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Angst vor dem Genmais

Im Frühjahr wird erstmals in Deutschland gentechnisch veränderter Mais ausgesät, und zwar für kommerzielle Zwecke. Massive Proteste hagelt es nach wie vor von vielen Verbänden, Verbrauchern und Landwirten. Auch in der Stadt Einbeck in Niedersachsen beteiligten sich Gegner der Gentechnik an einem bundesweiten Aktionstag, denn dort sitzt das größte europäische Saatgutunternehmen, die Kleinwanzlebener Saatzucht AG (KWS).

Von Carolin Hoffrogge |
    "Es sind 40 Trecker und zwischen 300 und 500 Personen. Für eine Demonstration ist das ein kleiner Kreis, aber es ist wichtig, das die Leute, die tatsächlich die Suppe auslöffeln sollen, zu den Verursachern vor die Tür ziehen und sagen: 'Ohne uns, das wollen wir nicht.'"

    Mit seinen Berufskollegen ist Biobauer Eberhard Prunzel-Ulrich aus dem 30 Kilometer entfernten Göttingen auf seinem Trecker nach Einbeck getuckert. Seine größte Sorge: beim Anbau mit gentechnisch verändertem Getreide oder Mais auf den Feldern seiner Nachbarn werden durch den Samenflug auch seine Ernten verseucht.

    "Für uns Landwirte aus dem Biobereich, wir haben uns ja verpflichtet ohne die Gentechnik zu arbeiten. Diese Verpflichtung steht auch in dem EU-Recht so drin, das heißt, in dem Augenblick wo unsere Ernte verunreinigt wäre, könnten wir sie nicht mehr absetzen."

    Da nützt es auch nichts, so Prunzel-Ulrich, das der Landwirt, der gentechnisch verändertes Saatgut angebaut hat, haften soll. Denn auch der Geschädigte muss zahlen.
    "Wir müssen im Zweifelsfalle sämtliche Untersuchungskosten für unsere Produkte zahlen, um zu beweisen, das keine Gentechnik drin ist. Von daher kann man nur dagegen sein, sonst wäre es für uns ein Berufsverbot."

    Auf der einen Seite der Straße demonstrieren die südniedersächsischen Bauern vor den Toren der KWS, auf der anderen Seite arbeitet Biologin Simone Neddermann im Labor. Sie züchtet bei der KWS Zuckerrüben und Roggen, aber auch Raps oder Mais. Zusammen mit ihren Kollegen verbessert sie die Eigenschaften der Nutzpflanzen.

    "Man kann verschiedene Gene finden und kann dann dafür Tests entwickeln, wie man diese schnell wiederfindet. Das heißt, wir bekommen von den Zuckerrübenzüchtern die Pflanzen, screenen die durch, ob die das Gen haben oder nicht. Wir können dann sagen, lieber Züchter, von den 1000 Genotypen die du uns geschickt hast, tragen nur 10 das Gen, das du suchst."
    Bisher können die KWS-Mitarbeiter nur Genanalysen machen, das Saatgut also nicht genetisch verändern, zumindest nicht für den deutschen Markt. Schade findet Konzernsprecher Hennig von der Ohe. Denn:

    "Der Vorteil ist, dass die Pflanzen sich selber schützen gegen bestimmte Krankheiten und der Pflanzenschutzmitteleinsatz reduziert werden kann, was schließlich Vorteile natürlich für den Landwirt aber auch für die Umwelt bedeutet."

    Also gibt es keine Pilze mehr im gentechnisch veränderten Getreide, keine Blattläuse mehr auf der manipulierten Zuckerrübe, kein Maiswurzelbohrer frisst mehr am Genmais. Bisher können die Einbecker ihr gentechnisch verändertes Saatgut nur in Nordamerika und Kanada zum Einsatz bringen, denn dort ist es erlaubt. Um mit diesen Ländern auf Weltmarktniveau mitzuhalten investiert die niedersächsische Landesregierung in ein 1,8 Millionen Projekt der KWS, ein Drittel des Geldes, nämlich 600.000 Euro. Damit sollen Kartoffeln, Zuckerrüben und Weizen gentechnisch gegen Krankheiten gefeit werden. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff:

    "Es wird hier auch Saatgut entwickelt für andere Länder, in denen wir wettbewerbsfähig sein wollen zu amerikanischen Anbietern, die auf diesem Feld natürlich sehr viel mehr gemacht haben in den letzten Jahren. Da wollen wir den Rückstand aufholen."

    Mit ihrer Arbeit könnten sie auch das Energieproblem in den Griff bekommen, sagt KWS-Sprecher Henning von der Ohe. Die beste Ausbeute liegt bei Biogas.

    "Wir haben schon Produktentwicklungen vor zwei, drei Jahren aufgenommen. Und 2007 stehen da die ersten Zulassungen an, vor allem bei Mais, so dass dort noch mal ein deutlicher Sprung in der Energieausbeute pro Hektar realisiert werden kann. Muss ich mal nachschauen: Wenn man das mal umrechnet in ein Dieseläquivalent, lässt sich pro Hektar dann aus Biomasse 10.000 Liter Diesel gewinnen."

    Diese Verzehnfachung der Leistung schafft bisher nur der gerade bei der KWS gezüchtete Supermais. Fünf bis Sechs Meter wächst er in die Höhe.

    "Nach oben ist noch viel Platz, von daher ist das natürlich am besten. Das ist ein großes Züchtungsziel, das der Mais eine hohe Standfestigkeit hat und nicht bei dem ersten Herbststurm umkippt."

    Für Biobauer Eberhard Prunzel- Ulrich aus dem Landkreis Göttingen und seine Berufskollegen, die derzeit vor der KWS demonstrieren, ist diese Aussage ein Ammenmärchen.

    "Es wird beim gentechnisch veränderten Mais keine Sorte geben, die diese Versprechen einhält. Ganz im Gegenteil, gerade die KWS hat große Probleme, dass sie die Versprechen, die sie da gegeben hat, nicht einhalten kann. Die Pflanze bringt von der Energieeffizienz nicht das, was versprochen war. Vor allen Dingen man könnte dieselben Ziele auch ganz normal mit konventioneller Züchtung erreichen. Man braucht die Gentechnik gar nicht."