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Annäherung an ein Schwarzes Loch
Das Düstere im Dunkeln

Das Gravitationsfeld von Schwarzen Löchern ist so gewaltig, dass ihm nicht einmal das Licht entkommen kann. Lange Zeit galten die Schwerkraft-Monster als hypothetische Phänomene. Seit einigen Jahren jedoch sind sich die Astrophysiker sicher, dass es sie tatsächlich gibt.

Von Frank Grotelüschen | 31.12.2012
Was in ein Schwarzes Loch hinein fällt, ist für immer eines: weg.
Was in ein Schwarzes Loch hinein fällt, ist für immer eines: weg (imago images / Ikon Images)
"Was Pizer sah, veranlasste ihn dazu, den letzten Bissen Truthahn hastig hinunterzuschlucken. Ein Schirm zeigte Sterne, aber nicht nach ihrer sichtbaren Strahlung, sondern entsprechend der von ihnen ausgestrahlten Gravitationswellen. Vielleicht gab es Gravitationsfelder, die so stark waren, dass es sich ihnen nicht entziehen konnte."

Das Düstere im Dunkeln. Annäherung an ein Schwarzes Loch. Eine Sendung von Frank Grotelüschen.

"Ein Schwarzes Loch ist ein Monster der Schwerkraft. Die Schwerkraft kann so stark werden, dass nichts einem Schwarzen Loch entkommen kann."

Bernd Brügmann, Theoretisch-Physikalisches Institut, Uni Jena.

"Ein Schwarzes Loch ist also eine Einbahnstraße. Was reinfällt, kommt nicht wieder raus."

1915. Albert Einstein präsentiert seine Allgemeine Relativitätstheorie. Eine neue, revolutionäre Theorie der Schwerkraft. Denn Einstein behauptet: Masse krümmt den Raum um sich herum, und zwar durch ihre Schwerkraft. Und ist die Masse riesig, passiert etwas Unvorstellbares.

"Der extreme Fall, das Schwarze Loch, bedeutet, dass die Raumzeit so in sich gekrümmt ist, dass nichts dieser Krümmung mehr entkommen kann."

Ein Gravitationsfeld so gewaltig, dass ihm nicht einmal Licht entkommt. Deshalb sind Schwarze Löcher schwarz, absolut schwarz.

"Das Ganze hat als mathematisches Konstrukt angefangen."

Hans-Walter Rix, Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg.

"Und das Faszinierende ist, dass sich tatsächlich herausstellte: Die Natur kann solche Dinge machen!"

Schwarze Löcher entstehen, da sind sich die Forscher heute sicher, wenn Sterne das Ende ihres Lebens erreichen und in sich zusammenstürzen. Allerdings müssen diese Sterne eine gewisse Größe besitzen.

"Jeder Stern, der mehr als sieben Sonnenmassen hat, sollte in einer Sternleiche enden. Ein relativ kleiner Bruchteil an Sternen sind in so massereichen Sternen. Trotzdem sollte es in unserer Milchstraße Millionen von solchen Sternleichen geben."

Stellare Schwarze Löcher. So nennen Astronomen diese Sternleichen. Nur ein paar Kilometer groß, aber manche dennoch zehnmal massereicher als unsere Sonne. Beobachten lassen sie sich die kompakten Ungeheuer nicht. Aber es gibt Hinweise, dass sie existieren.

"Man beobachtet, dass ein scheinbar einzelner Stern um eine unsichtbare andere Masse kreist. Man hat Möglichkeiten, die Masse sehr genau zu bestimmen. Und man kann auch sehr genau hinschauen. Und man sieht, dass man nichts sieht."

Und das, was man nicht sieht, sollte ein stellares Schwarzes Loch sein – vermuten die Fachleute. Deutlich sicherer sind sie, dass eine andere, viel größere Gattung der Schwerkraftmonster existiert – supermassive Schwarze Löcher. Sie lauern in den Kernen der Galaxien und haben die Masse von Abermillionen Sternen. Vor einigen Jahren spürten Astronomen einen solchen Riesen in unserer Galaxie auf, der Milchstraße. Seitdem stoßen die Wissenschaftler auf immer neue Details über die galaktischen Ungeheuer: Wo sie stecken und was sie fressen. Welche Formen sie besitzen und wieso sie Materie von sich schleudern. Ob sie Wellen werfen und warum sie eine Glatze haben - und keine Haare.

