Leterme bekommt das Messer an die Kehle gesetzt, titelte Flanderns größte Tageszeitung "De Standaard" am letzten Wochenende. Und als ob diese Schlagzeile nicht schon dramatisch genug gewesen wäre, schrieb die Zeitung den Namen des belgischen Premiers vorsichtshalber in Großbuchstaben in einer Größe, die man sonst nur in Boulevardzeitungen findet. Panik im flämischen Lager, kommentierte "de Morgen".
Dabei ist auf den ersten Blick gar nichts Schlimmes passiert: Alle demokratischen frankophonen Parteivorsitzenden in Belgien haben erklärt, sie würden auf weitere herauszögernde Maßnahmen verzichten in einem der ältesten Konflikte zwischen Flamen und Wallonen. Didier Reynders, Vizepremier und Chef der frankophonen Liberalen:
"Man muss zum Dialog stehen. Einen Katalog der frankophonen und der flämischen Forderungen aufzustellen, das ist einfach, wenn man unter sich ist. Ich kann tagelang mit frankophonen Bürgern darüber reden, was die Frankophonen wollen. Aber eines Tages muss man Ergebnisse in Verhandlungen erzielen."
Seit vierzig Jahren streiten beide Sprachgemeinschaften darüber, was aus dem letzten zweisprachigen Wahl- und Gerichtskreis in Belgien werden soll, aus Brüssel-Halle-Vilvoorde. Dieser Kreis umfasst neben der Region Brüssel auch Gemeinden der Region Flandern. Das belgische Verfassungsgericht hatte schon vor Jahren geurteilt, angesichts der Aufteilung des ganzen Landes nach Sprachgrenzen könne BHV, unter dem Namen kennt ganz Belgien den Wahlkreis, nicht zweisprachig bleiben. Die Aufteilung fordern viele Flamen seit langem, wenn auch nur die wenigsten so brachial wie die Aktionsgruppen:
Doch gegen die Spaltung des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde sperren sich die vielen frankophonen Bürger in den flämischen Gemeinden des Kreises ebenso wie die frankophonen Parteien, die ihre Wähler im flämischen Rand rund um Brüssel nicht verlieren wollen. Die Details des Jahrzehnte alten Streites sind selbst für Belgier kaum noch zu verstehen. Im letzten November war ein Tiefpunkt erreicht: Damals nutzten die flämischen Abgeordneten ihre Mehrheit im belgischen Parlament, um die Abstimmung zur Spaltung des Wahlkreises durchzusetzen. Das hatte es noch nie gegeben: Bisher wurden Fragen des Zusammenlebens von Flamen und Wallonen mit Hilfe von Kompromissen geregelt, nie hatten die Flamen ihre zahlenmäßige Überlegenheit ausgespielt. Die frankophonen Parteien zogen die in der belgischen Verfassung vorgesehene Notbremse und das ganze Verfahren kam auf die lange Bank. Jetzt hätten sie erneut einen so genannten Interessenskonflikt ausrufen können. Das wäre ein weiterer Aufschub gewesen. Aber zur großen Überraschung taten sie es nicht. Für die regierenden Christdemokraten geht es kaum schlimmer: Deren eigener Bündnispartner, die separatistische NVA, drängt auf eine schnelle Abstimmung über die Spaltung des zweisprachigen Wahlkreises. NVA-Chef Bart de Wever:
