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Angriff aus der Nische

Das schlechte Image der Energieversorger lässt Stromkunden zunehmend zu Ökostrom-Angeboten wechseln. Doch noch ist der so genannte grüne Strom ein Nischenangebot, wie die Fachzeitung "Energie und Management" in einer Umfrage unter 168 Energieversorgern und Ökostrom-Anbietern herausgefunden hat.

    Es ist auf jeden Fall die bisher umfangreichste Erhebung des Ökostromsegments in Deutschland. Und die Tendenz zeigt eindeutig nach oben, obwohl man natürlich auch sagen muss, von den Marktanteilen her betrachtet ist dieser Markt noch eine Nische, aber eine Nische, die derzeit wächst. Die Daten wurden von der Fachzeitschrift "Energie und Management" erhoben, und Ralf Köpke präsentierte die Rahmendaten des Ökostrommarktes.

    "Es gab Ende 2005 rund 625.000 Privatkunden, die ein Ökostrom-Produkt beziehen und rund 42.500 Gewerbekunden - keine großen Stromabnehmer, eher kleine, sozusagen vom Buchladen bis zur Drogerie. Der Gesamtabsatz dieser beiden Verbrauchergruppen beträgt 3,6 Milliarden Kilowattstunden. Der deutsche Gesamt-Strommarkt hat ein Volumen von ungefähr 500 Milliarden Kilowattstunden."

    Und anhand des Vergleichs zum Gesamtmarkt sieht man dann diese besagte Nische. Denn der Marktanteil liegt aufgerundet bei lediglich einem Prozent. Man sei kontinuierlich auf dem Vormarsch, hieß es heute in Berlin, aber mit noch recht unspektakulären Zahlen. Aber schaut man auf einzelne Segmente, dann sieht man ein deutliches Plus. Es gibt beispielsweise derzeit 75 Stadtwerke, die Ökostrom anbieten, zusammengeschlossen in der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserversorgung. Kommunale Unternehmen also, die sogar einen Aufpreis zahlen, um energiepolitisch ein Zeichen zu setzen, sagt die Geschäftsführerin Vera Litzka.

    "Dieser Aufpreis geht dann in Anlagen von erneuerbaren Energien. Inzwischen haben wir über 510 Anlagen damit finanziert. Wir merken bei den Stadtwerken schon, dass die Kunden wechseln, allerdings eher in den Tarifen, das ist aber kein Anbieterwechsel. Und der Trend hierbei geht auch zu grünen Tarifen. Ob aber der Maßstab wirklich eine Wechselquote ist, da bin ich nicht sicher, denn man wechselt ja auch nicht ständig die Versicherung, obwohl man damit eigentlich zufrieden ist."

    Und damit ist natürlich auch ein Problem der Anbieter grünen Stroms angesprochen. Für eine flächendeckende Werbung fehlt oft das Geld, und die Überzeugungsarbeit ist recht schwierig. Es hat in Deutschland beispielsweise ja auch einige Jahre gedauert, bis der Telekommunikationsmarkt so richtig in Bewegung kam. Allerdings widersprechen die Anbieter der weit verbreiteten Meinung, dass grüner Strom per se teurer sein müsse als der aus Atomkraft oder Kohle gewonnene. Man sei nicht selten auf gleichem Preisniveau oder sogar günstiger. Ein Appell an die Verbraucher also, sich durchaus einmal die Mühe zu machen, zu vergleichen und auch nachzurechnen. Es ist ein langer, ein schwieriger Weg, diesen Markt aufzubrechen, sagt Gero Lücking vom größten Anbieter grünen Stroms in Deutschland, von "Lichtblick".

    "Das ist genau der Punkt, wenn die Leute wechseln, dann bestimmt auch die Nachfrage das Angebot. Das ist ein Effekt, den wir auch hervorrufen wollen. Man muss sich aber auch klar machen, dass wir es mit einem Markt zu tun haben, der jahrzehntelang monopolistisch geprägt war. Die Kunden konnten nicht wechseln, die Unternehmen haben das getan, was sie wollten, haben sich um die Verbrauchermeinung nicht kümmern müssen. Und unser Angebot, ausschließlich umweltfreundlichen Strom anzubieten, wird dazu führen, dass die Nachfrage auch das Angebot bestimmt."

    Und die Umweltverbände versprechen sich natürlich gerade vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung um eine mögliche Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland Zuspruch für diese grünen Angebote. Den großen Energiekonzernen wirft man Wortbruch vor, schließlich haben diese den Atomstieg zusammen mit der Bundesregierung unterschrieben. Deshalb auch die gegenwärtige Kampagne "Ausstieg selber machen". Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe:

    "Der erste Anspruch ist, den Druck zu erhöhen und somit Atomstrom in der Tendenz unverkäuflich zu machen. Und das Zweite: dadurch die Energiewende zu beschleunigen."

    Wer also gegen eine weitere Nutzung der Atomkraft in Deutschland sei, der könne zu einem grünen Anbieter von Strom wechseln - das ist die Botschaft der Ökoverbände. Und man hofft, dass dadurch diese zitierte Nische auf dem Markt künftig weiterhin wachsen wird.