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Angst vor der Zukunft

Bei Aufschub Geld zurück, so verkürzt könnte man das Versprechen von Griechenlands Premierminister Antonis Samaras zusammenfassen. Bei seinem Besuch in Berlin wird er aber kaum mit Zugeständnissen rechnen können. Auch die Griechen selbst haben das Vertrauen in die Politik verloren.

Von Jerry Sommer | 24.08.2012
    Auf einem der Athener Straßenmärkte verkauft Petros Eier – für 25 Cent das Stück. Er ärgert sich über die neusten Sparpläne seiner Regierung. Petros hat ganz andere Ideen:

    "Die Finanzierung der Parteien müsste eingestellt, den Parlamentariern sollten für zwei, drei Jahre die Gehälter gestrichen werden. Die können auch ohne das Geld leben. Aber stattdessen kürzen sie die Renten!"

    Die Diskussionen über neue Kürzungen verfolgt der Händler aufmerksam. Mindestens elfeinhalb Milliarden Euro sollen gestrichen werden – davon allein fünf Milliarden bei den Renten. Es werde an der falschen Stelle gespart – das glaubt nicht nur Petros.

    Andreas, der an der Ecke eine kleine, einfache Kneipe betreibt, bringt trotzdem Verständnis für die griechischen Politiker auf:

    "Was kann die neue Regierung schon machen? Die Lage ist schwierig. Und die muss doch machen, was die Troika sagt."

    Die Troika, das sind die Kreditgeber von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfond. Deren harten Sparauflagen hatte die vorige Regierung zugestimmt. Jetzt will der neue Regierungschef, der konservative Antonis Samaras, diese Auflagen erst einmal umsetzen. Sonst würden keine weiteren Hilfskredite bewilligt, vermutet die griechische Regierung.

    Allerdings haben die Einsparungen auch negative Folgen. Die griechische Wirtschaft dürfte weiter schrumpfen. Der 29-jährige Kleinunternehmer Dimitris ist sich da sicher. Um die Ecke betreibt er einen kleinen Fahrradladen:

    "Es ist nicht richtig, Löhne und Renten zu kürzen. Dann sinken auch die Umsätze der Geschäfte, weil die Leute kein Geld haben."

    Tatsächlich ist die Wirtschaft wegen der bisherigen Sparmaßnahmen allein im vergangenen Jahr um sieben Prozent geschrumpft. In diesem Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung erneut um sieben bis neun Prozent zurückgehen. Die Folge: sinkende Steuereinnahmen und höhere Sozialausgaben und womöglich wiederum neue Sparmaßnahmen – ein Teufelskreis. Viele Griechen hoffen deshalb, dass die Gläubigerstaaten wie Deutschland einsehen, dass es ihnen nichts nützt, wenn sich Griechenland kaputt spart. Kneipenwirt Andreas setzt deshalb auf die Gespräche von Samaras mit Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Hollande:

    "Sie sollten Griechenland für die Sparmaßnahmen mehr Zeit geben, vielleicht fünf bis sechs Jahre zusätzlich. Damit wir dann wieder auf eigenen Beinen stehen können."

    Dimitri, der Fahrradladenbesitzer, glaubt nicht, dass das allein helfen würde. Wenn Samaras bei Merkel ist, sollte er gleich mehr verlangen:

    "Vielleicht sollte er fordern, dass mehr Euro-Scheine gedruckt werden? Irgend so etwas ist nötig. Die Ungleichgewichte in der Eurozone müssen doch überwunden werden."

    Die stärkste Oppositionspartei, das Linksbündnis SYRIZA, hält eine Streckung der Sparmaßnahmen für unzureichend. Nötig seien ein Schuldenschnitt, gemeinsame europäische Anleihen und Maßnahmen, die Wachstum bringen, so der SYRIZA-Politiker Theodoros Paraskevopoulos:

    "Griechenland muss das Abkommen mit den Gläubigern kündigen und dann ein realistisches Programm ausarbeiten, mit dem ein Aufschwung erreicht und die Schulden zurückgezahlt werden können."

    In der Eckkneipe diskutiert der Wirt mit seinen Gästen über die Zukunft Griechenlands. Er ist sich sicher, dass Griechenland im Euro-Raum bleiben wird.

    "Wir werden den Euro nicht verlieren. Das würde niemandem nützen. Dann löst sich doch Europa auf"."

    Wenn Griechenland zur Drachme zurückkehre, würde es seine Schulden nicht mehr bezahlen. Da hätten die Kreditgeber aus Deutschland und Frankreich doch am meisten zu verlieren, fügt der Wirt hinzu. Einer seiner Gäste sieht das allerdings anders:

    "" Noch vor Weihnachten werden wir die Drachme wieder haben. Aber für die Armen hier ist das ohnehin egal. Die können sich doch schon jetzt keine Medikamente mehr leisten, kein Benzin und keine Bildung."

    So denkt nur eine kleine Minderheit. Die meisten Griechen befürchten, dass ihr Lebensstandard ohne den Euro nochmals drastisch sinken würde. Allerdings bezweifeln viele, dass der bisherige Kurs Griechenland tatsächlich retten wird. Von den Gesprächen ihres Regierungschefs in Berlin und Paris erwarten nur wenige große Fortschritte.