"Ich bin klar dafür, absolut. Die Flamen haben schließlich eine demokratische Mehrheit, um den Gesetzesvorschlag durchzusetzen. Die Frankophonen sprechen doch immer von 10 Millionen Belgiern. Sollen sie doch mal konsequent sein: Wenn die jetzt sagen, wir schieben nicht weiter auf, dann sollten wir weiter machen und nun auch abstimmen. "
Doch nicht nur die flämischen Separatisten, auch die Christdemokraten von Premierminister Leterme fordern seit langem die Spaltung von Brüssel-Halle-Vilvoorde. Leterme musste eine Lösung des Problems bis Mitte Juli versprechen, um überhaupt die Unterstützung seiner eigenen Partei für seine Regierung zu gewinnen. Das war bereits ein Himmelfahrtskommando. Jetzt aber müsste der Premierminister Belgiens schwierigstes Problem eigentlich bis zum 8. Mai aus der Welt schaffen. Denn dann schon könnte die Spaltung des Wahlkreises auf der parlamentarischen Tagesordnung stehen. Die flämischen Christdemokraten müssen sich entscheiden: Entweder erfüllen sie ihr Wahlprogramm und stimmen für die Spaltung, dann riskieren sie das Ende der von ihnen geführten Regierung, denn die frankophonen Koalitionspartner werden da nicht ruhig zusehen. Oder sie setzen widerwillig auf das Verschieben der Abstimmung und riskieren damit auch den Bruch mit ihrem separatistischen Bündnispartner. Genau das, so argwöhnen viele Flamen, sei ja das Ziel der frankophonen Parteien, deshalb verzichteten sie auf weitere Verzögerungen, um Premier Leterme zu zwingen, sich zur Regierung zu bekennen und damit gegen die flämischen Nationalisten in seiner eigenen Partei und den separatistischen Bündnispartner NVA zu entscheiden. Wofür sich die Christdemokraten nun entscheiden, das wusste an diesem Wochenende auch deren Vorsitzender Wouter Beke hörbar noch nicht.
"Ja, nun, das müssen die Fraktionsvorsitzenden entscheiden. "
Das glaubt der flämische Christdemokrat aber wohl selber nicht: Kommt es zur Abstimmung über BHV , dann dürfte der kurze politische Frühling in Belgien schon wieder vorbei sein. Dann werden die Politiker von beiden Seiten der Sprachgrenze nicht mehr wie zuletzt über die sinkende Kaufkraft diskutieren und die aus allen Nähten platzenden Gefängnisse. Dann wird wieder ausschließlich darüber gestritten, wer, wann, wo französisch oder flämisch sprechen darf oder muss. Dann ist die politische Eiszeit zurück, die Belgien im letzten Jahr monatelang gelähmt hat. Den meisten Belgiern wird allein bei dem Gedanken schon ganz kalt.
Dabei ist auf den ersten Blick gar nichts Schlimmes passiert: Alle demokratischen frankophonen Parteivorsitzenden in Belgien haben erklärt, sie würden auf weitere herauszögernde Maßnahmen verzichten in einem der ältesten Konflikte zwischen Flamen und Wallonen. Didier Reynders, Vizepremier und Chef der frankophonen Liberalen:
"Man muss zum Dialog stehen. Einen Katalog der frankophonen und der flämischen Forderungen aufzustellen, das ist einfach, wenn man unter sich ist. Ich kann tagelang mit frankophonen Bürgern darüber reden, was die Frankophonen wollen. Aber eines Tages muss man Ergebnisse in Verhandlungen erzielen."
