Archiv


Angst um Klimaschutz wegen Finanzmarktkrise

In Berlin geht es heute auf gleich zwei Veranstaltungen um den Klimaschutz. So findet zum einen eine Konferenz statt, auf der Teilnehmer aus Entwicklungs- und Industrieländern darüber diskutieren, wie die für den Klimaschutz notwendigen Finanzmittel aufgebracht werden können. Zum anderen äußerten sich heute Umwelt- und Hilfsorganisationen zum Klimaschutz in der globalen Krise.

Von Dieter Nürnberger |
    Dieter Nürnberger in unserem Berliner Studio, befürchten die Umweltverbände, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel wegen der Finanzkrise nun auf die lange Bank geschoben werden könnten?

    Genau das sind die Befürchtungen der Umwelt- und Hilfsorganisationen. Die Bundesregierung reagiere nicht angemessen und nachhaltig auf die Herausforderungen der Wirtschafts- und Finanzkrise, hieß es soeben in Berlin. Die Verbände und Organisationen machen dies auch und vor allem an den Zahlen fest, die zur Bewältigung der Wirtschaftskrise aufgewendet werden sollen. Man selbst habe in der Vergangenheit um jeden Cent für Entwicklungshilfe und für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern feilschen müssen, um nun festzustellen, dass plötzlich sehr viel Geld vorhanden sei, um allein der Wirtschaft zu helfen, sagt beispielsweise Cornelia Füllkrug-Weitzel, sie ist die Direktorin der Hilfsorganisation Brot für die Welt.

    "Jetzt haben wir in kürzester Frist erlebt, dass EU und die USA gemeinsam das 45-fache dessen ausgeben haben, was sie in diesem Jahr für Klimapolitik und Armutsbekämpfung ausgegeben. Eine gigantische Summe, die natürlich auch irgendwo fehlen wird. Denn wenn es angeblich schon immer eine Knappheit bei Finanzmitteln gab, dann müssen wir jetzt befürchten, dass gerade in diesen Bereichen etwas fehlen wird."
    Dabei treffe die Wirtschaftskrise die Entwicklungsländer sehr viel stärker als Deutschland und Europa. Und gerade im Bezug auf den Klimaschutz in diesen Ländern, seien die Industriestaaten auch in der Pflicht, weil sie eben in der Vergangenheit und auch heute noch mit Abstand die größten Treibhausgasverursacher seien. Es gehöre zwar inzwischen unter Politikern zum Konsens, sich auch dazu zu bekennen. Doch wenn es um konkrete Maßnahmen und Finanzierungen von Klimaschutzmaßnahmen vor Ort gehe, dann höre sich dies oft ganz anders an, sagt Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland.

    "Wenn es ans zahlen geht, wird das Geschacher noch größer. Obwohl Instrumente, wie so etwas zu finanzieren ist, durchaus vorhanden sind. Das ist der Emissionshandel, das ist ganz generell die Erkenntnis, dass die Belastung der Atmosphäre nicht länger kostenlos sein darf. Und diejenigen, die viel belasten, auch viel zu zahlen haben. Geld wäre vorhanden, aber gerade jetzt, vor der großen Klimakonferenz in Kopenhagen, bewegt sich nichts. Weil jeder befürchtet, wenn er den ersten Schritt tut, muss er auch am meisten bezahlen."

    Deutschland und Europa, welche ja oft und gern ihre Vorreiterrolle beim Klimaschutz betonen, müssten hier auch finanziell vorbildlich einstehen. Stattdessen werde derzeit doch eher auf die eigene wirtschaftliche Entwicklung gesetzt. Mit fatalen Auswirkungen, beispielsweise in der Agrarpolitik, sagt die Hilfsorganisation Brot für die Welt. Ein Beispiel: die Entscheidung der EU, künftig wieder Agrarsubventionen an die hiesigen Milchbauern zu zahlen. Cornelia Füllkrug-Weitzel.

    "Diese Exportsubventionen haben direkt Auswirkungen auf die Milchproduktion in den Ländern des Südens. Hier wurde jahrzehntelang mit Geldern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gefördert. Da flossen staatliche Steuergelder. Die Molkereien und die zarten Strukturen einer Milchpolitik beispielsweise in Indien oder Bangladesh werden jetzt wieder zerstört, wenn unter dem Weltmarktpreis subventioniertes europäisches Milchpulver dort in die Märkte kommt."

    Deswegen waren diese Organisationen auch gespannt auf die Grundsatzrede der Ministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - ebenfalls heute in Berlin. Diese Rede hatte sich wegen der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin verzögert. Dem Deutschlandfunk liegt aber die schriftliche Fassung vor, und in der Tendenz bekennt sich Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) auch zur Verantwortung der Industrieländer – gerade in Bezug auf den Klimaschutz. Ein erheblicher Teil der Gelder müsse aus öffentlichen Mitteln der Industriestaaten bereitgestellt werden. Und es sei klar, dass dieser Finanzbedarf sehr weit über das gegenwärtige Volumen der Entwicklungsfinanzierung hinausgehen müsse. Auch Wieczorek-Zeul nennt den Emissionshandel mit Verschmutzungsrechten als eine der Hauptfinanzierungsquellen.
    Dies hört man bei den Verbänden natürlich gern, aber man macht auch darauf aufmerksam, dass sehr viel Geld nötig sei. Hubert Weiger, der BUND-Vorsitzende, spricht von einer Summe von rund 900 Milliarden Dollar für Klimaschutzmaßnahmen. Die Zeit dränge, so die Verbände, denn die Auswirkungen des Klimawandels seien inzwischen schon deutlicher als erwartet.