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Angst vor Gleichschaltung

Im vergangenen Jahr geriet der Freistaat Sachsen in die Kritik, weil Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus wenden, eine Demokratieerklärung abgeben sollen. Jetzt sollen sie auch ihre Pressemitteilungen zur Abstimmung im Landessozialministerium vorlegen.

Von Hanno Grieß | 14.04.2011
    Ralph Schreiber versteht die ganze Aufregung nicht. Sächsische Vereine, die vom Bund und vom Land Geld bekommen, sollen ab sofort ihre Pressemitteilungen dem Landessozialministerium zur Abstimmung vorlegen. Das decke sich doch nur mit der Vorlage, die das Bundesfamilienministerium von Kristina Schröder erarbeitet habe, sagt der Sprecher des sächsischen Sozialministeriums:

    "Es sind Regelungen getroffen worden im Zuwendungsbescheid für beide Vereine, die eine Abstimmung für Maßnahmen in der Öffentlichkeitsarbeit betreffen. Hintergrund ist, dass die Mittel, die den Vereinen hier zur Verfügung gestellt werden, zu einem Drittel Bundesmittel sind, zu zwei Dritteln Landesmittel. Gerade bei den Bundesmitteln sind die Vergaben an klare Voraussetzungen gebunden, und es wurde auch klar definiert, was Öffentlichkeitsarbeit ist, und darunter fielen Pressemitteilungen und Broschüren."

    Die Opposition in Dresden sieht das anders, denn Sachsen ist das einzige Bundesland, das die Regeln so streng auslegt und die Pressemitteilungen abstimmen will. Und so stellen sich manche Oppositionspolitiker die Frage, ob mit Abstimmung eventuell auch Gleichschaltung gemeint sein könnte. Oder Zensur. Besonders deutlich der SPD-Landtagsabgeordnete Henning Hohmann:

    "Die Zensur von PM durch das Sozialministerium ist deswegen schlimm, weil dadurch ein wichtiger Spielraum von Demokratieinitiativen verloren geht. Sich kritisch mit rechtsextremen Realitäten in Sachsen auseinanderzusetzen. Für mich ist das eine ganz klare Freiheitseinschränkung, hat damit etwas mit dem Recht zu tun, sich in Vereinen
    zusammenzutun und in diesen eigenständig zu agieren."

    Ein Maulkorbparagraf für die Initiativen gegen Rechtsextremismus? Ein durchsichtiger Versuch einer schwarz-gelben Landesregierung, die Arbeit explizit linker Vereine zu behindern? Ministeriumssprecher Ralph Schreiber weist solche politischen Motive von sich:

    "Im Endeffekt ist der Freistaat Sachsen rechenschaftspflichtig dem Bund gegenüber, was mit den Mitteln passiert ist und wie sie eingesetzt worden sind. Zweiter Punkt: Es ist natürlich auch richtig, dass wenn der Freistaat zwei Drittel finanziert, also Projektpartner ist, ist es auch nur recht und billig, dass sich die Beteiligten über ihre Arbeit abstimmen. Insofern sehen wir die Abstimmung über Pressemitteilungen als eine vertrauensbildende Maßnahme. Dass wir uns gegenseitig, die Initiative und der Freistaat gegenseitig informieren."

    Und mit "vertrauensbildenden Maßnahmen" berührt Schreiber einen kritischen Punkt. Denn tatsächlich ist in Sachsen ein offenes Geheimnis, dass sich manche Vereine bei der Staatsregierung in der jüngeren Vergangenheit unbeliebt gemacht haben. Durch Aufrufe zu Blockaden von Nazi-Aufmärschen zum Beispiel. Aber auch mehr oder weniger offene Ratschläge zum Bau von Molotow-Cocktails soll es im Umfeld der geförderten Vereine gegeben haben. Angeblich. Ist die jetzige Regelung also ein weiterer Versuch, politisch eher links stehende Initiativen an die Kandarre zu nehmen, wie manche vermuten?

    Bereits in vergangenem November ist der Freistaat Sachsen in die Kritik geraten, seit Vereine und Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus wenden, eine Demokratieerklärung abgeben sollen. Der Gewinnerverein des Sächsischen Demokratiepreises hatte in der Folge gar den Preis abgelehnt - aus Protest. Der BündnisGrüne Landtagsabgeordnete Miro Jennerjahn meint:

    "Für mich ist die neuerliche Vorgabe des Sozialministeriums die logische Fortentwicklung der Demokratieklausel. Dieses Misstrauen konnte zwar inhaltlich nie weiter untersetzt werden. Ich hatte ja den Innenminister da auch mal im Landtagsplenum gefragt, wie viele Vereine denn finanziert werden, die aus Sicht der Staatsregierung extremistisch sind, da musste er zugeben, dass es solche Vereine nicht gibt. Nichtsdestotrotz wird immer wieder betont, solche Vereine, die sich für Demokratie einsetzen, müssten sich erstmal für die Demokratie erklären. Und diese Geschichte, Pressemitteilungen absegnen zu lassen vom Sozialministerium, das ist aus meiner Sicht die Schippe drauf, noch mehr inhaltliche Deutungshoheit über die Arbeit der Vereine zu bekommen."

    Erstaunlich ist aber für alle Beobachter vor allem, dass die betroffenen Vereine selbst bisher zum Thema schweigen. Von keinem der Vorstände war auf Anfrage eine Antwort zu erhalten, auf hinterlassene Handy-Nachrichten gab es nicht einmal eine Rückmeldung. SPD-Mann Henning Homann dazu:

    "In Sachsen werden Initiativen für Demokratie unter Generalverdacht gestellt. Diese Vereine fürchten um ihre Existenz, und sie halten sich genau aus diesem Grund zurück. Deshalb wichtig, dass wir als Politik laut den Mund aufmachen und uns hinter diese Vereine stellen."

    Im Übrigen seien die Finanzierungen für dieses Jahr gerade genehmigt worden, und deshalb müssten die Vereine gegen Rechtsextremismus auch ihre Stellungnahmen im Radio mit der Staatsregierung absprechen, sagen die beiden Oppositionspolitiker von SPD und Grünen. Wie also der Umgang mit den Demokratieinitiativen künftig genau aussehen wird, ist im Moment offen. Sozialministeriums-Sprecher Schreiber sagt, er werde sich nicht mit dem Rotstift hinsetzen und zensieren. Das letzte Wort ist jedenfalls noch nicht gesprochen, in der kommenden Woche wird der Landtag in Dresden darüber diskutieren.