"Rechts oben im Bildschirm war ein dunkles ovales Gebilde zu sehen, das von dicht gebündelten Linien umgeben war. Die engen Linien zeigten einen Gravitationstrichter von ungeheuren Ausmaßen. "Das ist das mächtigste Schwarze Loch, das mir je begegnet ist", sagte Vincent feierlich. Der Roboter überlegte einen Augenblick. "Wenn die Messungen auf plus/minus zehn Prozent exakt sind, Mr. Pizer, dann würde ich schätzen, dass dieses Schwarze Loch die Überreste von 40 bis 100 Sternmassen enthält." Pizer nickte langsam. "Ein Punkt, dem man besser fernbleibt."

Der Lebensraum. Wo man die größten Schwarzen Löcher findet.

"Die Geschichte geht relativ lange zurück."

Reinhard Genzel, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching bei München.

"Man hat in den frühen 60er-Jahren die sogenannten Quasare entdeckt. Das sind Objekte, die relativ hell sind."

Quasare. Die Kerne von weit entfernten, jungen Galaxien. Sie besitzen eine unvorstellbare Leuchtkraft. Manche sind 100.000 Mal heller als die gesamte Milchstraße, unsere Heimatgalaxie. Dieses grelle Leuchten – wie kommt es zustande? Die Fachwelt vermutet: Schwarze Löcher stecken dahinter.

"Dann wäre die Vorstellung, dass man in den Zentren von schweren Milchstraßen-Systemen solche Schwarzen Löcher hätte. Wir reden hier von 100 Millionen Sonnenmassen und mehr!"

Schwarze Löcher sind zwar dunkel, man sieht sie nicht. Dafür aber leuchtet die Materie, die in sie hineinstürzt, extrem hell. Zum einen nämlich reibt sie heftig aneinander. Und zum anderen erfährt sie eine derart große Beschleunigung, dass sie starke Strahlung abgibt.
Wenn aber hinter jedem Quasar, hinter jeder fernen Galaxis ein riesiges Gravitationsmonstrum steckt – könnte nicht auch eines im Zentrum unserer Milchstraße lauern? Ein Verdacht, den die Astronomen schon lange hegten und für den sie manches Indiz sammelten. Für den Durchbruch aber sorgte das Team um Reinhard Genzel – mit einem Blick auf einige Sterne, die das Zentrum der Milchstraße äußerst dicht umkreisen.

"Man muss ausnutzen, dass, je näher man an ein Schwarzes Loch herankommt, umso schneller die Bewegungen hochgehen. Das ist wie im Sonnensystem: Die Planeten weit draußen bewegen sich langsam. Wenn man reinkommt, geht's immer schneller."

Von den Umlaufzeiten der Sterne kann man auf die Masse im Zentrum der Milchstraße schließen.

"Dann kann man sich fragen: Gibt es irgendwelche Konfigurationen außer eines Schwarzen Lochs? Und was wir in den letzten 20 Jahren gemacht haben, ist dieses Ausschlussprinzip immer näher an das Schwarze Loch heranzutragen."

An der Europäischen Südsternwarte in Chile nahmen die Forscher das Zentrum unserer Galaxis ins Visier – immer wieder, Jahr für Jahr, eine Geduldsarbeit.

"Wie gut das letztendlich funktioniert hat, das konnten wir nicht vorhersehen."

2002 veröffentlicht Genzels Team die Ergebnisse. Ein indirekter Beweis zwar, aber so überzeugend, dass sich die Fachwelt seitdem sicher ist: Ja, Schwarze Löcher gibt es.

"Im Moment ist der Stand der Dinge so: Wir wissen, im Zentrum unserer Milchstraße ist ein kompaktes, kaum strahlendes Objekt von etwa 4 Millionen Sonnenmassen. Und es gibt keine Konfiguration, die dieses Objekts darstellen könnte außer einem Schwarzen Loch."

Ein Monstrum, rund vier Millionen mal schwerer als unsere Sonne. Für astronomische Verhältnisse eher ein Zwerg.

