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Angst vor dem Geldabfluss

Die Turbulenzen um den Euro treiben Anlegern Sorgenfalten auf die Stirn. Die Meinungen zum Krisenmanagement der Bundesregierung sind unterschiedlich, doch eine Angst haben alle gemeinsam: dass das deutsche Geld ins Ausland abfließt.

Von Michael Braun | 13.08.2013
    Das Kohlenschiff "Excelsior" hat am Ufer festgemacht. Ein Kran taucht mit einem Rohr in den Schiffsbauch, verschluckt die Kohle, spuckt sie auf ein Förderband. Nebenan: ein Kraftwerk. Auf den ersten Blick hat der Frankfurter Westhafen so gar nichts von Bankenstadt und Hochfinanz. Wären da nicht diese schnieken Neubauten. In einem davon sitzt Thomas Körfgen, Geschäftsführer der SEB Asset Management, eine Vermögensverwaltung.

    "Ja, wir fühlen uns hier extrem wohl. Man hat den Blick auf das Wasser. Man ist nicht genau in der Mitte von Frankfurt, sondern kann noch gemütlich mit dem Fahrrad ins Büro fahren."

    Wirklich was zu meckern über die aktuelle Lage vor der Wahl hat er nicht. Die Aktien stehen hoch, die Kurse der Staatsanleihen auch, Immobilienpreise ziehen an. Die Euro-Rettung, wesentlich auch ein Werk der Bundesregierung, die dreistellige Milliardenbeträge garantiert, die findet der Verwalter großer Vermögen gut:

    "Was wäre die Alternative gewesen? Die Diskussion gibt es den Euro noch oder gibt es ihn nicht mehr, die scheint momentan verschwunden zu sein. Es ist noch kein Jahr her, da war immer wieder diese Diskussion im Gange. Es sieht so aus, als ob wir bisher tatsächlich wieder in etwas ruhigeres Fahrwasser gekommen sind. Bisher sieht es so aus, als ob diese Politik die richtige gewesen wäre."

    Szenenwechsel. In einem Ortsteil von Oberursel öffnet Bernd Schaub seine Garage. Er hat ein Wertpapierdepot. Und mit dem Szenenwechsel zum Kleinanleger ändert sich auch die Lageeinschätzung.

    "Was ist das für ein Gerät?"

    "Das ist ein sogenannter Großroller."

    "Und wohin geht die Reise jetzt gleich?"

    "Ja, in die Werkstatt. Aber nur zur Wartung. Nichts passiert."

    Schaub arbeitet freiberuflich als beratender Mathematiker, löst für seine Kunden individuelle statistische und kaufmännische Probleme bei IT-Anwendungen. Mehr als 30 Jahre macht er das jetzt, immer noch mit Freude. Aber: Er sieht die niedrigen Zinsen, die Inflationsrate, die Steuern und sorgt sich, …

    "… dass das Konzept der Alterssicherung, das ich als Selbstständiger seit 30 Jahren mal begonnen habe, vermutlich nicht aufgeht.."

    "Was ist das, was Sie da bewegt, was Sie unsicher macht?"

    "Unsicher macht mich, dass die Wahrheiten kaum gesagt werden, dass man im Moment auch den Eindruck hat, dass eine Partei, eine neue Partei, die versucht, Wahrheiten unmissverständlich zu sagen …"

    "Sie meinen die AfD?"

    "Die AfD. Genau. … dass die in den üblichen Statistiken, die vor einer Wahl so verbreitet werden, gar nicht mehr auftaucht und dass der Wahlkampf im Prinzip Friede, Freude, Eierkuchen bedeutet und die Realität nach der Wahl kommt. Dass Rechnungen präsentiert werden."

    "Was sind das für Rechnungen, die präsentiert werden?"

    "Ne Konkretisierung der realen Geldflüsse, die von Deutschland in das EU-Ausland gehen. Die Banken betrifft es dann vielleicht weniger. Aber die Lasten trägt ja der Steuerzahler und damit jeder, der Geld hat."

    "Es gibt zwei Parteien, die SPD und die Grünen, die zumindest mit höheren Steuern versuchen, die Haushaltskonsolidierung voranzutreiben und Neuverschuldung zu vermeiden. Wäre das ein Konzept?"

    "Ja, das kann ja glauben, wer will. Ich glaub’s nicht. Die werden auch weiter Schulden machen. Und natürlich trotzdem die Steuern erhöhen."

    Schaub fährt in den Hintertaunus. Die Landschaft gefällt ihm. Da macht es selbst Freude, mit dem Roller in die Werkstatt zu fahren.

    Im Frankfurter Westhafen zeigen die Geräusche eher industrielle Geschäftigkeit an. Einer von vielen Zügen rollt über die Mainbrücke nach Süden. Thomas Körfgen sieht das alles von seinem Büro aus. Sein Fokus gilt aber anderen Dingen: Dem Computer-Monitor, den Kursen, den Charts. Und: der Bundestagswahl. Die Sorge um die Steuerlast, die der Kleinanleger Schaub geäußert hat, die treibt auch den institutionellen Investor um:

    "Finanztransaktionssteuer – bewegt. Vermögenssteuer – bewegt. Da muss man sich tatsächlich die Frage stellen: Wie sinnvoll ist es? Oder ist es ein wesentlich höherer Aufwand überhaupt, diese Steuern zu vereinnahmen? Gehen Gelder aus dem Land hinaus?"

    Dass das Geld aus Deutschland abfließt – diese Sorge eint alle auf dem Finanzmarkt.