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Angst vor dem Dominoeffekt

Die neuen Finanzhilfen für Griechenland werden auch in Portugal kontrovers diskutiert. Das ist kein Wunder, denn Portugal hat gerade erst im Mai Finanzhilfen in Höhe von 78 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm und vom IWF zugesagt bekommen. Wenn die Finanzmärkte nervös auf Pläne einer Umstrukturierung der griechischen Schulden reagieren, hat das auch negative Auswirkungen auf portugiesische Staatsanleihen.

Von Tilo Wagner | 15.06.2011
    Die neue portugiesische Regierung, die Ende der kommenden Woche ihre Arbeit aufnehmen könnte, muss sich sofort an die Arbeit machen, um das von der EU und dem IWF geforderte Reformprogramm umzusetzen und die Märkte davon zu überzeugen, dass Portugal nicht gleich Griechenland ist.

    In Portugal wächst die Angst, dass die gegenwärtige Diskussion über die griechische Schuldenkrise weitreichende Folgen für das Land haben könnte. Mit Unverständnis reagieren portugiesische Politiker und Analysten auf die unübersichtliche Stimmungslage in Europa. Denn mit jeder neuen Theorie, wie Griechenland aus der Schuldenfalle zu heben sei, verlieren auch die Sparanstrengungen der Portugiesen an Vertrauen auf den internationalen Finanzmärkten. Dabei wird jetzt auch die Kritik an der Bundesregierung immer lauter. Die Europaabgeordnete Ana Gomes von der sozialistischen Partei sagte im portugiesischen Rundfunk:

    "Was zurzeit mit Griechenland passiert, ist Zeichen für das desolate Krisenmanagement der europäischen Führungsstaaten. Das liegt vor allem an Deutschland. Dem Land kommt wegen seiner Wirtschaftsleistung eine zentrale Rolle zu. Doch die deutsche Europapolitik ist unübersichtlich und inkonsequent."

    Hinter dieser Aussage versteckt sich nicht nur die Kritik einer sozialistischen Abgeordneten, die immer wieder im Europaparlament aus rein parteipolitischen Gründen gegen die Regierung Merkel wettert. Dahinter steht auch eine große Portion Frust, der sich in Portugal breitmacht. Das Land bekommt die negativen Folgen der gegenwärtigen Misstrauenskrise im Euroraum zu spüren, obwohl eine Reihe von Faktoren dafür sprechen, dass die Sparbemühungen in Lissabon wesentlich besser greifen als in Athen. Die gerade abgewählte Regierung hat noch im Mai vielversprechende Haushaltszahlen präsentiert. Danach könnte Portugal in diesem Jahr sein Schuldenproblem besser in den Griff bekommen, das heißt, die Defizitobergrenze von 5,6 Prozent erreichen, so wie mit der EU ausgehandelt. Erlaubt sind normalerweise drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Wirtschaftsprofessor und ehemalige Finanzminister Luís Campos e Cunha zieht deshalb eine klare Trennungslinie zwischen den griechischen und den portugiesischen Finanzproblemen:

    "Griechenland hat mit einer Gesamtschuldenlast zu kämpfen, die knapp 160 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Portugal hat Schulden von 93 Prozent des BIP. Das ist zwar sehr viel und mit schwerwiegenden Problemen verbunden. Und dennoch ist die Verschuldung wesentlich geringer als in Griechenland. Mithilfe der Zielvereinbarungen der EU und des IWF und mit einer neuen Regierung dürfte Portugal die Probleme selbstständig lösen können. Das ist in der Vergangenheit schon so passiert und ich bin sehr zuversichtlich, dass es jetzt wieder klappt."

    Die neue Mitte-Rechts-Regierung unter dem künftigen Premierminister Pedro Passos Coelho ist sich der brisanten Situation bewusst. Sie will deshalb so schnell wie möglich eine zusätzliche zentrale Aufsichtsbehörde schaffen, um die Kontrolle über den Haushalt noch effizienter zu gestalten. Zudem plant die neue Regierung, sich noch im Juli von einer Privatbank zu trennen, die im Zuge der Finanzkrise verstaatlicht worden war. Die finanziellen Erblasten der Bank waren im vergangenen Jahr für einen großen Teil der Neuverschuldung verantwortlich gewesen. Passos Coelho hatte nach dem Wahlsieg seiner liberal-konservativen PSD versprochen, dass Portugal die mit der EU und dem IWF vereinbarten Ziele erfüllen werde:

    "Ich werde alles daran setzen, die internationalen Beobachter davon zu überzeugen, dass Portugal in der Zukunft keine Last sein wird. Wir werden alles Notwendige tun, damit Portugal die Finanzhilfen, die für uns so notwendig sind, wieder zurückzahlt. Wir wollen das Vertrauen der Finanzmärkte in Portugal zurückgewinnen."

    Ohne die Finanzhilfen aus Brüssel und Washington wäre auch der portugiesische Staat zahlungsunfähig. Dank des 78 Milliarden schweren Rettungspakets muss Portugal sich nicht mehr auf den internationalen Märkten refinanzieren. Doch Lissabon setzt darauf, den Kontakt zu privaten Investoren nicht abreißen zu lassen. Deshalb werden auch in diesen Tagen immer wieder Staatsanleihen angeboten. Die Zinsen haben jedoch im Zuge der Diskussion um neue Griechenlandhilfen einen fast untragbaren Wert erreicht.

    Portugiesische Analysten warnen davor, eine mögliche Umverteilung der griechischen Schuldenlast anzugehen, ohne die Konsequenzen für Portugal oder Irland mit zu bedenken. Denn dann wären die beiden anderen Euro-Staaten, die von internationalen Finanzhilfen abhängig sind, ein gefundenes Fressen für in Griechenland verprellte Geldspekulanten.