"Es ist ein relativ kleines Objekt. Vier Millionen Sonnenmassen klingt viel, aber es ist eher unterentwickelt."

Die größten Schwarzen Löcher im Universum lauern im Inneren von Riesengalaxien. Forscher schätzen ihre Masse auf 10 bis 20 Milliarden Sonnenmassen. Reinhard Genzel aber möchte das Milchstraßen-Loch weiter im Auge behalten.

"Wir sind überzeugt: Es ist ein Schwarzes Loch da! Und jetzt wollen wir damit spielen. Wir wollen es benutzen, um damit die Allgemeine Relativitätstheorie zu testen."

Die extremste Region in der Milchstraße – für die Astronomen ein neues, höchst aufregendes Experimentierfeld.

"Letztendlich geht es darum, so nah heranzukommen wie man kann an die Außenwelt des Schwarzen Lochs."

"Pizer wandte sich an das Mikrofon der nächsten Sprechanlage: "He, Dr. Durant und Harry – kriegen Sie das auch mit?" Durants Stimme meldete sich sofort. "Ja, grandios, nicht wahr? Finden Sie nicht auch, Harry?" Harry Booth, der Reporter, stand mit geweiteten Augen da und lehnte sich fast in die Projektion hinein. "Wie aus Dantes Inferno, wenn Sie mich fragen. Sie finden vielleicht, dass die Hölle schön ist. Ich nicht."

Die Leibspeise. Wovon sich Schwarze Löcher ernähren.

"Schwarze Löcher müssen wachsen."

Knud Jahnke, Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg.

"Sie können nicht kleiner werden. Das liegt in ihrer Natur."

Wie sind die riesigen Schwarzen Löcher in den Zentren der Galaxien entstanden? Fachleute wie Knud Jahnke gehen davon aus, dass die Ungetüme vor Milliarden Jahren klein angefangen haben – als Leiche eines kollabierten Sterns, nicht größer als fünf oder zehn Sonnenmassen. Doch was ließ diese Zwerge so extrem wachsen? Wie konnten sie eine derart gewaltige Größe erreichen – zum Teil das Milliardenfache der Sonnenmasse? Im frühen Universum, so vermuten die Astronomen, dürften kleine Löcher regelmäßig zu größeren verschmolzen sein.

"Es ist keine Frontalkollision. Schwarze Löcher sind sehr winzig. Das heißt, man müsste sehr, sehr genau zielen, um zwei Schwarze Löcher so aufeinander zufliegen zu lassen, dass sie verschmelzen."

Stattdessen umkreisen sich beide, belauern sich zunächst. Dann nähern sie sich allmählich – um schließlich miteinander zu verschmelzen. Im frühen Universum dürfte das recht häufig so passiert sein. Doch dann dehnte sich der Kosmos immer weiter aus, die Kollisionen zwischen Schwarzen Löchern wurden deshalb seltener. Jetzt schien ein anderer Mechanismus für die Fütterung der Ungetüme zu sorgen. Sind es, wie US-Forscher unlängst berechnet haben, Sterne, die sich selbstmörderisch in den Schlund des Gravitationsmontrums stürzen?

"Das kann passieren. Das sind aber sehr wenig Sonnen und Planeten. Es ist so: Wir haben ein sehr, sehr, sehr kleines Objekt in einer sehr großen Galaxie. Und es gab Berechnungen, die überlegt haben: Kann es sein, dass die Fütterung von Schwarzen Löchern durch zerstörte Sterne stattfindet? Es scheint möglich zu sein, dass vielleicht ab und zu mal ein Stern zerrissen wird. Es ist viel wahrscheinlicher, dass der Hauptteil wirklich Gas ist."

Interstellares Gas, vor allem bestehend aus Wasserstoff. Allgegenwärtig in jeder Galaxie. Das Gas im galaktischen Zentrum umkreist das Schwarze Loch gewöhnlich auf stabilen Umlaufbahnen. Doch jüngste Computersimulationen legen nahe: Schon kleinste Instabilitäten reichen, Teile dieses Gases aus der Bahn zu werfen und in den Schlund des Ungetüms zu treiben.

