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Angelika Kauffmann

"Sie ist eine treffliche, zarte, kluge, gute Frau, meine beste Bekanntschaft hier in Rom", so Johann Wolfgang von Goethe an Charlotte von Stein. "Er rühmt sie sehr, sowohl von Seiten ihrer Kunst als ihres Herzens. Er scheint sehr in diesem Hause gelebt zu haben und die Trennung davon mit Wehmut zu fühlen", so Friedrich Schiller über Goethe. "Es ist war, ich bin mit meinem Geiste so nahe bei Ihnen wie mein eigener Schatten", noch einmal Johann Wolfgang von Goethe.

Simone Hamm |
    "Diese zarte Seele, diese liebe Madonna ist vielleicht die kultivierteste Frau in Europa." Gottfried Herder an seine Frau Karoline. "Diese Frau ist eine so schöne Seele, wie es wenige gibt und durch die Liebe zu ihr, wird man, glaube ich, selbst besser." Louise von Göchhausen, Hofdame Anna Amalias. "Nimm, wenn Du willst, meine Seele und mein Gesicht - doch laß meine Seele in Ruh’", so der offensichtlich sehr in Unruhe geratene, damals berühmte englische Schauspieler David Garrick. "The whole world is angelica mad", so der dänische Botschafter Schönborn in einem Brief an Klopstock.

    Die zarte Seele, die kluge Gesprächsparterin, die, nach der alle Welt verrückt ist, ist die Malerin Angelika Kauffmann. Angelika Kauffmann, Zeitgenossin Mozarts und Goethes wird in Europa gefeiert wie keine andere Künstlerin. Mit zwölf hatte sie ihr erstes Selbstportrait gemalt, mit sechzehn half sie ihrem Vater beim Ausmalen der katholischen Kirche im Vorarlberger Schwarzenwald, schuf 13 Apostelfresken. Als junge Frau reiste sie mit ihrem Vater nach Italien, ging nach London.

    Sie arbeitete unermüdlich, jeder, der es sich leisten konnte, wollte von ihr gemalt werden, sie historisierte und allegorisierte ihre Portraits. Sie wandte sich der damaligen Königskunst zu, der Historienmalerei. Künstlerisch war sie auf der Höhe der Zeit, anerkannt, beliebt, ihre Bilder begehrt. Die sie als Frau begehrten, hat sie wohl abgewiesen und der, den sie schließlich erhörte und heiratete, war ein Hochstapler und Bigamist, an ihrem Geld weit mehr interessiert als an ihrer Liebe. Sie floh in eine zweite Ehe, ging mit ihrem Mann zurück nach Rom, war der Mittelpunkt der Künstlerszene.

    Es gab wenige Malerinnen im 18. Jahrhundert, die so berühmt waren, keine, deren Werk sich bis heute so großer Beliebtheit erfreut. Gerade ist in Düsseldorf eine umfangreiche Werkschau eröffnet worden, gerade der umfangreiche Katalog, herausgegeben und bearbeitet von Bettina Baumgärtel, erschienen. Reichlich Stoff für Dramen und Romane habe das Leben der Angelika Kauffmann geboten, die vielen ihr nachgesagten Liebschaften, die unglückliche Ehe mit einem Heiratsschwindler, schreibt Bettina Baumgärtel. Das verstelle den Blick auf die Künstlerin. Aus Angst, Privates könne zu sehr in den Vordergrund treten, könne der Kunst der Kaufmann Abbruch tun, hält sie sich mit Details aus dem Leben und Liebesleben der Kauffmann sehr zurück, kolporiert keine Gerüchte, gibt kaum mehr Preis als die nackten Fakten der beiden Ehen. Reduziert auf ihre Schaffenskraft aber bleibt Angelika Kauffmann, deren Leben doch spannend und ungewöhnlich war, seltsam blutleer. Man hätte gern mehr über den Menschen Angelika Kauffmann erfahren. Schade, daß die eher persönlich-psychologischen Aspekte im Leben dieser großen Malerin bei dem streng wissenschaftlichen Anspruch der Herausgeberin zu kurz kommen.

