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Angenehme 20 Grad im Auto

Heute fahren die meisten Autos in der Hitze mit geschlossenen Fenstern: Die Klimaanlage macht's möglich. Doch die Kühlmittel, mit denen sie betrieben wird, sind umstritten. Heute Morgen gingen die Berliner Verkehrsbetriebe mit sieben neuen Bussen vor die Presse, deren Klimaanlagen mit CO2 - also Kohlendioxid - betrieben werden.

Von Dieter Nürnberger | 02.07.2010
    Die heutige Inbetriebnahme von sieben Bussen mit umweltfreundlicher Klimatechnik ist für die verantwortlichen Berliner Verkehrsbetriebe ein Grund zu feiern. Die BVG sei damit nämlich auch international ein Vorreiter. Gleichzeitig werden aber anlässlich dieser Inbetriebnahme auch alte Fronten wieder erkennbar. Denn auch auf dem Automobilmarkt muss wegen künftig geltender Obergrenzen in Europa ein neues Kältemittel für die Klimaanlagen eingeführt werden. Umweltgruppen und auch das Umweltbundesamt in Dessau haben sich stets für CO2 als Kühlmittel eingesetzt. Dies sei die umweltfreundlichste Lösung auf den Märkten, der Verband der Automobilindustrie VDA bevorzugt weiterhin ein chemisches Kältemittel, was aber eine deutliche bessere Umweltbilanz habe als das bisher verwendete Mittel. Jochen Flasbarth, der Präsident des Umweltbundesamtes:

    "Ab 2011 müssen neue Pkw-Typen mit einer umweltfreundlicheren Kühltechnik ausgestattet sein. Dafür gibt es Grenzwerte. Der VDA erklärt, dass diese Grenzwerte auch mit der von ihm favorisierten Lösung eingehalten werden können. Die CO2-Kühlung ist noch mal deutlich umweltfreundlicher, deshalb favorisieren das Umweltbundesamt und auch das Bundesumweltministerium diese Technik! Es ist somit bedauerlich, dass nicht die beste Technik eingesetzt wird, am Ende ist entscheidend, dass die europäischen Vorgaben eingehalten werden."

    Und diese europäischen Vorgaben würden auf jeden Fall eingehalten, erklärt der VDA als Dachverband der deutschen Automobilhersteller. Hans-Georg Frischkorn ist Geschäftsführer des Verbandes. Auch mit dem neuen chemischen Kältemittel werde die Umwelt geschont.

    "Das bisherige Kältemittel R-134a hat einen sogenannten Global-Warming-Potenzial-Faktor von 1430. Eine enorm große Zahl. Die Gesetzeslage verlangt nun nach Mitteln mit einem GWP-Wert von weniger als 150. Beide diskutierten Kältemittel - CO2 und auch R-1234yf - liegen deutlich darunter, beim Wert eins beziehungsweise vier.".

    Das von den Autoherstellern favorisierte chemische Produkt komme somit sehr nah an die guten Werte von CO2 heran, sagt der VDA und verweist darauf, dass auch andere internationale Hersteller diese chemische Alternative bevorzugen, sozusagen also, die zweitbeste Lösung favorisieren. Jochen Flasbarth vom Umweltbundesamt.

    "Ich halte es angesichts der Klimabilanz nicht für ausgeschlossen, dass die europäischen Vorgaben weiter verschärft werden. Deshalb sollte genau überlegt werden, ob man First-best-Lösungen einfach verstreichen lässt."

    Es gibt zudem weitere Kritik an dieser chemischen Alternative. Die Deutsche Umwelthilfe beispielsweise macht in diesem Zusammenhang auch auf mögliche Sicherheitsprobleme aufmerksam. Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der DUH, sieht Risiken im Falle eines Autobrandes. Vom Verband der Automobilindustrie ist er enttäuscht:

    "Im Jahr 2007 hat der VDA versprochen, dass neue Pkw ausschließlich mit natürlichen Kältemitteln betrieben werden sollen. Jetzt setzt der VDA auf eine chemische Alternative. Der Nachteil dieses Stoffes ist, dass er im Brandfall Fluorwasserstoff erzeugt - und daraus wird Flusssäure, eines der gefährlichsten Gifte. Deswegen halten wir die VDA-Entscheidung für schlimm."

    Diese Sicherheitsbedenken beim chemischen Kühlmittel R-1234yf werden vom VDA nicht geteilt. Es habe umfangreiche Sicherheitsprüfungen gegeben, im Alltag gingen keine Risiken von diesem speziellen Chemiegemisch in der Kältetechnik aus. Hans-Georg Frischkorn.

    "Es ist richtig, rein theoretisch - im Chemielabor - kann Flusssäure entstehen. Wir haben intensiv alle realen Unfallszenarien, wir reden hier über Unfallszenarien, nicht über den normalen Betrieb, betrachtet. Wir sind zur Überzeugung gelangt, dass hier kein Risiko besteht."

    Auch das Umweltbundesamt hat bei Materialprüfern dieses mögliche Risiko untersuchen lassen. UBA-Chef Flasbarth fasst die bisherigen Ergebnisse wie folgt zusammen.

    "Es wurde auf die Gefahren hingewiesen, auch darauf, dass hier noch Probleme zu lösen sind. Es gibt weitere Studien, die sind noch nicht abgeschlossen. Letztendlich ist dies aber Produzentenverantwortung."

    Der Streit um das richtige Kältemittel der Zukunft geht also weiter. Auf jeden Fall aber gehören jene Kältemittel mit einer sehr schlechten Umweltbilanz ab 2011 der Vergangenheit an. Zumindest bei Neuwagen, die zum Verkauf stehen.