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Angetrunken in der Notaufnahme

Medizin. - Alkohol am Steuer ist gefährlich. Das ist unumstritten und lange bekannt. Alkohol im Blut verlangsamt das Reaktionsvermögen und lässt die Fahrer Situationen falsch einschätzen. Deshalb ist ein großer Teil der Opfer von Kraftfahrzeugunfällen, wie sie täglich in den Notfallstationen der Krankenhäuser versorgt werden, alkoholisiert. Doch hier, im Krankenhaus, endet das Wissen um die Auswirkungen des Alkohols bei den üblichen Notfallmaßnahmen. Mediziner aus dem US-Bundesstaat Louisiana wollen das ändern und ihren Kollegen in Zukunft Regeln für die Versorgung alkoholisierter Schwerverletzter an die Hand geben.

    In den USA sind inzwischen rund 40 Prozent der Opfer von Autounfällen, die in den Notaufnahmestationen landen, alkoholisiert. Doch die Notfallärzte bemerken häufig gar nicht, dass ihre Patienten angetrunken sind, und selbst wenn, sie wissen nicht, wie sie reagieren müssen. Fast nichts ist darüber bekannt, wie sich Alkohol auf die Physiologie von Schwerverletzten auswirkt. Mediziner der Louisiana State University haben daher näher untersucht, was im Körper eines angetrunkenen Unfallopfers passiert.

    Patricia Molina hat ein einfaches Experiment begonnen: Sie verabreichte Laborratten eine Alkoholmenge, die der von fünf Drinks beim Menschen entspricht. Dann untersuchte sie, wie die Tiere mit Blutverlust und den entsprechenden Rettungsmaßnahmen umgehen können. "Der Blutdruck fällt nach Alkoholkonsum selbst bei geringeren Blutverlusten stärker als normal. Und wenn man dann Flüssigkeiten zuführt, was ein Notfallhelfer als erstes tun würde, steigt der Blutdruck nur mit Verzögerung und auch schwächer als sonst an. Es dauert also länger bis man den Blutdruck normalisiert hat."

    Auf der Suche nach der Ursache für die langsameren Reaktionen fanden Molina und ihre Kollegen, dass die Regulierung des Blutdrucks durch die Hormone Epinephrin, Catecholamin und Vasopressin und deren Gegenspieler unter Alkoholeinwirkung um 50 Prozent schwächer war als bei nicht-alkoholisierten Tieren. "Das erklärt, warum dem Blutverlust nicht adäquat entgegengewirkt wird. Noch wissen die Mediziner nicht, ob der Alkohol nur die Ausschüttung der blutdrucksteigernden Hormone blockiert, oder ob er auch die Reaktion des Köpers auf die Hormone bremst. Doch schon jetzt ist klar, dass sich die Notfallärzte auf die verlangsamten Mechanismen einstellen müssen. Molina: Möglicherweise braucht ein betrunkenes Opfer mehr Flüssigkeit und blutdrucksteigernde Medikamente, damit der Blutfluss zu Gehirn und Nieren, den beiden am meisten gefährdeten Organen wiederhergestellt wird."

    [Quelle: Grit Kienzlen]