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Angst vor Aldi

Die großen Discounter wie Aldi und Lidl gelten als "Preis-Drücker" gegenüber den Erzeugern. In der Schweiz herrschen in der Hinsicht noch paradiesische Zustände. Jedenfalls aus Sicht der Bauern. Große Supermarkt-Ketten gibt es noch nicht; die Landwirte bekommen mehr Geld für Fleisch, Milch und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse als in Deutschland. Doch nun droht der Sündenfall. Aldi will bis Ende des Jahres beispielsweise die ersten fünf Märkte in der Schweiz eröffnen.

Von Thomas Wagner |
    Erregtes Stimmgewirr im großen Versammlungsraum des Landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbandes Schaffhausen: Die rund 70 Bauern im Raum haben soeben über eine brisante Frage abgestimmt: Darf die Supermarkt-Kette Aldi einen Filiale ausgerechnet auf dem Gelände der Genossenschaft bauen ?

    "Ja die Abstimmung ist bei 73 Anwesenden mit 51 zu 19 Stimmen ausgegangen, also positiv."

    Damit darf Aldi auf Genossenschafts-Grund bauen. Allerdings: Eine ‚Liebesheirat’ ist es nicht, die da zwischen der Schaffhauser Landwirtschaftsgenossenschaft und dem Discounter aus Deutschland ansteht, sondern eher eine Vernunftehe: Die Genossenschaft erhofft sich durch den Aldi-Neubau die Belebung des eigenen Bau- und Agrarmarktes gleich nebenan. Das war aber auch der einzige Grund, der die Mitglieder zur Zustimmung bewegte. Ansonsten ist die Skepsis groß gegenüber den Aldi-Plänen, bis Ende des Jahres die ersten fünf Discount-Märkte in der Schweiz zu eröffnen. Das weiß auch Kurt Müller, Präsident des Landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbandes Schaffhausen:

    "Wir in der Schweiz kennen ja die Discounter aus der deutschen Nachbarschaft. Man betitelt diese Läden als sogenannte Preisdrücker. Und das gibt natürlich bei uns auch eine miese Stimmung."

    Denn bisher erzielen die Schweizer Bauern deutlich höhere Erzeugerpreise als ihre Kollegen in Deutschland. Für Getreide beispielsweise wird in der Schweiz mehr als das Doppelte des deutschen Preisniveaus bezahlt. Kommen erst einmal die deutschen Discounter in die Schweiz, erhöht sich der Druck auf die Erzeugerpreise – das ist nicht die einzige Furcht der Schweizer Bauern. Viele glauben, daß – trotz aller Zollschranken – Aldi schnell das Kunststück fertig bringen wird, die Produkte billig in Deutschland einzukaufen und in die Regale der neuen Schweizer Supermärkte zu stellen:

    "Man hat ja in der Zeitung schon gelesen, daß Aldi Lieferanten hat, die bereit sind, die Schweizer Strafzölle zu bezahlen."

    So ein Schaffhauser Landwirt. Mit Billig-Food ‚made in Germany’ die neuen Schweizer Supermärkte bestücken – diese Idee hat Aldi offiziell dementiert. Dennoch sei, so Erich Landolt als Präsident des Schaffhauser Bauernverbandes, ein gerütteltes Maß an Skepsis angebracht:

    "In der ersten Phase, wo Aldi in der Schweiz operieren wird, da wird er darauf angewiesen sein, daß er Schweizer Agrarprodukte aufkaufen muß, weil er nämlich gewisse Produkte gar nicht aus dem Ausland beziehen kann, weil es zu teuer werde wegen den Zöllen, die darauf sind."

    Das Problem ist nur: Diese Zollschranken zwischen der Schweiz und den EU-Nachbarländern sollen in Zukunft Zug um Zug abgebaut werden:

    "Das wird bei gewissen Produkten sehr schnell gehen. Zum Beispiel bei den Milchprodukten werden bereits im Jahr 2007 die Zölle abgebaut sein. Und dann bin ich persönlich eigentlich davon überzeugt, daß dann Aldi nicht mehr Rücksicht nehmen wird auf die Schweizer Landwirtschaft. "

    Aldi selbst macht sich erst gar nicht die Mühe der Gegenrede. Selbstverständlich wolle man Schweizer Produkte ins Regal stellen, meint Sven Bradke, Sprecher von Aldi Suisse:

    "Wir werden Produkte haben, die wir hier in der Schweiz herstellen. Wir werden selbstverständlich aber auch ausländische Produkte haben. "

    Der Schweizer Aldi-Mann läßt dann auch keinen Zweifel daran, was letztlich die wichtigste Rolle spielt:

    "Wir sind ein Discounter. Und da zählt der Preis."

    Das verunsichert viele Schweizer Landwirte:

    "Unsere Bedenken sind unter anderem natürlich der Preisdruck. Der ist ja jetzt schon extrem. Und der wird ja dann noch schlimmer. Das Hauptproblem sind ja immer Fleisch- und Milchprodukte, Backwaren auch noch. "

    Dennoch breite Zustimmung für den Aldi-Markt auf Genossenschaftsgelände trotz der großen Skepsis gegenüber dem deutschen Discounter – die Schweizer Bauern sehen das pragmatisch. Ferdi Hodel, Sprecher des Landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbandes Schaffhausen:

    "Wissen Sie, wenn Aldi-Schweiz entschieden hat, in Schaffhausen zu bauen, dann werden die in Schaffhausen bauen. Wir haben die ja nicht geholt. Also gibt es da nur noch eine Möglichkeit zu entscheiden: Mit ihnen oder gegen sie. Und wir haben uns für den ersten Weg entschieden, weil wir der Meinung sind, wir können Nutzen daraus ziehen. Unsere Delegierten haben mit dem Kopf entschieden und werden ein komisches Gefühl in der Bauchgegend haben. Und das wird auch so bleiben."