franziska Rattei |
    Hätte es nicht jeder einzelne der 3000 Anwesenden besser gewusst – der CDU-Neujahrsempfang im Bremer Parkhotel hätte auch einem Popstar gelten können. Seit dem Sommer stand der Termin mit der Kanzlerin, der Rita Mohr-Lüllmann, der früheren CDU-Landesvorsitzenden, zusätzliche Kraft für ihre Bundestagskandidatur hätte verleihen sollen. Dieser Anlass ist hinfällig, Mohr-Lüllmann ist im November nach internen Partei-Querelen zurückgetreten. Aber der Termin blieb, und Motivation hat die CDU in Bremen auch jetzt noch nötig, sagt einer der ankommenden Gäste: Hartmut Perschau, stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Bremen und unter Henning Scherf Senator und stellvertretender Bürgermeister der Stadt.

    "Wenn man in der Opposition ist, dann hilft ein bisschen Unterstützung immer. Und wir haben jetzt die Bundestagswahl vor uns liegen, und für uns ist es in Bremen auch wichtig, dass die Bremer CDU einen Schub bekommt, und mit diesem Schub ihren Beitrag leisten kann, diese Wahlen zu gewinnen."

    Angela Merkel macht einen gelösten Eindruck an diesem Abend. Während Jörg Kastendieck, CDU-Landeschef, die Kanzlerin begrüßt, steht sie an einem Bistrotischchen auf der Bühne, macht sich Notizen und flüstert ab und zu mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann, dem Ehrenvorsitzenden der CDU Bremen. Sie hört Kastendieck nur mit halbem Ohr zu, aber wenn der saunawarme Saal klatscht, klatscht sie auch.

    Kastendieck:

    "Dieser Bürgermeister wird seiner Verantwortung und seiner Aufgabe nicht gerecht."

    Und nachdem Angela Merkel ans Rednerpult gekommen ist – rostbrauner Blazer, Bernsteinkette – und den ersten Ölsardinen-Witz über die gequetschten, schwitzenden Zuhörer gemacht hat, ist der Funke schon übergesprungen.

    "Manche können mich sehen, sich aber nicht bewegen. Manche können sich bewegen, mich aber vielleicht nicht sehen. Ich freue mich, dass Sie alle da sind."

    Die Bundeskanzlerin spricht ohne abzulesen. Weil sie die CDU-Mitglieder, ihre Fans, ohnehin nicht mehr überzeugen muss, spart sie sich Zahlen und Komplexes. Stattdessen lässt sie ihr Publikum an ihren Gedanken teilhaben.

    "Und damit bin ich bei meinem Thema: Wenn wir unseren Wohlstand behalten wollen, wenn wir auch in 10, 20, 30, 40 Jahren mit unseren Kindern und Enkeln uns vorstellen wollen, dass die dann auch auf dem Niveau wie wir oder besser leben, dann ist essenziell, dann ist absolut lebenswichtig, dass wir immer bei denen dabei sind, die neue Gedanken haben, die neue Ideen haben, die neue Produkte haben und die wetteifern können mit anderen auf der Welt, die sich natürlich auch Gedanken machen."

    Sie beschäftigte sich vielmehr mit Grundwerten und warum es gut so ist, wie es ist. Indem sie viele Themen streifte, war für jede und jeden etwas dabei. Mit Kritik am Koalitionspartner FDP hielt sie sich zurück. Lediglich beim Thema Mindestlohn ein kleiner Seitenhieb:

    "Wir wollen auch Lohnuntergrenzen vereinbaren. Es kann nicht sein, dass im Tourismus – ich kenn' das von meiner Insel Rügen – ganz selbstverständlich dann die Leute im Gastronomiegewerbe dann am Ende des Monats nicht so viel haben, dass sie davon leben können und müssen zum Arbeitsamt gehen. Da, glaube ich, müssen wir uns nicht miteinander unterhalten, das muss ich eher auf einer FDP-Veranstaltung sagen."

    Und auch die Schelte für die Opposition beschränkte sich auf ein paar Bemerkungen, etwa zum Thema Berliner Flughafen oder Stuttgart 21. Angela Merkel setzte an diesem Abend auf Sympathie und Harmonie und kam damit sehr gut an, auch bei Heinz-Alfred Bortmann, seit 20 Jahren CDU-Mitglied in Bremen-Nord:

    "Das hat man heute Abend wieder sehr deutlich gemerkt, dass sie so bürgernah und so menschlich und so familiär und so fraulich denkt. Das fand ich ganz fantastisch."

    "Ihr Mutterwitz kam endlich mal durch. Das ist ja das, was die Menschen sonst immer vermuten: eine staubtrockene Frau, Physikerin halt. Und heute hat sie mal gezeigt, da ist ein Mensch dahinter. Und das hat sie super gemacht."

    Sandra Ahrens, CDU-Bürgerschaftsabgeordnete. Auch die Frau neben ihr ist begeistert. Tamina Kreyenhop, Vorsitzende des Landesfachausschusses "Zukunft unserer Kinder", nennt die Bundeskanzlerin "zukunftsweisend". Ihr gefällt, dass Merkel den Frauen Entscheidungen zutraut: zu Hause bleiben mit Betreuungsgeld oder Kita beziehungsweise Tagesmutter. Eine schwarz-gelbe Zukunft nach der Bundestagswahl aber sieht sie nicht.

    "Die FDP muss selber sehen, wie sie ihre Richtung findet; die ja im Moment keiner findet."

    Hans-Georg Gerling, Stadtbezirksvorsitzender aus Bremen-Huchting:

    "So wie es im Moment aussieht, sehe ich wenig Chancen. Weil ja auch die Umfragen entsprechend sind. Im Grunde genommen ist es so, dass man an die große Koalition denken muss in Deutschland, wenn man was weiter bewegen will. Mit einer Koalition mit der FDP, das sieht man ja jetzt auch schon wieder, wird es nicht gelingen."

    Angela Merkel wird auf jeden Fall wiedergewählt - daran zweifelt hier keiner. Die für die CDU enttäuschend verlaufenden Landtagswahlen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg schrecken die Fans der Bundeskanzlerin nicht. Und so kann sie gehen, wie sie gekommen ist: als Star in einer jubelnden und klatschenden Menschenmasse.