"Wir brauchen nur ungefähr eine Sonnenmasse pro Jahr zum Wachstum von einem supermassereichen Schwarzen Loch. Wir brauchen nur diesen kleinen Anteil von Gas, der ins Zentrum wandert und dort ankommt. Lassen Sie es eine Milliarde Jahre lang dauern. Dann haben Sie eine Milliarde mal eine Sonnenmasse."

Behält Jahnke Recht, verspeisen Schwarze Löcher ihre Nahrung nicht in opulenten Hauptmahlzeiten, sondern schlürfen sie in steten Zügen.

"Mensch und Maschine studierten den mächtigen Hauptschirm des Kontrollzentrums. Das Schwarze Loch, jener tobende Mahlstrom der Vernichtung, füllte die ganze Bildfläche aus. Reinhardt wandte sich um. "Interessieren Sie sich für Schwarze Löcher, Dr. Durant?" Durant lächelte. "Ich habe mein ganzes Leben lang dieses Phänomen studiert, Dr. Reinhardt. Das Erstaunlichste an ihnen ist, wie wenig wir wirklich über sie erfahren haben, seit man sie Ende des zwanzigsten Jahrhunderts entdeckte. Wie kann man etwas studieren, das Sonden schneller verschlingt, als diese Messdaten senden können? Unter solchen Umständen ist das Studium unmöglich."

Die Mahlzeit. Wie Schwarze Löcher ihre Nahrung vertilgen.

"Eines dieser Objekte ist uns ins Auge gefallen, weil es direkt auf das Schwarze Loch zufliegt."

Stefan Gillessen, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching.

"Und das ist genau die Gaswolke."

2011. Stefan Gillessen und seine Kollegen schauen sich die Messdaten, die sie innerhalb der letzten zehn Jahre mit dem VLT, dem Very Large Telescope in Chile, gesammelt haben, noch einmal genau an. Plötzlich entdecken sie in den Daten die Signale einer Gaswolke: eine Wolke aus Wasserstoff, 100 Mal größer als unser Sonnensystem, dreimal soviel Masse wie die Erde. Für unsere Maßstäbe ein Riesengebilde. Für astronomische Verhältnisse nur ein kleiner Happen. Gillessen entdeckt: Die Wolke umkreist das Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße auf einer Ellipsenbahn. Dann bemerkt er etwa Spektakuläres:

"Sie nähert sich dem Schwarzen Loch jetzt ganz dramatisch. Und dann wird die Wolke regelrecht zerpflückt."

Der vordere Teil der Wolke befindet sich dichter am Schwarzen Loch als der hintere. Deshalb wirkt auf ihn eine höhere Schwerkraft. Die Folge:

"Die Wolke wird in die Länge gezogen, sie wird spaghettiförmig auseinander gezogen. Die ist dem vollkommen hilflos ausgeliefert, dem Schwarzen Loch."

Ein fataler Prozess. Er hat bereits begonnen.

"Wir sehen, dass der vordere Teil der Wolke schon schneller ist als der rückwärtige Teil. 2008 waren erste Anzeichen zu sehen. Und 2011 ist es ganz ausgeprägt, dass die Wolke verschiedene Geschwindigkeiten hat, ob man sich den vorderen Teil oder den hinteren Teil anschaut."

Im nächsten Sommer dürfte sich die Wolke so dicht dem Schwarzen Loch genähert haben, dass ein Teil abreißt und im Gravitationsschlund verschwindet.

"Und wir erwarten, dass über die nächsten zehn Jahre hinweg das Material auf das Schwarze Loch herabregnen wird."

Erstmals werden die Astronomen live mit ansehen können, wie ein Schwerkraft-Monster Materie verschlingt. Denn je schneller das Gas in den Trichter gezogen wird, umso stärker leuchtet es – der Todesschrei der Materie. Dieses Leuchten werden die Forscher mit Teleskopen beobachten.

"Durch die Mahlzeit bekommt es soviel zu fressen, dass es leicht einen Faktor zehn heller wird als es im Moment scheint. Und wir vermuten, dass das Herabregnen nicht gleichmäßig passiert. Dass es immer mal wieder heller und dunkler wird, dass es also flackert. Ein Prozess, der überall im Universum passiert, aber der vor unseren Augen jetzt das erste Mal wirklich abläuft. Dementsprechend groß ist die Freude und Aufregung unter der Astronomen."

