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Angst vor Flüchtlingen
Tschechien - ein weißer Fleck auf der Landkarte

Flüchtlinge zahlen für ihre Internierung, sie dürfen ihre Unterkünfte nicht verlassen - Tschechien setzt in der Flüchtlingskrise auf eine Politik der Abschreckung. Und das wirkt. Doch obwohl es kaum Asylanträge gibt, herrscht in der Bevölkerung große Angst vor einer schleichenden "Islamisierung" ihres Landes. Die ausländerfeindliche Stimmung wird von Präsident Zeman höchstpersönlich angeheizt.

Von Stefan Heinlein | 23.10.2015
    Proteste gegen Flüchtlingsquoten für Tschechien in der tschechischen Stadt Moravske.
    Proteste gegen Flüchtlingsquoten für Tschechien in der tschechischen Stadt Moravske. (picture-alliance/dpa/CTK Photo/Vaclav Salek)
    Wutbürger auf dem Prager Wenzelsplatz. Tschechien den Tschechen skandieren die Demonstranten. Menschen aus allen Bevölkerungsschichten kommen, um ihre Angst vor einer schleichenden Islamisierung des Landes heraus zu schreien. Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak sind nicht willkommen.
    Präsident Milos Zeman teilt die Sorgen seiner Bürger: "Die islamischen Flüchtlinge bringen die Scharia in unser Land. Das heißt, untreue Frauen werden gesteinigt. Dieben wird die Hand abgehackt, und unsere schönen Mädchen müssen die Burka tragen."
    Offene Islamfeindlichkeit des Staatsoberhaupts
    Die offene Islamfeindlichkeit des Staatsoberhaupts ist ein Spiegelbild der Stimmung in der Bevölkerung. Neun von zehn Tschechen halten den Islamismus für die größte Bedrohung ihres Landes. Über 80 Prozent der Bürger hat Angst vor Überfremdung.
    Es mangelt an Erfahrungen mit Menschen aus anderen Kulturkreisen, so der vor Jahren aus Syrien geflüchtete kurdische Musiker Miran Kassem: "Sie haben lange Jahre unter den Kommunisten fast völlig isoliert gelebt. Jetzt haben sie Angst, dass ihr freies Leben wieder bedroht wird. Sie wollen unter sich bleiben und keine anderen Kulturen oder Religionen. Sie meinen die Flüchtlinge sind zu viel für ihr kleines Land."
    1.500 Flüchtling in zwei Jahren
    Tatsächlich blockiert die Mitte-Links-Regierung in Brüssel alle Versuche für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der europäischen Union. In den kommenden beiden Jahren will man lediglich 1.500 Flüchtlingen freiwillig die Tür öffnen. Wer dennoch versucht, über Tschechien nach Deutschland zu gelangen, wird ohne Ausnahme verhaftet und wochenlang interniert.
    Die Zustände in den streng isolierten Lagern sind unerträglich, so Martin Rozumek von der Hilfsorganisation OPU: "Was wir in den Lagern gesehen haben, ist eine Katastrophe. Das Essen ist miserabel. Die Unterkünfte sind schmutzig und völlig überbelegt. Es gibt kaum eine ärztliche Versorgung. Wir sperren die Menschen wochenlang ein, und lassen sie dafür auch noch bezahlen."
    Flüchtlinge müssen für Internierung bezahlen
    Umgerechnet rund zehn Euro pro Tag muss jeder Flüchtling für seine Internierung bezahlen. Erst nach sechs bis acht Wochen dürfen sie die Lager verlassen. Die Regierung – so Martin Rozumek - steuert ganz bewusst diesen eisigen Kurs in der Asylpolitik: "Das Innenministerium will den Menschen nicht helfen. Im Gegenteil. Es ist eine klare Politik der Abschreckung. Alle Flüchtlinge sollen wissen. Macht einen Bogen um dieses Land. Der Weg geht nicht durch Tschechien."
    Eine Strategie, die nach Meinung der Mitte-Links-Regierung in Europa Schule machen sollte. Zur Absicherung der Grenzzäune hat Prag bereits Soldaten und Polizisten nach Ungarn in Marsch gesetzt. Nur mit einer stahlharten Linie kann es eine Lösung der Flüchtlingskrise geben, so Präsident Zeman: "Mein Plan ist einfach: Befehlen wir die Armee und die Polizei an die Grenzen. Dort werden diese Menschen dann abgewiesen. Lassen wir die Flüchtlinge gar nicht erst in unser Land."