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Angst vor Keime durch Landwirte

Erst ein Check, dann Krankenhaus: Landwirte sollen sich wegen der Gefahr von gefährlichen Keimen vor einem Aufenthalt in einem Krankenhaus untersuchen lassen. Ein entsprechendes Gesetz muss bald von den Ländern umgesetzt werden.

Von Beate Hinkel | 23.03.2012
    Landwirt Hans Boeging aus Lutten in Niedersachsen kommt gerade aus dem Schlachthof. 120 Schweine hat er dorthin gebracht. Das macht er zwei Mal die Woche. Die Tiere, die heute noch nicht verladen wurden, liegen noch grunzend in ihrer Box:

    "Das ist ein Wohlgefühlgrunzen der Schweine. Die sind jetzt am Verdauen. Die haben gefressen und haben jetzt ihre Mittagspause."

    8000 Schweine mästet Boeging im Jahr. Von Keimen, die von den Tieren auf ihn übertragen werden können, weiß er nichts. Doch vorsorgliche Untersuchungen findet er sinnvoll:

    "Ich könnte mir vorstellen, dass mein Hausarzt einen Test macht, dass das in meine Krankenakten kommt und im Falle eines Falles die Akten vorhanden sind. Und gesagt werden kann: Da bestehen Probleme. Das kann ja nur zum Vorteil sein."

    Das findet auch Sylvia Breher vom örtlichen Bauernverband Landvolk. Breher rät den Landwirten, bei einem Krankenhausaufenthalt aktiv auf das Risiko hinzuweisen. Denn der Antibiotika resistente MRSA-Keim kann durch die Luft übertragen werden – und über den direkten Kontakt mit Tieren. Als Schweinemäster kann Hans Boeging diesen Kontakt weitestgehend vermeiden:

    "Das ist ja zum Beispiel beim Zuchtbetrieb, die die Ferkel in die Hand nehmen müssen. Oder zum Beispiel beim Belegen einer Sau, nehme ich ja direkt Kontakt auf. Im Mastbetrieb – ja, ein Schwein scheucht man mal auf, klopft mal auf den Rücken. Und wenn ich ein Schwein hab', das mal rausgenommen werden muss, dann nehm' ich mein Brett und schieb mit 'nem Brett das Schwein raus."

    Dennoch: Nach Informationen des Robert-Koch-Instituts sind rund die Hälfte der Schweinemastbetriebe und beinahe alle dort arbeiteten Landwirte mit Keimen der Tiere belastet. Für gesunde Menschen ist das kein Problem. Doch wenn die Keime in die Krankenhäuser eingeschleppt werden, können sie tödlich sein. Beispiel Bremen: Hier starben wiederholt Frühgeborene durch die multiresistenten Krankenhauskeime. Sylvia Breher vom Bauernverband gibt jedoch zu bedenken:

    "Ein ganz geringer Prozentsatz der vorhandenen Keime stammt überhaupt aus der Tierhaltung. Und die Patienten, die erkranken, das ist ja nicht der Keim aus der Tierhaltung."

    Diese Tatsache bringt Landwirt Leonhard Busse aus dem kleinen niedersächsischen Ort Halter so auf die Palme, dass er kurzfristig nicht mehr vors Mikrofon möchte. Er findet die geplanten Tests diskriminierend und politisch falsch. Wenn überhaupt, so Busse, müssten alle Patienten vor einer stationären Behandlung auf multiresistente Keime getestet werden.

    Und dennoch: Ganz so einfach ist es nicht. Ein internationales Forscherteam hat kürzlich herausgefunden, dass mindestens ein Stamm des gefährlichen MRSA-Keims durch den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung entstanden ist.

    Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner möchte in Zukunft Höfe mit auffällig hohem Antibiotika-Einsatz stärker überwachen lassen. Und sie plant härtere Auflagen für die Verschreibungen von Tierärzten.

    Auch Tierärzte, die in der Landwirtschaft arbeiten, können ab dem 1. April übrigens nicht mehr einfach in ein Krankenhaus spazieren. Die Untersuchungen gelten bei einem Krankenhausaufenthalt auch für sie – und das bundesweit.