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Angriff der Killerminze

Biologie. - Pflanzen sind wahre Überlebenskünstler, wenn es darum geht, sich vor Insekten zu schützen. Viele Kräuter können ein ganzes Arsenal an Chemikalien auffahren, wenn Schädlinge an ihren Blättern knabbern wollen. Sie verderben so ihren Feinden den Appetit oder locken die Feinde ihrer Feinde an. Biologen aus Kanada möchten die natürlichen Waffen der Pflanzen nutzen, um daraus neuartige Insektizide zu entwickeln.

Von Arndt Reuning |
    Rosmarin, Thymian, Gewürznelke und Minze. Diese Gewürze können nicht nur einer Mahlzeit den letzten Pfiff geben, sondern auch die chemische Grundlage für eine neue Generation von Pflanzenschutzmitteln liefern. Denn sie alle enthalten ätherische Öle, die in hohen Konzentrationen eine besondere Wirkung auf Insekten entfalten. Vor rund zehn Jahren hatte der Käferkundler Murray Isman damit begonnen, im Auftrag einer Firma aus der Schädlingsbekämpfungsbranche solche und ähnliche Substanzen genauer unter die Lupe zu nehmen:

    "Dabei haben wir entdeckt, dass eine gewisse Anzahl davon tatsächlich Insekten vernichtet. Manche davon haben sie auch einfach nur vertrieben. Aber mich hat es doch sehr überrascht, dass das überhaupt so gut funktioniert hat. Ehrlich gesagt: Am Anfang dachte ich, das sei bloß Quacksalberei. Oder eine Verunreinigung mit DDT oder so. Aber dann haben wir nicht nur die ätherischen Öle gekauft, sondern auch einige der Bestandteile daraus. Und wir haben gesehen, dass sie tatsächlich biologisch gegen Insekten und andere Organismen wirksam sind."

    An der University of British Columbia in Vancouver hat sich der Forscher dann mit dem Mechanismus beschäftigt, über den die ätherischen Öle die Insekten töten. Kakerlaken zum Beispiel fallen manchen Komponenten schon innerhalb weniger Sekunden zum Opfer. Ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Duftstoffe wie ein Nervengift wirken.

    "Sie beeinflussen einen Botenstoff namens Octopamin. Der hat einen beruhigenden Einfluss auf das Nervensystem der Insekten und schützt sie vor Hyperaktivität. Und viele der Chemikalien in den Gewürzölen blockieren eine Andockstelle des Octopamin, sodass die Insekten diese beruhigende Wirkung nicht mehr verspüren. Sie werden hyperaktiv, und im Grunde genommen bricht ihr Nervensystem zusammen."

    Die natürlichen Insektizide haben aber auch Nachteile: Weil die ätherischen Öle leicht flüchtig sind, verduften sie ziemlich schnell - im wahrsten Sinne des Wortes. Murray Isman glaubt, dass bestimmte Hilfsstoffe die Wirksamkeit der aromatischen Substanzen verlängern können.

    "Zugegeben, sie sind bei Weitem nicht so biologisch aktiv wie konventionelle Insektizide. Aber auf der anderen Seite sind sie vergleichsweise harmlos für Menschen. Das ist wirklich wichtig. Zum Beispiel kann man die ätherischen Öle in der Bio-Landwirtschaft einfach über die Pflanzen sprühen und muss sich dann keine Gedanken darüber machen, wer damit in Kontakt kommt. Wo immer es auf die Unversehrtheit von Menschen ankommt, sind das die richtigen Produkte."

    Nicht nur im Pflanzenschutz, sondern auch zur Schädlingsbekämpfung in Großküchen. Prinzipiell ließen sich solche Mittel auch für den Hausgebrauch mit einfachen Methoden selbst herstellen, sagt der Forscher aus Kanada. Allerdings gibt er auch zu bedenken, dass solche Do-it-yourself-Insektizide nicht ganz an die Wirksamkeit der Profi-Produkte heranreichen, welche es mittlerweile schon zu kaufen gibt. Als preiswerte Alternative zu synthetischen Pflanzenschutzmitteln bieten sich die ätherischen Öle gerade in Entwicklungsländern an.

    "Ich hatte ein Projekt mit einer Doktorandin aus Indonesien. Überall in den Tropen gibt es diesen Baum, Guanabana. Die Früchte werden gegessen und zu Saft verarbeitet, aber die bitteren Kerne werden weggeworfen. Aus ihnen lässt sich jedoch ein Insektizid gewinnen. Und diese Doktorandin hat ein sehr primitives Verfahren entwickelt, bei dem sie die Kerne mit etwas Seife und Wasser zermahlen hat. Und dieses Produkt haben wir im Treibhaus erprobt. Einige Schadinsekten konnte es ganz vorzüglich in Schach halten. Meine Doktorandin versucht nun, diese einfache Technologie nach Ostindonesien zu bringen und dort eine dörfliche Industrie aufzubauen, die das Produkt für die Landwirtschaft vor Ort herstellt."

    Entscheidend ist oft die richtige Kombination von ätherischem Öl und Schädling: Gewürznelkenextrakt wirkt hervorragend gegen Ameisen, die Inhaltsstoffe von Thymian und Oregano zum Beispiel gegen bestimmte Raupenarten.