"Harry Booth tippte mit seiner Gabel auf den Teller. "Wie wollen Sie es bewerkstelligen, dass das Raumschiff nicht von der Gravitation zerquetscht wird?"

"Ich weiß genau, wie ich vorgehen werde", sagte Reinhardt. "Der Kurs wird das Raumschiff im steilsten Winkel, der überhaupt möglich ist, in den Trichter führen. Ich glaube, dass im Zentrum des Lochs eine Dimensionsverwerfung vorhanden ist, durch die ich blitzschnell hindurchgeschleudert werde, noch lange bevor das Null-G-Feld, das das Raumschiff umgibt, zusammenbrechen kann."


Die Paarung. Wie zwei Schwarze Löcher verschmelzen.

"Wir sind jetzt im Herzstück der Anlage. Hier ist die Luft noch mal besonders gefiltert."

Hartmut Grote, Albert-Einstein-Institut Hannover.

"Man sieht graue Kessel. Das sind unsere Vakuumtanks. In diesen Tanks haben wir Spiegel aufgehängt. Zwischen diesen Spiegeln laufen Laserstrahlen hin und her. Und damit messen wir winzig kleine Abstände."

Geo600, so heißt der Detektor südlich von Hannover, an dem Grote und sein Team seit vielen Jahren arbeiten. Das Ziel:

"Wir wollen Gravitationswellen messen. Diese Gravitationswellen sind eine Vorhersage aus der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein. Und die hat bisher noch niemand gemessen."

Wenn irgendwo im Universum gewaltige Massen in Bewegung geraten, wenn zwei Schwarze Löcher verschmelzen – dann müssten sie laut Einstein winzige Dellen in der Raumzeit erzeugen. Diese Raumzeit-Dellen müssten als Gravitationswellen durchs Universum rasen, manche von ihnen auf die Erde treffen. Dort müsste man sie nachweisen können – mit ultrasensiblen Detektoren wie Geo600. 600 deshalb, weil der Detektor aus zwei 600 Meter langen, rechtwinkligen Armen besteht, in denen Laserstrahlen hin- und herlaufen.

"Wenn eine Gravitationswelle auf die Erde kommt, wird im Takt der Welle der eine Arm ein ganz bisschen kürzer, gleichzeitig der andere Arm ein ganz bisschen länger. Und im nächsten Zyklus der Welle umgekehrt. Und diese Längenänderungs-Schwingungen kann man messen, als winzig kleine Helligkeitsschwankungen."

Ein Speziallineal, extrem genau: Es soll Längenänderungen messen, die zehntausend mal kleiner sind als der Durchmesser eines Atomkerns. Die Voraussetzung: eine rekordverdächtige Lasertechnik.

"Wir müssen die ruhigsten und stabilsten Laser der Welt haben, die es in dieser Wellenlänge gibt, damit wir die winzigen Längenänderungen messen können."

Geo600 ist nicht der einzige Gravitationswellendetektor auf der Welt. Auch in den USA und Italien gibt es Anlagen, sie sind sogar noch größer. Alle diese Detektoren laufen schon seit Jahren. Aber:

"Gravitationswellen haben wir noch nicht gemessen, und auch keiner von den anderen Detektoren. Darauf warten wir noch."

Derzeit werden die Detektoren hochgerüstet. Spätestens 2014 sollen sie wieder loslegen, dann mit besserer Empfindlichkeit.

"Und dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass man innerhalb von Monaten Signale sehen kann, dass dann die ersten Messungen von Gravitationswellen wirklich stattfinden. Zwei verschmelzende Schwarze Löcher, die zusammenstürzen. Das ist gut möglich."

Wie diese Signale im Zeitraffer klingen müssten, haben US-Forscher bereits am Computer simuliert. Findet man solche Signale, wäre erstmals direkt bewiesen, dass es sie gibt – Schwarze Löcher, jene Monster der Schwerkraft.

"Reinhardt stand jetzt vor dem Hauptschirm und starrte die Schwärze an, die sich immer weiter ausdehnte und von einem flammenden Strahlenkranz umgeben war. Bald würden sie den Ereignishorizont und die Grenzen menschlichen Wissens überschreiten. "Wir werden es schaffen", murmelte er laut. "Bis zu dem Universum dahinter. In mein Universum – das ewige Leben!"