Seit vierzig Jahren streiten beide Sprachgemeinschaften darüber, was aus dem letzten zweisprachigen Wahl- und Gerichtskreis in Belgien werden soll, aus Brüssel-Halle-Vilvoorde. Dieser Kreis umfasst neben der Region Brüssel auch Gemeinden der Region Flandern. Das belgische Verfassungsgericht hatte schon vor Jahren geurteilt, angesichts der Aufteilung des ganzen Landes nach Sprachgrenzen könne BHV, unter dem Namen kennt ganz Belgien den Wahlkreis, nicht zweisprachig bleiben. Die Aufteilung fordern viele Flamen seit langem, wenn auch nur die wenigsten so brachial wie die Aktionsgruppen:
Doch gegen die Spaltung des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde sperren sich die vielen frankophonen Bürger in den flämischen Gemeinden des Kreises ebenso wie die frankophonen Parteien, die ihre Wähler im flämischen Rand rund um Brüssel nicht verlieren wollen. Die Details des Jahrzehnte alten Streites sind selbst für Belgier kaum noch zu verstehen. Im letzten November war ein Tiefpunkt erreicht: Damals nutzten die flämischen Abgeordneten ihre Mehrheit im belgischen Parlament, um die Abstimmung zur Spaltung des Wahlkreises durchzusetzen. Das hatte es noch nie gegeben: Bisher wurden Fragen des Zusammenlebens von Flamen und Wallonen mit Hilfe von Kompromissen geregelt, nie hatten die Flamen ihre zahlenmäßige Überlegenheit ausgespielt. Die frankophonen Parteien zogen die in der belgischen Verfassung vorgesehene Notbremse und das ganze Verfahren kam auf die lange Bank. Jetzt hätten sie erneut einen so genannten Interessenskonflikt ausrufen können. Das wäre ein weiterer Aufschub gewesen. Aber zur großen Überraschung taten sie es nicht. Für die regierenden Christdemokraten geht es kaum schlimmer: Deren eigener Bündnispartner, die separatistische NVA, drängt auf eine schnelle Abstimmung über die Spaltung des zweisprachigen Wahlkreises. NVA-Chef Bart de Wever:
"Ich bin klar dafür, absolut. Die Flamen haben schließlich eine demokratische Mehrheit, um den Gesetzesvorschlag durchzusetzen. Die Frankophonen sprechen doch immer von 10 Millionen Belgiern. Sollen sie doch mal konsequent sein: Wenn die jetzt sagen, wir schieben nicht weiter auf, dann sollten wir weiter machen und nun auch abstimmen. "
Doch nicht nur die flämischen Separatisten, auch die Christdemokraten von Premierminister Leterme fordern seit langem die Spaltung von Brüssel-Halle-Vilvoorde. Leterme musste eine Lösung des Problems bis Mitte Juli versprechen, um überhaupt die Unterstützung seiner eigenen Partei für seine Regierung zu gewinnen. Das war bereits ein Himmelfahrtskommando. Jetzt aber müsste der Premierminister Belgiens schwierigstes Problem eigentlich bis zum 8. Mai aus der Welt schaffen. Denn dann schon könnte die Spaltung des Wahlkreises auf der parlamentarischen Tagesordnung stehen. Die flämischen Christdemokraten müssen sich entscheiden: Entweder erfüllen sie ihr Wahlprogramm und stimmen für die Spaltung, dann riskieren sie das Ende der von ihnen geführten Regierung, denn die frankophonen Koalitionspartner werden da nicht ruhig zusehen. Oder sie setzen widerwillig auf das Verschieben der Abstimmung und riskieren damit auch den Bruch mit ihrem separatistischen Bündnispartner. Genau das, so argwöhnen viele Flamen, sei ja das Ziel der frankophonen Parteien, deshalb verzichteten sie auf weitere Verzögerungen, um Premier Leterme zu zwingen, sich zur Regierung zu bekennen und damit gegen die flämischen Nationalisten in seiner eigenen Partei und den separatistischen Bündnispartner NVA zu entscheiden. Wofür sich die Christdemokraten nun entscheiden, das wusste an diesem Wochenende auch deren Vorsitzender Wouter Beke hörbar noch nicht.
"Ja, nun, das müssen die Fraktionsvorsitzenden entscheiden. "
Das glaubt der flämische Christdemokrat aber wohl selber nicht: Kommt es zur Abstimmung über BHV , dann dürfte der kurze politische Frühling in Belgien schon wieder vorbei sein. Dann werden die Politiker von beiden Seiten der Sprachgrenze nicht mehr wie zuletzt über die sinkende Kaufkraft diskutieren und die aus allen Nähten platzenden Gefängnisse. Dann wird wieder ausschließlich darüber gestritten, wer, wann, wo französisch oder flämisch sprechen darf oder muss. Dann ist die politische Eiszeit zurück, die Belgien im letzten Jahr monatelang gelähmt hat. Den meisten Belgiern wird allein bei dem Gedanken schon ganz kalt.