    Auch die gerade erschienene Biographie Siegfried Obermeiers hilft da nicht weiter. Geschwätzig, altväterlich kommt Obermeier daher, in einem Stil, der einem Lore Roman angemessen sein mag, nicht aber dem Leben der Angelika Kaufmann. Im rein kunsthistorischen Werk "Retrospektive Angelika Kaufmann" gibt es Aufsätze, die die Zeit, in der sie lebte und wirkte, auferstehen lassen: den Sensibilitätskult des 18. Jahrhunderts, den Weimarer Kreis um Goethe und Herder, die Bildungsreisen nach Rom in der Mitte des 18. Jahrhunderts.

    Es gibt Ausfsätze über die Entstehungsgeschichte einzelner Bilder und Fresken, des Bildnisses Ludwigs I. von Bayern, des Deckengemäldes für die Royal Academie. Der Markt für die Druckgrafik des 18. Jahrhunderts wird beschrieben, denn Angelika Kauffmann war nicht nur eine große Künstlerin, sondern auch sehr geschäftstüchtig. Druckgrafiken ließen sich leichter verkaufen als Historiengemälde in Öl. Sie war sich nicht zu schade, in einer Londoner Zeitung von 1774 zu annoncieren, daß man zwanzig von Angelika Kauffmann entworfene und gestochene Radierungen zum Preis von je einer Guinee in ihrem Haus am Golden Square kaufen könne.

    Angelika Kauffmann liebte Freundschaftsbilder. Ein Portrait eines Freundes zu malen war für sie, die ihre Freundschaften geradezu kultisch zelebrierte, ein Beweis größter Zuneigung. Sie verzauberte Goethe und schuf ein berühmtes Portrait. Darauf war er war kein Held wie bei Tischbein, sondern ein träumerischer Junge mit großen Augen, ein Werther eher denn ein Goethe. Das Bild war überaus schmeichelhaft und dennoch gefiel es Goethe ganz und gar nicht, dieses Gemälde das zum Inbild des empfindsamen Portraits überhaupt werden sollte. "Mal- und maltechnische Untersuchungen zu einigen Werken Angelika Kauffmanns" ist ein Aufsatz überschrieben, ein anderer widmet sich ihren Haremsbildern und trägt den Titel "Häuslichkeit und Erotik". Zwar hat Angelika Kauffmann nur ein gutes Dutzend "türkische Bilder" gemalt, junge Damen in fließenden Gewändern, sehnsüchtig das Bild eines Liebhabers betrachtend, doch diese Bilder seien ungeheuer wichtig, denn sie habe, so Victoria Schmidt Linsenhoff in ihrem Beitrag, die Türkenmode ausgenutzt, um geschickt Kritik an der Geschlechterkonstruktion ihrer Zeit zu üben. Sie integriere weibliche Erotik in das Tugendideal der Häuslichkeit und machte sie so überhaupt erst darstellbar.

    Die Rolle einer malenden Frau ist das zentrale Thema beinahe aller Essays. Bettina Baumgärtel kritisiert, daß Angelika Kauffmanns Werke nur selten als Ergebnis künstlerischer Konzeption ernst genommen, sondern meist als emotionsgeladenes, instinktives Spiel ihrer weiblichen Natur gesehen wurden. Das soll durch ihr Buch anders werden.

    Interessante Gedanken sind da zu lesen, denen man leider allzu oft nicht so ohne weiteres folgen kann. Zu verquast, zu theorielastig ist der Text. So hat man die Chance vertan, Angelika Kauffmann auch einem größeren Publikum vorzustellen. Wer sich trotzdem durch den Katalog arbeitet - und es ist Arbeit -, wird belohnt werden. Wer aufgibt, der kann mit Verständnis rechnen. Sehenswert aber sind allemal die Abbildungen, lesenswert ihre Beschreibungen, die Geschichte ihrer Entstehung. Sie könnten dazu beitragen, das Interesse an der Malerin aus dem 18. Jahrhundert zu wecken.