Das Verhalten. Warum Schwarze Löcher Teilchen ins All schleudern.

"Da stellte sich heraus, dass es Ecken und Kanten an den Tanks gibt, die die Kühe gern nutzen, um sich zu reiben."

Ralph Engel, Karlsruher Institut für Technologie.

"Diese Ecken und Kanten haben wir rund gemacht bei den Tanks, um solche Probleme zu vermeiden."

Die Tanks, von denen Engel spricht, stehen im Grasland der argentinischen Pampa. 1600 Tonnen aus gelbem Kunstharz, gefüllt mit jeweils 12.000 Litern Wasser, schachbrettartig verteilt über eine Fläche groß wie das Saarland. Pierre-Auger-Observatorium, so heißt das Areal. Ein Detektor für kosmische Strahlung. Für lichtschnelle Atomkerne, die aus fernen Winkeln des Alls stammen und in der Erdatmosphäre einschlagen. Doch woher kommen diese kosmischen Raser, wie sind sie zu ihren unvorstellbaren Energien gekommen – Energien milliardenfach größer als beim weltweit stärksten Teilchenbeschleuniger, dem LHC?

"Es ist schwer vorstellbar, wie solche Teilchen beschleunigt werden können. Das bedeutet, dass wir gezwungen sind, nach besonders extremen Objekten im Universum zu suchen. Und das Extremste, was wir uns vorstellen können, sind Schwarze Löcher oder der Bildungsvorgang von Schwarzen Löchern."

Schwarze Löcher als kosmische Megabeschleuniger. Wenn das stimmt, sollten besonders viele Teilchen aus jenen Himmelsregionen kommen, wo es fette Schwarze Löcher gibt. Eine These, die Engel und seine Kollegen mit den Wassertanks in der Pampa prüfen. Das Prinzip:

"Diese Teilchen haben so extreme Energien, dass sie, wenn sie auf die Erdatmosphäre treffen, mit Kernen der Luft wechselwirken. Im Bereich von 300, aber auch manchmal 1500 neue Teilchen werden erzeugt. Dadurch entsteht eine gigantische Teilchenkaskade, die wir ein Luftschauer nennen, die auf die Erde niederregnet."

Diese Luftschauer können die Tanks nachweisen. Anhand der Messdaten rekonstruieren die Physiker, wie schnell das Teilchen aus dem All war und aus welcher Richtung es kam. Und tatsächlich: Die Daten legen nahe, dass aus jenen Himmelsregionen, in denen Astronomen superschwere Schwarze Löcher vermuten, überdurchschnittlich viele kosmische Raser kommen. Die Schwerkraft-Monster scheinen also tatsächlich als Mega-Beschleuniger zu wirken. Nur: Wie machen sie das? Wichtig scheint das Gas zu sein, das das Schwarze Loch wie ein riesiger Mückenschwarm umkreist. Da dieses Gas elektrisch geladen ist, sprechen die Experten von einem Plasma.

"Wenn das Gas um das Schwarze Loch kreist, wird es immer weiter komprimiert. Das Plasma trägt Magnetfelder mit sich. Und durch die Rotation um das Schwarze Loch werden die Magnetfelder verdreht. Das heißt es werden immer stärkere Magnetfelder aufgebaut. Es entstehen extrem starke elektrische Spannungen, die dann zur Beschleunigung beitragen können."

Fliegt nun ein Teilchen, das zum Beispiel bei einer Supernova ins All geschleudert wurde, zufällig durch dieses Magnetfeld hindurch, bekommt es einen zusätzlichen Turbokick – und erreicht unvorstellbare Energien.

"Die Sonde beschrieb einen weiten Bogen auf das Schwarze Loch zu. Vor ihnen fraß etwas Schwarzes den Himmel auf. Der Flug der Sonde wurde immer schneller. Sie hatten jetzt den Ereignishorizont durchquert, die Linie, wo die Dinge für immer verschwanden."

Das Aussehen. Wieso Schwarze Löcher Glatzen haben.

"Selbst ein einfaches Schwarzes Loch bietet uns ein gewisses Mysterium."

Jutta Kunz, Professorin für Theoretische Physik, Uni Oldenburg.

