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Angst vor der kontrollierten Medienlandschaft

Vor fast genau einem Jahr überraschte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy die Journalisten mit der Ankündigung, er werde die öffentlich-rechtlichen Medien von Grund auf reformieren. Der erste Teil der Reform wird ab heute wirksam, für viele Franzosen ist das allerdings alles andere als ein Grund zu Freude.

Margit Hillmann berichtet aus Paris | 05.01.2009
    "Wir werden das Reformgesetz nicht zurückziehen"entgegnet Premierministers François Fillon der Opposition während einer lautstarken Parlamentsdebatte Mitte Dezember.

    Sozialisten, Grüne und Kommunisten sind ausnahmslos gegen die Reform der öffentlich-rechtlichen Medien und nutzen die öffentliche Parlamentsdebatte, die der Abstimmung des Reformgesetzes vorausgeht, um ihren Unmut kund zu tun. Der Grünenabgeordnete Noël Mamère etwa wirft den Abgeordneten der Regierungspartei vor, sie würden aus Gründen der Parteidisziplin einem Gesetz zustimmen, wie es das sonst nur in Bananenrepubliken gäbe.

    "Wir sind stolz, dass wir im Parlament gewisse demokratische Grundwerte verteidigen. Und wir haben Mitleid mit Ihnen: einem Haufen armseliger Befehlsempfängern, unter dem Kommando eines Staatspräsidenten, der dabei ist, die öffentlich-rechtlichen Medien zu beseitigen. Sie haben eine historische Verantwortung. Es geht hier um fundamentale Werte einer Demokratie. Sie werden es teuer bezahlen! Sehr viel teurer, als sie glauben!"

    Begriffe wie "Berlusconisierung", Vergleiche mit Nordkorea, Kuba oder Russland beziehen sich auf eine in westlichen Demokratien tatsächlich einzigartige Regelung, die mit Inkrafttreten des Medienreformgesetzes in Frankreich wirksam wird: Künftig wird die Exekutive, - mit anderen Worten: Staatschef Nicolas Sarkozy - die Intendanten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Hörfunks auswählen. Und er bekommt auch das Recht, sie jederzeit wieder zu schassen. Doch was für die einen unvereinbar mit einer modernen, demokratischen Gesellschaft ist - nämlich eine Regierung, die sich per Gesetz einen direkten Zugriff auf die Spitzenposten öffentlich-rechtlicher Medien sichert, ist für Staatspräsident Sarkozy eine "demokratische" Selbstverständlichkeit und nicht mehr als recht und billig. Die öffentlich-rechtlichen Medien seien schließlich Besitz des französischen Staates, begründet er kurzerhand die von ihm gewünschte Regelung.

    "Es gibt nur einen Aktionär, und dieser Aktionär beruft den Intendanten. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum die personelle Besetzung der Unternehmensspitzen bei den öffentlich-rechtlichen Medien nach anderen Regeln erfolgen sollte, als bei anderen französischen Staatsunternehmen, wie dem Stromversorger EDF, der französischen Bahn oder dem Nahverkehrsunternehmen RATP."

    Die Hauptkritik der parlamentarischen Opposition, der Journalistenverbände und Gewerkschaften, richtet sich gegen den Kernpunkt von Sarkozys Medienreform: dem Abschaffen der Werbung aus öffentlich-rechtlichen Fernseh-Programmen. Inzwischen hat sich nämlich gezeigt, dass der französische Staatspräsident Werbung aus den Programmen verbannt, ohne die daraus entstehenden finanziellen Einbußen per Gesetz langfristig und kalkulierbar zu ersetzen. Zwar wurde das Reformtempo mittlerweile gedrosselt - die Fernsehprogramme werden zunächst nur zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens werbefrei laufen, aber 2011 soll die Werbung dann komplett verschwinden. So wird France Télévisions allein in diesem Jahr rund 450 Millionen Euro, ab 2011 mindestens eine Milliarde Euro, etwa ein Drittel ihres heutigen Gesamtbudgets verlieren.

    Kein Grund zur Sorge, beschwichtigt seit Monaten Nicolas Sarkozys Ministerin für Kultur und Kommunikation, Christine Albanel:

    "Den finanziellen Ausgleich für die fehlenden Werbeeinkünfte - zu diesem eindeutigen Engagement stehen wir, und es ist absolut klar, dass wir es einhalten werden."
    Das riesige Loch im Budget von France Télévisions soll mit Steuergeldern gestopft werden: Internet- und Telefonanbieter zahlen künftig Abgaben zur Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen, und auch die Privatsender müssen mit neuen Steuern auf ihre - dank der Reform - steigenden Werbeeinkünfte - dazu beitragen. Doch diese Gelder fließen nicht direkt in die Kassen der öffentlich-rechtlichen Medien, sie gehen ans französische Finanzministerium, also in das Staatssäckel. Wie viel Steuern dann tatsächlich an France Télévision überwiesen werden, darüber entscheidet die Regierung jeweils bei der jährlichen Haushaltsplanung.

    France-Télévisions-Beschäftige halten die Refinanzierung denn auch für politische Augenwischerei: Lauter Versprechen, aber keine garantierte und unabhängige Finanzierung. Jean-François Téaldi , Fernsehjournalist beim öffentlichrechtlichen Sender France 3 und Gewerkschaftssprecher ist überzeugt, dass Sarkozy mit seiner Reform in Wahrheit eine Teilprivatisierung der Öffentlich-Rechtlichen einleiten will.

    "Sarkozy ist ein Lügner. Wir wissen doch alle: mit der versprochen Ausgleichsfinanzierung lässt sich kein leistungsfähiges öffentlich-rechtliches Fernsehen organisieren, das den Ansprüchen der Bürger genügt. Und wir wissen auch, dass die Reform nur auf den Weg gebracht wurde, um die Zukunft des Privatsenders TF1 zu sichern."

    Einen Beigeschmack hat Sarkozys Medienreform zusätzlich: das französische Privatfernsehen ist in der Hand weniger Großindustrieller, wie etwa Martin Bouygues, Arnaud Lagardère oder Vincent Bolloré. Und die sind allesamt enge, persönliche Freunde des französischen Staatspräsidenten.