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Annäherung im Geheimen

Bloß nicht mit den Linken. Dieses Credo herrscht auf Bundesebene offiziell bei SPD und Grünen vor. Hinter der Fassade gibt es allerdings Verbindungen und Gespräche, wie eine Regierung mit den Linken aussehen könnte. Für 2013 gibt es allerdings noch keine Perspektive.

Von Claudia van Laak | 15.08.2013
    Ein klarer Fall von Science Fiction. Rot-Rot-Grün auch. Deshalb R-Zwo-G – zweimal rot, einmal grün.

    "Wir wollen nicht darüber reden, was nicht geht, sondern wir wollen darüber reden, wie Zukunft aussehen kann, wie man dieses Land voranbringen kann und wir wollen vor allen Dingen darüber reden, auf welchen gemeinsamen Grundlagen man sozusagen aufbauen kann."

    Die das sagt, war mal eine prominente Polit-Punkerin: Angela Marquardt. Mitte der 90er stellvertretende Bundesvorsitzende der PDS. Von Fotografen geliebtes Motiv neben Gregor Gysi – der ältere Herr im dunklen Anzug neben der jungen Frau mit dem Irokesenschnitt. Fast 20 Jahre später: Angela Marquardt trägt die weißblond gefärbten Haare nach wie vor frech nach oben gestellt, ein silbernes Piercing ziert die linke Augenbraue - aber mittlerweile ist die 41-Jährige Mitglied der SPD, leitet das Büro von Generalsekretärin Andrea Nahles und managt die sogenannte "Denkfabrik", einen Zirkel linker SPD-Bundestagsabgeordneter.

    "Über Koalitionen, ganz ehrlich, ob Sie´s glauben oder nicht, haben wir noch nicht einmal geredet, aber ich sag Ihnen auch, ich bin zu jung, um die ganze Zeit davon auszugehen, dass große Koalition oder Schwarz-Gelb das Ende der Geschichte ist."

    Angela Marquardt wohnt – klarer Fall – im Stadtteil Prenzlauer Berg. Vor ein paar Tagen hat sie die Wahlplakate vor ihrer Haustür fotografiert und getwittert: "In meiner Straße herrscht rot-rot-grün, grins." Die Sozialdemokratin sagt: "Wenn alle so schlau wären wie wir, dann wären wir längst soweit."

    "Und da ist auch etwas dran. Hätten das alle so gemacht, könnten wir jetzt einen ordentlichen Wahlkampf für einen Regierungswechsel führen. Den wird es ja so nicht geben."

    Sagt Stefan Liebich und klingt dabei ziemlich frustriert. Der linke Bundestagsabgeordnete ist ebenfalls Mitglied bei "R2G". Für ihn und die anderen Genossen hatte der rot-rot-grüne Gesprächskreis eine größere Bedeutung als für SPD und Grüne. R2G ist zwar ein inoffizieller Zirkel, aber trotzdem eine Art Anerkennung für die Linke auf Bundesebene. Stefan Liebich:

    "Also, ich wollte schon, dass wir als Teil einer rot-rot-grünen Regierung arbeiten. Das wird wohl nun nach den nächsten Wahlen nicht so kommen."

    Doch das liegt nicht nur an Peer Steinbrück, sondern auch an Liebichs eigener Partei – die Reformer unter den Linken konnten nur knapp einen Vorstandsbeschluss verhindern, der festschreiben sollte, dass die Linke auf keinen Fall eine rot-grüne Minderheitsregierung auf Bundesebene toleriert.

    Stefan Liebich auf Wahlkampftour im Stadtteil Prenzlauer Berg, Nachbarschaftsfest in der Choriner Straße. Hier in der Kneipe "Walden" haben sich die Rot-Rot-Grünen regelmäßig getroffen. Der 40-Jährige ist stolz darauf, bei der letzten Bundestagswahl in diesem Wahlkreis Wolfgang Thierse das Direktmandat abgejagt zu haben. Da Thierse jetzt abtritt und ein relativ unbekannter SPD-Mann ihn beerbt, hofft Liebich auf einen erneuten Sieg. Nur an der klaren Absage von Peer Steinbrück an die Linke hatte er ziemlich zu knabbern.

    "Es hat mich total geärgert und ich habe damit nicht gerechnet. Also, ich bin fest davon ausgegangen, dass die SPD aus den klugen Entscheidungen von Hannelore Kraft, von Klaus Wowereit, von Matthias Platzeck, von Erwin Sellering lernt."

    "Es ärgert mich nicht, weil, ich sehe auch für 2013 keine Grundlage jetzt, diese Diskussion rot-rot-grün weiterzuführen."

    Erwidert Angela Marquardt, SPD. Und auch für Monika Lazar, grüne Bundestagsabgeordnete aus Leipzig und ebenfalls Mitglied bei R-2-G, ist rot-rot-grün ein Zukunftsprojekt, das 2013 auf keinen Fall ansteht. Auch nicht eine Tolerierung von Rot-Grün durch die Linke.

    "Weil so eine Tolerierung ist einfach wirklich nichts Stabiles. Und wenn man die Bundesregierung stellt, dann sollte man schon stabile Mehrheiten haben. Aus eigener Erfahrung bei Rot-Grün wissen wir ja, das es selbst bei einer rot-grünen Mehrheit durchaus auch Differenzen gibt, und da ist es eben wichtig, dass man eine eigene Mehrheit hat und da versucht, die Konflikte zu lösen."

    Prominente aus den drei Fraktionen haben sich R-2-G bislang ferngehalten, der Gesprächskreis wurde von einigen abfällig "Krabbelgruppe" genannt. In der neuen Legislaturperiode wollen die Krabbelkinder laufen lernen – und zumindest zur Vorschulgruppe aufsteigen.

    "Klar, wir machen weiter. Und jetzt haben wir uns lediglich verabschiedet für die kurze Dauer des Wahlkampfes."

    "Es wird wieder gestartet werden und es wird aus meiner Sicht beim nächsten Mal noch ernsthafter und prominenter gestartet."