"Weil wir nicht wissen können, was im Inneren ist. Es kommt nichts vom Inneren zu uns. Es ist eine Einbahnstraße."

Wer wie Jutta Kunz wissen will, was im Inneren eines Schwarzen Lochs vor sich geht, hinter jenen Grenzen, die Physiker Ereignishorizont nennen, ist auf Hypothesen angewiesen – auf wissenschaftlich begründete Spekulationen. Ausgangspunkt ist Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie. Fast 100 Jahre alt, aber bis heute das beste Modell der Gravitation. Spinnt man Einsteins Theorie weiter, stößt man auf einen bemerkenswerten Befund:

"Das Theorem besagt, dass Schwarze Löcher durch nur drei Größen gekennzeichnet sind. Nämlich durch ihre Masse, durch die Größe ihrer Drehung und ihre elektrische Ladung."

Demnach wären Schwarze Löcher ziemlich langweilig, nahezu charakterlos: Denn drei simple physikalische Größen reichen, um sie zu beschreiben. Augenzwinkernd sprach der US-Physiker John Wheeler vom "No-Hair"-Theorem.

"Er meinte, Schwarze Löcher haben keine Haare – es sind nur drei Größen, die die Eigenschaft der Raumzeit der Schwarzen Löcher bestimmen. Und wenn es mehr gäbe, könnte man das Schwarze Loch vielleicht frisieren."

Doch stimmt das wirklich? Nein, meinen manche Theoretiker, nachdem sie genauer nachgerechnet hatten.

"2002 ist gefunden worden, dass der Horizont von Schwarzen Löchern nicht kugelsymmetrisch sein muss. Dass man Schwarze Ringe haben könnte, wo der Horizont ringförmig ist."

Höchst bizarre Gebilde also, Ausgeburten von abstrakten mathematischen Theorien. Allerdings kann es sie nur geben, wenn das Universum aus mehr Dimensionen besteht als den vier bekannten – den drei Raumrichtungen und der Zeit. Ein anderes Rätsel aber quält die Theoretiker noch mehr: Rechnet man die Allgemeine Relativitätstheorie konsequent zu Ende, müsste hinter jedem Schwarzen Loch letztlich eine Singularität stecken. Das bedeutet: Die gesamte gewaltige Masse des Schwarzen Lochs wäre in einem einzigen Punkt konzentriert – einem unendlich kleinen Punkt. Für Jutta Kunz und ihre Kollegen ein Unding.

"Solche Singularitäten wollen wir eigentlich in unseren Theorien nicht haben. Dann gibt es die Möglichkeit der Kausalitätsverletzung – wir könnten Zeitreisen machen. Das ist eine beunruhigende Sache für viele Leute. Deswegen versucht man, eine Theorie der Quantengravitation zu entwickeln, wo es diese Singularitäten nicht gibt."

Seit Jahrzehnten fahnden die Physiker nach dieser neuen Theorie – bislang ohne Erfolg. Und während die Theoretiker versuchen, die Fundamente der Physik neu zu erfinden, produzieren die Astronomen Forschungsergebnisse im Wochentakt: über Schwarze Löcher, die riesige Blasen werfen und die Sternentstehung in ihrer Galaxis beeinflussen. Die einen Hurrikan an Gasteilchen von sich blasen. Die mit starken Magnetfeldern das umkreisende Gas in die Form einer Scheibe zwingen. Und: Es dürfte im Wochentakt weitergehen mit neuen Resultaten. Denn ungelöste Rätsel um die Schwerkraft-Monster gibt es noch viele.

"Holland spürte, wie etwas Warmes, Allumfassendes nach ihm griff und ihn einhüllte. Die Auflösung seines Ichs hatte begonnen. Aber die Gedanken selbst traten unter der unvorstellbaren Gewalt des Schwarzen Lochs über ihre normalen Grenzen hinaus. Und dann waren sie durch. Und zu aller Erstaunen war da etwas Neues, ein geeintes Gedankenwesen. Und damit kam der Frieden."

Das Düstere im Dunkeln. Annäherung an ein Schwarzes Loch
Eine Sendung von Frank Grotelüschen


Es sprachen: Gerd Daaßen, Cornelia Schramm und Peter Weis.

Redaktion: Christiane Knoll.