Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Angst trotz Kriminalitätsrückgang
Dresdner Polizei will Sicherheitsgefühl stärken

Obwohl die Zahl der Straftaten in Dresden seit Jahren sinkt, fühlen sich viele Bürger unsicher. Gerade ältere Menschen fühlen sich oft unsicher, etwa im Dunkeln in der Stadt. Die Polizei will nun Orientierung bieten. Unter anderem in Seminaren mit Rollenspielen.

Von Bastian Brandau | 12.03.2019
Eine Frau geht im Licht der Straßenlaternen alleine über eine dunkle Straße
Viele Menschen fühlen sich unsicher ( picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
"Na ja, es gibt sicher so Momente, wo ich sage, ganz wohl fühlt man sich nicht. Und jetzt will ich hier einfach sehen, ob es da Anregungen gibt, wie man sich verhalten kann, oder eben auch Zahlen, Daten, Fakten bekommt."
Die Anzahl der Straftaten in Dresden geht laut Polizeistatistik zurück. Aber natürlich passieren Straftaten, wie in jeder Großstadt. Und auch die Medien berichten regelmäßig über Angriffe oder Überfälle. Wovor konkret also hat dieser Dresdner Angst?
"Dunkle Ecken, wenn da dann Gruppen von Jugendlichen sind, mit Bierflaschen, wo man auch als erwachsener Mann nicht weiß, wie man sich verhalten soll. Wenn die auf Streit aus sind. Das wären so Momente, wo es mir helfen würde, wenn es hier Anregung gibt."
Ein Versammlungsraum im Hauptgebäude der Dresdner Polizei. Die Stuhlreihen füllen sich, überwiegend mit älteren Menschen. Die Frauen sind in der Mehrzahl. "Sicher durch Dresden" ist der Titel der Veranstaltung, zu der sich an diesem Abend knapp hundert Menschen angemeldet haben. Einige kommen mit konkreten Erlebnissen hierher.
"Zum Beispiel in der Bahn, das war vor zwei Jahren, das war ungefähr vor zwei Jahren im Winter, da sitzt man entfernt und wird über Blickkontakt von zwei mittelalten Herrschaften durchaus beäugt und dann steht man an der Tür und dann stehen sie demonstrativ mit auf und stellen sich hinter einen. Wo man sich dann schon überlegt, steige ich dann wirklich aus oder bleibe ich dann lieber sitzen und steige dann mit jemandem anderen aus?"

Vorbereitet sein mit Hilfe von Rollenspiel

Vielen ist aber noch nie etwas passiert. Sie fühlen sich sicher, eigentlich. Aber sie wollen vorbereitet sein, sagen sie – und im Fall der Fälle auch eingreifen können.
Zum Beispiel wenn in der Straßenbahn eine Frau belästigt wird. Ein paar Stuhlreihen sind an diesem Abend die Sitzplätze in den Bahnen. Den Bösewicht spielt ein Polizist in Zivil.
In diesem Fall kommt er in die Bahn, öffnet den Reißverschluss seiner Jacke. Dann setzt er sich einer Freiwilligen gegenüber, kommt ihr bedrohlich nahe. Es gelingt der Frau aufzustehen und wegzugehen.
Die Stimmung ist gut – auch bei diesem ernsten Thema. Die Geste mit dem Reißverschluss habe jeder hier sofort als Drohgeste erkannt, erklärt Jan Wittmann. Der Polizist, kurze graue Haare und die Qualitäten eines Entertainers, lobt die Freiwillige.
"Super reagiert, weil was hat sie gar nicht erst zugelassen?"
Wittmann erläutert, wie wir unbewusst mit dem Körper kommunizieren. Und wie in diesem Fall die Frau gar nicht erst zugelassen habe, dass der Bösewicht in ihren Wohlfühlbereich eindringen konnte.
"Sobald er sich gesetzt hat, hat sie sofort Dominanz gezeigt und ist gegangen. Nachteil daran, was hat sie gemacht? Wenn wir aufstehen, ich übertreibe jetzt mal, bewegen wir uns nach vorn. Das heißt, Sie kommen mit Ihrem Körper in meinen Wohlfühlbereich und zeigen ganz klare Dominanz. Sie ist größer. Sie setzt jetzt eine klare Dominanz aus. Und jetzt macht sie die Dominanz wieder kaputt, in dem sie geht. Moment, was zeigt sie mir? Den Rücken! Rücken heißt, ich ignoriere Dich. Wenn Du mich aber ignorierst, muss ich mehr einsetzen, damit Du mich nicht mehr ignorierst."
Noch besser wäre gewesen: Füße zum Gang, seitlich aufstehen, ohne in den Wohlfühlbereich des Aggressors zu kommen. Dann ein paar Schritte rückwärts vom Angreifer weg, erst dann umdrehen und sich endgültig entfernen. Und auch verbal dürfe man ruhig deutlicher sein, sagt der Polizist Wittmann. Und macht’s vor:
"Gehen Sie weg, fassen Sie mich nicht an."
Zeugen, erklärt Wittmann, hätten die Situation auch entschärfen können – indem man die bedrohte Person einfach angesprochen hätte, als würde man sie kennen.

Tipps helfen im Alltag

Aufmerksam sein, Situationen frühzeitig erkennen, je nach Situation auch deeskalierend eingreifen und die Polizei rufen – all das spielen die beiden Polizisten mit einer Reihe von Freiwilligen durch. Realitätsnah tritt der Polizist in Zivil oder schubst auch mal – diese Szenen sind in der Dresdner Bahn so passiert.
Die Polizisten beantworten Fragen, auch zu Reizgas oder Handalarmen. Große Zufriedenheit auch bei der Studentin Lia Petersen, die vorhin in der Bedrohungssituation einfach aufgestanden ist:
"Prinzipiell bin ich zufrieden mit der Situation, weil ich glaube, ich hätte es schon so gemacht im Alltag. Es ist aber wichtig, die Leute nicht aus dem Blick zu lassen und sich die Schwäche nicht zuzugestehen, Leuten den Rücken zu zeigen und den Leuten dahingehend zu geben, was sie möchten. Das habe ich heute mitgenommen und ich habe auch viele Tipps mitgenommen, wie man korrekt handelt, ohne sich in Gefahr zu bringen."
Geradezu begeistert sind die vielen älteren Besucher.
"Es war hilfreich, es war interessant, also es war perfekt. Das hat einen direkt überrumpelt, so toll war das. Und der hat das ja so was von hervorragend dargestellt und rübergebracht. Einwandfrei, sofort wieder. Und es sind viele Tipps dabei, die man wirklich anwenden kann. Es sind eigentlich Beispiele aus dem Alltag. Wie man dann konkret reagiert, ist eine andere Frage. Aber man ist besser vorbereitet."