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Annette Schavan droht die Aberkennung ihres Doktortitels

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat den Vorwurf einer Täuschungsabsicht in Bezug auf ihre Doktorarbeit, mit der sie auch ihr Studium abschloss, zurückgewiesen. Der Fakultätsrat der Universität Düsseldorf wird nun über das Verfahren zur Titelaberkennung entscheiden.

Von Jürgen König | 21.01.2013
    Bildungsministerin Annette Schavan (CDU)
    Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
    Den Vorwurf der Täuschungsabsicht hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan stets zurückgewiesen – und hat ansonsten in den letzten Monaten nicht mehr dazu gesagt als dass sie kämpfen werde.

    "Ich kann wirklich gut verstehen, dass Sie von mir mal was hören wollen. Ich sage aber heute nichts anderes als in den Wochen zuvor und in den Wochen, bis Düsseldorf fertig ist. Aus Respekt vor der Wissenschaft – und dann können wir ganz viel darüber reden."

    "Bis Düsseldorf fertig ist... " das könnte morgen der Fall sein. Dass der Promotionsausschuss dem Fakultätsrat empfehlen werde, ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels einzuleiten, wurde durch eine Indiskretion schon im Oktober bekannt, als das als "vertraulich" eingestufte Gutachten an einzelne Medien gelangte. Eine "leitende Täuschungsabsicht" sei zu erkennen, so zitierte der "Spiegel" den Gutachter Stefan Rohrbacher; auf 60 Seiten der erziehungswissenschaftlichen Doktorarbeit von 351 Seiten habe Annette Schavan Originalquellen zitiert, ohne sie als Zitate kenntlich zu machen. Wegen dieser Indiskretionen wurde der Promotionsausschuss heftig kritisiert, auch wurde beanstandet, dass nur ein Gutachter bestellt worden sei, dass man sich mit dem Verfahren zu viel Zeit ließe und dass mit Stephan Rohrbacher ein Judaistik-Professor dem Ausschuss vorsitze, kein Erziehungswissenschaftler. Die Universität Düsseldorf bedauerte die Indiskretion, gelobte Aufklärung und beauftragte den Bonner Rechtswissenschaftler Klaus Ferdinand Gärditz mit der Überprüfung des Verfahrens. Sein Rechtsgutachten wurde am letzten Mittwoch veröffentlicht – mit dem Ergebnis, "rechtlich relevante Verfahrensfehler" seien nicht festzustellen". Dieses Gutachten nahm wiederum die "Allianz der Wissenschaftsorganisationen" am Freitag zum Anlass für eine Stellungnahme; man "habe diese Bewertung zur Kenntnis" genommen, die "verfahrensrechtliche Korrektheit" müsse "unverzichtbarer Verfahrensbestandteil" sein – aber:

    "Gleichwohl ist sie nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, um die Entscheidung über die Aberkennung eines Doktorgrades zu begründen. Letzteres setzt vielmehr auch in der Wissenschaft übliche Verfahrenselemente wie das Mehraugen-Prinzip, die Trennung von Begutachten, Bewerten und Entscheiden sowie eine angemessene Berücksichtigung des Entstehungskontextes voraus, dessen inhaltliche Bewertung nur auf der Basis einschlägiger fachwissenschaftlicher Expertise vorgenommen werden kann."

    Für ihre Erklärung wurde die "Allianz", deren Einrichtungen Milliarden vom Bundesforschungsministerium bekommen, inzwischen kritisiert, etwa vom Präsidenten des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen. Im Düsseldorfer Verfahren sei nichts falsch gemacht worden, durch die Allianz sei aber der "fatale Eindruck" entstanden, "politisch wünschenswerte Ergebnisse könnten öffentlich herbeigeredet werden."

    ""Ich glaube, die Organisationen, die hier intervenieren, die leisten nicht nur der Wissenschaft einen Bärendienst, sondern nicht zuletzt auch Frau Schavan. Denn einen Prominentenbonus, den kann es weder für Minister noch für sonst irgendjemanden geben; Frau Schavan ist hier in der Rolle eines Jedermann, der in einem ganz bestimmten wissenschaftlichen Verwaltungsverfahren sich befindet, da gibt es keine Vorteile oder Nachteile für Ministerinnen. "

    In der vergangenen Woche wurden abermals Einzelheiten des Verfahrens bekannt: Die "Süddeutsche Zeitung" meldete, der Promotionsausschuss sei zu einem "etwas milderen" Urteil gekommen, der Vorwurf laute nicht mehr, "absichtlich getäuscht" zu haben. Annette Schavan habe aber mit ihrer Zitierweise "in Kauf genommen, gegen die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen zu haben". Bei seiner Empfehlung, ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels einzuleiten, werde man bleiben. Dass der Rat dieser Empfehlung folgen wird, halten in Wissenschaftskreisen viele für wahrscheinlich. Dass würde nicht automatisch den Entzug des Titels nach sich ziehen: Annette Schavan schloss ihr Studium mit der Promotion ab, würde ihr der Titel entzogen, hätte sie keinen Studienabschluss mehr – das könnte im Rahmen von Ermessensüberlegungen eine Rolle spielen.